Lachen bis der Arzt kommt!
Es ist schwierig, sich als Mensch immer und überall im Griff zu haben; und gefährlich, wenn man eine Person der Öffentlichkeit ist und immer und überall beobachtet wird. Aber mit seinem Fauxpas in Erftstadt hat sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Ikonographisches geleistet. Selten hat ein Bild die Absurdität einer Situation, die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und politischer Ambition deutlicher gemacht.
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Während zahllose Augenzeugen von gespenstischen Bildern und dem verstörenden Ausmaß der Katastrophe berichten, der Bundespräsident den Bürgern seine Anteilnahme ausdrückt, lachen Laschet und CDU-Fraktionsvize Gregor Golland (der Mann bekommt 90.000 Euro im Jahr Extra-Salär von einer RWE-Tochter), als seien sie in der besten Kabarettaufführung.
Entgleisende Gesichtszüge sind schon im Normalfall solcher Situationen ein Problem. Denn viele Bürger beobachten Reisen von Politikern in Krisengebiete immer aus dem Blickwinkel des Verdachts, dass sie lediglich kommen, um Sonntagsreden zu halten. Im Falle Laschets ist es aber noch viel schlimmer. Denn sein inhaltsloses Wahlprogramm, das von der Suggestion getrieben ist, es könnte alles so bleiben wie es ist, wirkt angesichts einer von Extremwetter entfesselten Naturgewalt noch mehr aus der Zeit gefallen, als es das ohnehin tat. Doch Laschet, der schon nach der Europawahl selbstvergessen die Frage stellte, weshalb alle plötzlich vom Klima reden, wirkte angesichts seines Benehmens so deplatziert wie selten zuvor; ein giggelnder Pennäler in der letzten Bankreihe der Beerdigungszeremonie.
Grundsätzlich ist Laschet nur eine Variabel für einen Großteil der Politik, aber auch für uns Bürger. Die einen scheuen sich in der Mehrzahl davor, uns reinen Wein einzuschenken, in der Hoffnung, die Folgen ihres (Nicht)Handels mögen erst nach ihrer Amtszeit zum Tragen kommen, die Suppe von anderen ausgelöffelt werden. Die anderen hoffen, dass die Aufgabe geliebter Gewohnheiten, das Ändern des eigenen Verhaltens bitte schön nicht schon bei ihnen notwendig wird. Das ist eine verhängnisvolle Beziehung. Politiker wollen gewählt werden, werden aber nur gewählt, wenn sich die Menschen davon eine Verbesserung ihrer Situation versprechen. Vermutet man bei einem Politiker oder einer Politikerin Grausamkeiten im Gepäck, wird spätestens der politische Gegner dafür sorgen, dass er oder sie nicht in Verantwortung kommt; selbst wenn das wider besseres Wissens geschieht. Für einzelne Bürger kann es ja immer noch so sein, dass selbst bei allgemeiner Verschlechterung der Lage sie oder er das Glück hat, vom Unbill verschont zu bleiben. Auch nach mehr als anderthalb Jahren Pandemie und einer Kette von Extremereignissen, von der die Flutkatastrophe nur die jüngste, aber nicht die letzte ist, gibt es noch ausreichend Menschen, deren Beharrungsvermögen größer ist als die Einsicht in das Offensichtliche. Auch dafür steht #LaschetLacht.
Aber schauen wir doch mal auf die Fakten. Letztlich haben ein paar Tage Starkregen dafür gesorgt, dass mehrere Regionen komplett lahmgelegt wurden. Denn letztlich hat es ja nicht nur die Flussanrainer an Ache, Ahr, Erft, Kyll, Lenne, Rur oder Wupper verheerend getroffen. Die Zerstörung der flussquerenden Infrastruktur und der Uferstraßen sorgt für Stillstand auch in den angrenzenden Regionen. Ein paar Tage heftige Unwetter reichen offensichtlich, um uns unsere Verwundbarkeit vor Augen zu führen. Nicht etwa, dass dafür ein querstehender Frachter in der Wirtschaftsschlagader der Welt oder ein unsichtbarer Virus, der Millionen von Toten gefordert hat, schon gereicht hätten. Ein paar Tage Regen von ungewöhnlicher Intensität haben die nächste Tür der Erkenntnis aufgerissen.
Auf der anderen Seite hat jede Katastrophe auch eine freundliche Seite. Die vielen Unternehmen, die jetzt Mitarbeiter, Fahrzeuge und Baumaschinen abstellen, um beim Aufräumen selbstlos zu helfen, beweisen, dass vielen Menschen das Zusammenstehen wichtiger ist als das Geldverdienen. Denn sie kommen nicht nur aus dem direkten Umfeld oder dem Katastrophengebiet selbst, sondern sie schrecken auch vor langen Anfahrten nicht zurück, opfern Wochenenden und Urlaubstage. Das lässt nicht nur einen lachenden Ministerpräsidenten noch alberner aussehen, sondern es macht auch Hoffnung, dass die Menschen nicht nur Einsatz zeigen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern auch zu Veränderungen bereit sind. Verzicht heißt übrigens in einer Branche, die Landschaft gestaltet, langfristig nicht weniger Umsatz. Verzicht heißt, bestimmte Maßnahmen zu lassen und Produkte nicht mehr einzusetzen, aber dafür mit vollem Einsatz und nachhaltig dafür zu bauen und zu gestalten, dass die Folgen solcher Extremwetter in Zukunft weniger Schäden hinterlassen und weniger Opfer fordern. Das fängt im Kleinen an und zieht sich bis ins Große. Denn es geht am Ende in erster Linie nicht darum, mehr Sirenen aufzustellen, sondern zu verhindern, dass Naturgewalten durch unser Tun nicht noch vergrößert werden.
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