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Arbeiten auf der Chelsea Flower Show - Raimund Reichle war dabei

Landschaftsgärtnermeister Raimund Reichle aus Buxheim arbeitet als Bauleiter bei Herrmann Kutter in Memmingen. Sein guter Ruf als Pflasterer brachte ihn auf die Chelsea Flower Show. Für die Londoner Landschaftsbaufirma Crocus setzte er die Natursteinpflasterflächen im Beitrag "The Daily Telegraph Garden" der Landschaftsarchitektinnen Gabriella Pape und Isabell van Groeningen um. Lesen Sie Reichles Erlebnisse in einem gartenverrückten Land.
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Die ersten Segmentbögen sind gelegt.
Die ersten Segmentbögen sind gelegt.Raimund Reichle für www.dega.de
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Samstag, 5. Mai
Am 5. bin ich nach London geflogen. Zustande gekommen ist das berufliche Highlight, nachdem ich in München einen Hausgarten gebaut hatte, den das englische Landschaftsarchitekturbüro Land-Art geplant hat. Die Inhaber des Büros sind Gabriella Pape und Isabell van Groeningen.
Ich bin Gärtnermeister im Garten und Landschaftsbau, 39 Jahre und arbeite schon 23 Jahre in meinem Beruf. Seit 2000 bin ich bei Hermann Kutter Garten- Landschaft- und Sportplatzbau in Memmingen als Baustellenleiter tätig. 15 Jahren schon hege ich den Wunsch, einmal bei der Chelsea Flower Show dabei zu sein. Für mich ist das die Olympiade des Gartenbaus.

Meine Aufgabe in London bestand darin, in dem geplanten Garten einen Weg aus Natursteinpflaster herzustellen. Das entsprechende Material bemusterte ich bereits im Januar zusammen mit Frau Pape. Sie wählte einen Porphyr-Mosaiksteine 4/6 aus, den wir bei der Firma Rössle Bau- und Natursteine AG in Marktoberdorf fanden. Die lieferte schließlich auch die restlichen benötigten Porphyrmaterialien (Blockstufen, Bodenplatten und Abdeckplatten - alles Sonderanfertigungen)nach London.
Als Verlegemuster für die Natursteine war ein Schuppenpflaster geplant, wobei
keine Schuppe farblich herausstechen sollte. Da der Weg zwischen 1,20 und 1,0m breit war konnte ich dem Wunsch von Frau Pape nachkommen und die Schuppen etwas anders gestalten. Die Radien wären ja normalerweise 50 cm hier war der Wunsch die Gesamtbreite von 1m in Radien zu 60 und 40 cm aufzuteilen. Dies hatte zur Auswirkung, dass aus dem Halbkreis ein Segment wurde. Durch diese Ausführung ließ sich ein schöneres gesamt Bild erzielen. Auch für die Ecken ergaben sich sehr schöne Detaillösungen - die ich selbst entwickeln durfte.

Über das Bettungsmaterial sind wir uns ebenfalls bereits vor meinem Flug nach London einig geworden. Ich bekam Materialproben zugesandt und entschied mich zuerst für eine Art Splitt 2/6, den eine Englische Firma herstellt. Aber am Ende auf gewaschenem Sand gepflastert, weil das zu gebrochene Material bei Nässe sehr viel Dreck verursacht. Und mit Regenschauern ist in London ja bekanntlich immer wieder zurechnen ist.
Die Baustoffe wurden schon alle vor dem Beginn der CFS zum Lagerplatz der Fa. Crocus nach London geliefert. Ein Team englischer Bauleiter war seit Monaten damit beschäftigt, den Ablauf zu organisieren - vor allem die Anlieferung für der Baumaterialien. Jede beteiligte Firma beklam ein Zeitfenster pro Tag zugeteilt, in dem die benötigten Stoffe angeliefert werden durften. Dies wird mit britischer Strenge von einem "traffic managment" kontrolliert. Auch für den Show-Garten gab es einen Bauzeitenplan (siehe Anhang).

