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KOMMENTAR | TJARDS WENDEBOURG

Das LehrerInnen-Dilemma

Die grüne Branche beklagt den Mangel an Berufsschullehrkräften. Doch das, was so seltsam unbeteiligt klingt, ist auch mitverschuldet, meint Tjards Wendebourg im aktuellen Kommentar.

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Tjards Wendebourg
Tjards WendebourgBarbara Sommer
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Die Erkenntnis, dass der Branche die Lehrerinnen und Lehrer ausgehen, ist so neu nicht. Schon als der BGL 2005 den Stiftungslehrstuhl in Kassel eingerichtet hatte, war eines der Ziele, akademischen Nachwuchs für die Branche zu gewinnen; unter anderem, um neue Lehrkräfte und Ausbildende von Lehrkräften zu bekommen. Schon da wusste man, dass ein großer Teil der Lehrerschaft in absehbarer Zeit in den Ruhestand wechseln würde. 2012 sagte die Hochschulkonferenz Landschaft (HKL), dass jährlich alleine im Bereich Landschaftsbau 50 Studierende sowie drei Hochschulen für deren Ausbildung gebraucht würden. Passiert ist seitdem wenig, jedenfalls wenig Positives.

2009 wurde am Landesinstitut für Landwirtschaftspädagogik in Bonn der letzte Jahrgang verabschiedet. Dort konnten sich jährlich immerhin 20 bis 25 Studierende als Lehrkräfte an Berufsschulen weiterqualifizieren. Als Ausbildungsstätten für Berufsschullehrkräfte blieben danach Weihenstephan und die TU Berlin übrig, von der letztere dafür auch schon wieder weggefallen ist. Das 2013 neu geschaffene Angebot in Geisenheim reicht nicht annährend, um den Bedarf zu decken. Und der Stiftungslehrstuhlinhaber in Kassel– naja, sagen wir es mal so – hatte seine eigene Agenda. Dass sich der Mangel zügig verschärfen würde, war also so sicher, wie das Amen in den sich leerenden Kirchen.

Wenn BGL, Bauernverband und ZVG jetzt gemeinsam beklagen, dass der Engpass „in den zuständigen Landesministerien noch nicht überall angekommen ist“, ist man deshalb geneigt zu fragen, was die berufsständischen Vertretungen in dieser Richtung in den letzten 10, 15 Jahren getan haben. Schließlich sollte unser Interesse als betroffene Branchen größer sein als das der Länder. Landesministerinnen und -minister wechseln in der Regel nach jeder Wahlperiode. Zu ihren Aufgaben zählt die Betreuung der allgemeinbildenden Schulen ebenso wie die der Hochschulen. Meist sind sie damit ausreichend beschäftigt, denn man braucht keine PISA-Studie, sondern nur eigene Kinder, um zu sehen, was bildungspolitisch alles schiefläuft. Dass sich die Kultusverantwortlichen da noch tiefer in die einzelnen Zweige des Berufsschulwesens einarbeiten und es dafür eine öffentliche Agenda gibt, ist eher unwahrscheinlich. Das hätten sich auch die Verbände ausrechnen können.

Dass ein oder zwei Ausbildungsstätten für den gesamten Agrarbereich – zudem Garten- und GaLaBau ja nun immer noch zählen – nicht reichen würden, ist ebenso wenig eine Binsenweisheit wie die Tatsache, dass die Überbürokratisierung der Anerkennung und das föderale Durcheinander der Sache nicht weiter förderlich sind. Und auch die Erkenntnisse, dass grundsätzlich weniger Absolventen zur Verfügung stehen würden und Lehrkräfte in der Regel nicht bis 67 arbeiten, sind so neu nicht. Die Eifersüchteleien zwischen den Hochschulen und die geringe wirtschaftliche Attraktivität entsprechender Lehrstühle tun ihr Übriges. Wo ist also das Aufbäumen gewesen, als sich die Lage abzuzeichnen begann? Zwar haben wir jedes Jahr Umsatzrekorde gefeiert, aber dass dieser Faden einmal abreißen wird, wenn die Ausbildung nicht mehr funktioniert, stand wohl nur im Kleingedruckten.