Gleich nach meiner Ankunft in London und meinen ersten Erfahrungen mit der Tube, wurde ich von Frau Pape in meinem Bed-and-Breakfast-Hotel (B&B) abgeholt
und zum Chelsea-Gelände gefahren, das für die nächsten 14 Tage meine Heimat werden sollte. Das Gelände durfte nur mit einem Berechtigungsausweis, Warnweste und Arbeitshelm betreten werden.
Bei dieser Gelegenheit lernte ich dann auch meine englischen Arbeitskollegen von Crocus kennen. Mark, meinen chief für die nächsten 14 Tage, hatte im Bezug auf die Verständigungschon bei einem Frühjahrstermin mit Frau Pape schon mit einem Grinsen gesagt, dass "faster, faster, faster...", das einzige sei, was ich zu verstehen bräuchte. „

Crocus hat auf der CFS zwei direkt nebeneinander liegende Schaugärten gebaut. Das Team bestand aus Graham (Vorarbeiter, baut seit 1973 Schaugärten), Mark seinem Facharbeiter, Med einem Helfer sowie Spezialistentrupps für verschiedene spezielle Arbeiten. Dazu kam ein ein Ingenieur, der für die exakte Vermessung beider Baustelle verantwortlich war, und ein Bauleiter, der die Verantwortung für den Ablauf der beiden Baustellen übernahm.
Nach dem ersten Kennenlernen und Beschnuppern (alles mit sehr viel englischer Höflichkeit) ging es los. Das einzige was ich sah war Dreck und Leute, die auf diesem Dreck mit Mörtel eine Mauer bauten. Ich dachte mir, wie soll das nur mal ein Garten werden. Ich versuchte mir den Plan ins Gedächnis zu rufen und konzentrierte mich auf meinen eigenen Bereich. Ich dachte mir "lass mich nur schnell zur Tat schreiten, damit wenigstens meine Arbeit fertig wird."
Nach ein paar fachlichen Besprechungen und Small-Talk, machten wir für den folgenden Tag aus, dass ich schon mal mithelfen sollte die Einfassungen (Stahlwinkel) für den Weg zu setzen.

Sonntag, 6. Mai
Am Sonntag begann eigentlich meine Arbeit auf der CFS. In der Früh schaute ich mir noch kurz die Londoner Innenstadt an. Immerhin wohnte ich nur 5 Gehminuten vom Buckingham Palace im Bezirk Westminster. Also konnte ich mir auch noch andere typische Sehenswürdigkeiten anschauen (Big Ben, Trafalgar Square usw.). Das schaffte ich
in drei Stunden. Mehr Zeit für Kultur habe ich mir vor lauter Aufregung und Angespanntheit nicht gegönnt.
Mit Herzklopfen und feuchten Handflächen ging ich nun alleine auf das Chelsea-Gelände. Ein Tag, den ich nicht mehr vergessen werde.
In Deutschland wäre auf einer vergleichbaren Veranstaltung Hektik
und tatkräftiges Treiben zu vermerken gewesen. Hier bin ich mir aber vorgekommen wie bei Dornröschen; als würden alle schlafen. Es war keine Hektik zu verspüren, kein nervöses Treiben. Nein, es herrschte richtige Ruhe über den Bauplätzen. Jeder arbeitete so vor sich dahin.
Zuerst dachte ich es liegt am Sonntag. Aber in den nächsten Tagen wurde ich eines Besseren belehrt. Die Ruhe blieb. Die extrem schnelle Stadt London schien auf dem Chelsea-Gelände zur Ruhe zu kommen. Das Sprichwort "in der Ruhe liegt die Kraft" bekam für mich nach dieser Zeit ganz neue Bedeutung.
Nun begann die Zeit des Lernens in vielerlei Hinsicht. Zum einen musste ich das ökonomische Denken aus dem Kopf bekommen. Auf der Chelsea zählt nur die Show und sonst nichts.
Das Ergebnis: Die Optik alleine zählt. Es muss alles nur diese 5 Tage absolut perfekt aussehen. Das Ziel wird oft den verrücktesten manchmal aber auch auch mit einfachen Hilfsmitteln erreicht. Fachlichkeit steht irgendwo ganz hinten, DIN Normen oder EU-Richtlinien sind von der CFS ausgeschlossen. Dies sollte ich schon an meinem nächsten Tag kennenlernen.

Montag, 7. Mai
An diesem Tag kamen zwei Spezialisten, die die Treppen bauen sollten. Hier zeigte sich wiederum die Improvisationskunst bzw. Einfallsreichtum der Engländer, zugleich aber auch ihr Hang, das Management zu verkomplizieren. Vielleicht kam auch die mangelnde Erfahrung mit Natursteinen hinzu, die außerhalb Englands vorkommen.
Als Unterkonstruktion für die Treppen, hatten sich die beiden eine vom Schreiner Plan-genau angefertigte Holzkonstruktion bauen lassen, auf die dann die Blockstufen aufgelegt wurden.
Ich konnte leider nicht alles verstehen bzw. nachvollziehen, aber, was mir immer wieder aufgefallen ist: Mehr als einmal kam ein Heeresstab an Leuten zusammen, die irgendwelche Probleme besprachen. Sie kamen nach geraumer Zeit zu einer Lösung, die sie dann den Spezialisten übermittelten. Nach einiger Zeit fand ich heraus, dass es sich wirklich nur um kleine, nicht plankonforme Angelegenheiten handelte. Die Entscheidungen wurden hier nicht von den Ausführenden getroffen, sondern immer zusammen mit Bauleiter, Vorarbeiter und Ingenieur.
Oder einmal baute man die Mauer für den abgesenkten Gartenbereich, dann machte man sich noch mal mit dem Bagger an das Rohplanum, dessen Niveau anscheinend nicht stimmte. Bei den Baggerarbeiten wurden dann Teile der Mauern wieder beschädigt oder sogar zum Einsturz gebracht. Jede noch so geringe Kleinigkeit kam auf den Tisch.
In Deutschland bin ich gewohnt, diese Entscheidungen selbst auf meinen Baustellen zu treffen.
Noch ein Wort zu meinem Englisch. Seit meinem Schulabschluß 1984 hatte nichts mehr mit der Sprache zu tun. Besten Voraussetzungen, für meinen Englandaufenthalt - und das noch im Fachbereich. Zur Sicherheit hatte ich bereits Wochen vor dem Abflug angefangen, Vokabeln zu lernen. Ich wollte ja nicht ganz verloren dastehen.
Nach den ersten 2 Arbeitstagen, hatte ich das Gefühl mich ganz gut eingelebt zu haben, auch verstand ich immer mehr von meinen englischen Teamkollegen. Auch hatte ich so langsam das Gefühl, von meinen Arbeitskollegen akzeptiert zu werden. Ich wurde jetzt immer zum Teetrinken aus Queen-Tassen eingeladen - das lassen sich Engländer nicht nehmen. Genauso bekam ich jetzt immer zur Frühstückspause ein Bacon-Sandwich, eine englische Köstlichkeit.
Meine Pflasterarbeiten schritten gut voran. Meine Tagesleistung lag bei ca. 6m².
Die Arbeitszeit ging durchschnittlich von 7.00 Uhr bis Abends 19.00 Uhr, meine Kollegen arbeiteten immer bis ca. 18.00 Uhr. Jeder Arbeitstag begann mit einem heißen Tee, sonstige Pausen wurden freigewählt und waren immer zwischen 15 Minuten bis zu einer halben Stunde.

Samstag, 12. Mai
Am Samstagabend um 18.30 hatte ich es geschafft. Meine Belagsarbeiten waren fertig.
Inzwischen wurde ich von dem Heeresstab bei Problemen mit den Natursteinen
auch befragt oder um Mithilfe bei besondern Aufbauten gebeten. So wie bei einer Stahlpergola, die bereits mit emporrankender Wisteria cinensis angeliefert worden war.
Es kamen auch immer mehr Pflanzen und fertige Heckenelemente auf die Baustelle.
Die dann nach und nach in den Garten eingepasst wurden.
7 Tage vor der Deadline herrschte immer noch eine ansteckende Ruhe und Gelassenheit auf dem Chelsea-Gelände. Die Stimmung im Team war traumhaft, man hatte Spaß und doch den nötigen Ernst, weil jeder wusste um was es geht.
Am Sonntag nahm ich mir einen freien Tag.

Montag, 14. Mai
In der letzten Arbeitswoche begannen in allen Schaugärten die Pflanzarbeiten. Es wurden lastzugweise Stauden angefahren und wieder abtransportiert. Die Pflanzarbeiten wurden überall von den Designern selbst ausgeführt oder zumindest überwacht.
In den Gärten wurden die Pflanzen dicht an dicht gepflanzt, direkt nebeneinander, übereinander. Alles wurde mit Mulch oder Kompost abgedeckt, Hauptsache man sah keine Töpfe und so wenig wie möglich Mulch oder Kompost. Nur große und schöne Stauden bekamen die Ehre, in dem jeweiligen Garten unterzukommen. Die Pflanzdichte lag zwischen 20 bis 50 Stck. pro m².
Geplant war eigentlich, dass ich nur meine Belagsarbeiten erledigen sollte. In der letzen Arbeitswoche führte ich jedoch noch die restlichen Natursteinarbeiten aus, setzte die Stahleinfassungen, baute wassergebundene Wege und half beim Pflanzen. Jeder hatte nur noch Samstag den 19. Mai im Kopf. Die Absolute Deadline. Da am Sonntag bereits die gesamte Presse die Gärten eingeladen war und am Montag den das Königshaus zur Besichtigung kommen sollte.
Bereits in der letzten Arbeitswoche waren hunderte von Fotografen unterwegs, Fernsehteams die ständig Aufnahmen machten und die letzten Schritte der werdenden Gärten beobachteten.
Inzwischen lernte ich auch ein paar andere Gärtner kennen, wie zum Beispiel Steve aus Kalifornien. Jeder nahm sich die Zeit, auch die anderen Gärten anzuschauen. Somit war dann doch noch für den Trubel gesorgt.