Jetzt heißt es, in die Puschen zu kommen. Es braucht nicht nur den Einsatz in NRW, sondern wir brauchen eine bundesweite konzertierte Aktion für den LehrerInnen-Nachwuchs. Dazu gehören ein Szenario, welche Hochschulen, welche Aufgaben übernehmen, der Einsatz für eine Förderung, um den Hochschulen die Lehrstühle schmackhaft zu machen, eine vernünftige Visualisierung der möglichen Zugangswege und eine massive Werbekampagne für den Karriereweg unter Studierenden.

Es wird viel beklagt, dass Eltern ihre Kinder lieber in ein Studium schicken, statt sie etwas Handwerkliches lernen zu lassen. Doch es bleibt das Geheimnis unserer Generation, weshalb wir nicht alles tun, um das Erfolgsmodell Duale Ausbildung, einem der Kerne unseres Erfolges, zu hegen und zu pflegen. Eigentlich wäre es ja der Exportschlager – gerade für Länder mit vielen jungen Menschen. Doch, wenn man es exportieren wollte, müsste man es selbst erstmal zu wertschätzen lernen. Und dazu gehört, alles dafür zu tun, Sand aus dem Getriebe zu entfernen. Der Lehrkräftemangel ist da nur ein, aber ein sehr eklatantes Versäumnis unserer Zunft.

1 Kommentare
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  • User_MTg1MDU4Mw 03.02.2023 13:55
    Nunja, dass das Thema nicht hinreichend beackert wurde, kann ich nicht bestätigen. Dennoch teile ich das Staunen, dass die Aus- und Weiterbildung gleichzeitig Dauerthema und Stiefkind ist - nicht nur im grünen Sektor (Wer Kinder hat, die allgemeinbildende Schulen besuchen, weiß, was ich meine). Dennoch ist es gut und richtig, dass das Problem in jüngster Zeit verstärkt thematisiert wird. Immerhin: Im grünen Sektor und insbesondere im Garten- und Landschaftsbau wird daran schon seit vielen Jahren gearbeitet. Kein Zufall, dass 3/4 der Auszubildenden im Gartenbau den GaLaBau wählen. Das Handwerk hat das wachsende Problem von immer weniger Lehrkräften an berufsbildenden und weiterführenden Schulen oftmals noch gar nicht adressiert. Aber bleiben wir im Grünen: Längst fehlen Fachkräfte bei Städten und Gemeinden, Gebietskörperschaften, selbst in den Ministerien und natürlich auch in Planungsbüros, Beratungsunternehmen ... und eben auch in der Praxis. Dass der Leidensdruck in der nach wie vor boomenden Branche des GaLaBaus hoch ist - klar - aber doch auch in der Verwaltung! Manche Fördertöpfe, von denen es im Zusammenhang mit der Rolle der grün-blauen Infrastruktur immer mehr gibt, werden nicht ausgeschöpft, weil die Menschen fehlen, um diese zu verarbeiten. Und nun? Bildung ist in Deutschland Ländersache und so ist es mehr als nachvollziehbar, dass der VGL NRW für sein Land - immerhin das einwohnerstärkste Bundesland - einen Neustart einfordert. Dass es hier überhaupt keine Lehrerausbildung mehr gibt - nicht für den Gartenbau, nicht für die Landwirtschaft, nicht in der Ökotrophologie - ist untragbar und nicht auf Bundesebene lösbar. Insoweit ist der Ruf nach einem Grünen Campus für NRW meines Erachtens richtig und wird hoffentlich in der Landespolitik gehört - nicht zuletzt, damit in den Ministerien und Kommunen mittelfristig ausreichend qualifizierte Menschen zur Verfügung stehen, um die großen Zukunftsfragen im Freiraum anzugehen. Immerhin hat NRW als erstes Bundesland in Klimaanpassungsgesetz verabschiedet ...
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