Donnerstag, 17. Mai
Ab Donnerstag begann man damit die überschüssigen Materialien abzufahren. Zugleich kamen immer noch neue Pflanzen. Das kann man sich nicht vorstellen. Das sollte man wirklich erlebt haben. Als besondere musikalische Umrahmung findet in den Chelsea Barracks jedes Jahr die Vorbereitungen für den Geburtstag der Queen statt, der im Juni gefeiert wird - wegen des besseren Wetters. Die Barracks liegen direkt neben dem Chelsea-Gelände. Hier wurden jeden Tag die Vorbereitungen getroffen - von früh bis mittags, mit viel Musik und Pferden. Ich persönlich habe noch nie so viele wunderbar hergerichtete Pferde und Soldaten gesehen. Die Menge war für mich auch außergewöhnlich. Es nahmen einige Züge teil und ein Zug bestand aus ca. 100 berittenen Soldaten. Das ganze wurde von einem berittenen Musikzug untermalt.
Inzwischen herrschte eine euphorische Stimmung unter den Gärtnern. Statt Blut floss schien nur noch Adrenalin durch die Adern zu laufen, jeder konzentrierte sich auf seine Aufgabe und perfektionierte sein Werk. Jedes Detail musste in sich harmonisch sein, nur so kommt man auf ein perfektes Ergebnis.

Samstag, 19. Mai
An meinem letzten Arbeitstag wurde ich mittags überrascht. Von meinem englischen Chief bekam ich eine Tasse mit dem Bild der Queen überreicht. So eine Tasse habe jeder gute englische Gärtner, wurde mir gesagt.
Da ich die letzten zwei Wochen - egal wie das Wetter war - jeden Tag eine kurze Hose trug, bekam ich zum Abschied eine neue geschenkt. Natürlich in den englischen Nationalfarben. Mark lobte meine Arbeit und meine Vielfältigkeit über alles und äußerte den Wunsch, dass ich nächstes Jahr wieder an der Chelsea für ihn arbeite -diesmal von Anfang bis zum Schluß. Mir standen die Tränen in den Augen.
Eigentlich wollte er, dass ich erst am Sonntag zurückfliege. Leider war mein Flug schon gebucht. Den Garten zu verlassen und Abschied zu nehmen tat im Herzen weh. Nur die Wiedersehensfreude auf meine Familie machte es dann schließlich leichtert.
Der Höhepunkt meiner wunderschönen Zeit in England war ein Augenblick: Alle Werke wurden durch Schutzfolien gesichert. Zum letzten Schliff meiner Belagsarbeiten musste ich die Folien entfernen. Mit einer kleinen Rüttelplatte bügelte ich zum letztenmal das Natursteinpflaster nach; das Einkehren und Einschlämmen der Fugen nicht vergessen. Und dann konnten wir zum ersten Mal das Farbenspiel, die Harmonie, die Seele des Garten spüren und mir ist es einfach eiskalt den Rücken runtergelaufen, wenn ich heute noch an diesen Augenblick denke bekomme ich Gänsehaut. Nach meiner letzten Arbeit wurde das Pflaster gleich wieder abgedeckt.

Was mir wirklich fehlt, ist, den komplett fertigen Garten mit eigenen Augen gesehen zu haben. Es wäre mir ein Anliegen, die englische Gartenkunst, das Gefühl für Pflanzen, die Freude an dem Farbenspiel, mit der deutschen Gründlichkeit zu bauen, zu verbinden.
Es gäbe eine Perfekte Mischung aus Technik und Harmonie. Die Chelsea Flower Show ist nicht nur der Olymp des Gartenbaues und nicht nur ein Virus, der einen ansteckt, sondern es ist eine einzigartige Lebenserfahrung, die einen prägt.

Zum Schluß möchte ich Gabriella und Isabell danken, dass sie mich zu diesem außergewöhnlichen beruflichen Highlight eingeladen haben. Ich verdanke euch ein neues anderes und besseres Gärtnerherz ich stehe für immer in eurer Schuld, danke Raimund.

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