Gehört dem partnerschaftlichen Bauen die Zukunft?
Die Baubetriebstage sind ein Fixpunkt im Terminkalender der jährlichen Landschaftsbau-Veranstaltungen. Doch dieses Jahr lockten sie deutlich weniger Besuchende nach Osnabrück. Das Thema und die Grippewelle sorgten wohl für viele freie Plätze. Wer aber bereit war, etwas um die Ecke zu denken, konnte gute Anregungen mit nach Hause nehmen.
von Tjards Wendebourg, Redaktion DEGA GALABAU erschienen am 15.02.2025Dass Moderator Prof. Martin Thieme-Hack das Thema der Veranstaltung immer etwas weiter aufspannt und die Bauwirtschaft stark mit einbezieht, ist ein Markenkern der Baubetriebstage. Doch dieses Jahr reichte der Blick vielleicht etwas zu weit in den Bau hinein. Denn ganz offensichtlich fühlten sich viele in der grünen Branche vom Programm nicht richtig angesprochen und legten eine Pause ein. Von denen, die trotzdem nach Osnabrück kamen, war Abstraktion angesagt. Denn partnerschaftliches Bauen – also gemeinschaftliche Abwicklung der Baustelle in Allianz von Auftraggeber, Planer, Auftragnehmer und weiteren Projektbeteiligten – findet bisher offensichtlich in erster Linie bei komplexen Großbauvorhaben statt. Für Landschaftsbau und Landschaftsarchitektur sei die Relevanz des Themas vielleicht noch nicht angekommen, merkte denn auch Thieme-Hack in seiner Zusammenfassung an und erklärte damit den Besucherrückgang. Dabei gab es auch für Praktiker im Landschaftsbau einige Erkenntnisse.
1Dr. Katrin Höcherl, Vorsitzende Richterin am Landgericht Osnabrück etwa, erklärte unter der Überschrift „Warum nur ewig dieser Streit: Ein Versuch der Analyse“ die Mechanik von Konflikt-Eskalationen am Bau. Sie riet dazu, sich bewusst zu machen, dass es selten nur um Sachgründe geht und empfahl, die Mediation als oft erfolgreichere Streitlösungsmethode zu nutzen. Gerichtsverfahren seien langwierig, teuer und oft im Ausgang unbefriedigend.
Carsten Vogt von der STRABAG-Tochter CML Construction Services, der ausgelagerten Rechtsabteilung des Konzerns, wagte unter der Überschrift „Bauen im Ausland, ein Überblick über die Ansätze und eine Bewertung“ einen Blick über die Grenzen und zeigte vier Partnerschaftsmodelle aus Österreich, den Niederlanden (Bauteamübereinkunft), Großbritannien (NEC4) und Australien. Wie Vogt zeigte, erweist sich besonders das australische Allianz-Modell am besten geeignet, komplexe Großbauvorhaben in Sachen Kosten, Bauzeit und Qualität abzuwickeln.
Einer der Höhepunkte der Veranstaltung kam gleich an dritter Stelle. Der neue Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und Nachfolger von Prof. Rudolf Haderstorfer, Prof. Dr. Thomas Zumbrunnen, gelang es, das Thema BIM greifbar zu machen. In seinem Vortrag „BIM & Partnerschaftliches Bauen – eine Alternative auch im Unterschwellenbereich“ bestand aus zwei wesentlichen Erkenntnissen: Einerseits zeigte Zumbrunnen, wie sich komplexe Bauvorhaben mithilfe von BIM-Werkzeugen realisieren lassen. Dazu stellte der Oberbayer verschiedene Straßenbaumaßnahmen aus seiner Zeit beim Staatlichen Bauamt Traunstein vor, die seine Behörde kooperativ und mithilfe von BIM-Tools abgewickelt hatte. Noch greifbarer wurde das Thema mithilfe eines Studentenprojektes, das seine Studierenden auf dem Campus Weihenstephan als Grünes Klassenzimmer durchgeführt hatten. Dabei berichtete Zumbrunnen von begeisterten Studierenden. „Wir brauchen wieder das Bauen wie vor 25 Jahren mit Kooperation von Planer, AG und AN“, warb er für die Zusammenarbeit. Im Mittelstand könne sich nicht jeder in alles einarbeiten. Es brauche wieder eine strukturierte Arbeitsteilung. „In den nächsten fünf Jahre werden wir uns dann überlegen müssen, wie wir das vertraglich regeln.“ Zumbrunnens Beitrag ragte nicht nur deshalb heraus, weil er nah an der Branche war, sondern weil er Wege aufzeigte, wie sich zukunftsweisende Planungs- und Abwicklungsansätze auch in der Praxis etablieren lassen.
Den letzten Vortrag des Tages nutzte Prof. Dr. Mark von Wietersheim vom Forum Vergabe an der Hochschule Osnabrück, um die Grundsätze der integrierten Projektabwicklung darzustellen. Unter der Überschrift: „IPA im privaten Baurecht und im Vergaberecht – Möglichkeiten und Grenzen“ zeigte er, worum es im Grundsatz geht: Die IPA will Zielkonflikte reduzieren. Dabei wird anerkannt, dass der Auftragnehmer Gewinnerzielungsabsichten hat und der Auftraggeber nicht mehr zahlen muss als nötig. Chancen und Risiken werden zusammen getragen. Es wird erst gemeinsam geplant und dann gebaut. Dafür brauche es auch bestimmte Sozialkompetenzen bei den Projektbeteiligten. Das gilt im Wesentlichen so für alle Allianzmodelle.
Noch mehr Bau am zweiten Tag
Nach dem abendlichen Baubetriebstreff in der Brauerei Rampendahl, die alljährlich ein heimlicher Höhepunkt der Baubetriebstage ist, startete der zweite Tag digital. Ohne wirkliche Abstriche war Prof. Dipl.-Ing. Hans Wilhelm Turadj Zarinfar vom Ingenieurbüro Zarinfar aus Köln per Zoom mit dem Vortrag „Gründe für partnerschaftliche Vergabemodelle für öffentliche Auftraggeber“ zugeschaltet. Als Freund partnerschaftlichen Bauens plädierte er dafür, die Schwarmintelligenz der Projektbeteiligten zu nutzen. „Wir müssen die Menschen mitnehmen. Keiner von uns kann alles wissen“, meinte er. „Wir müssen uns außerdem an neue Formen des Arbeitens gewöhnen“, ergänzte er und forderte eine Kultur des Scheiterns. „Wir brauchen einen Kulturwandel, insbesondere auf der Auftraggeberseite.“ Die Herausforderungen der öffentlichen Auftraggeber seien ohne eine neue Herangehensweise kaum zu bewältigen, zeigte sich Zarinfar überzeugt und untermauerte das mit dem Neubau des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW in Duisburg, das nach partnerschaftlichen Prinzipien umgesetzt worden war.
2Auch Dr. Andreas Mainka, Bauunternehmer aus Lingen, zeigte, dass partnerschaftliches Bauen ein echtes Erfolgsmodell sein kann. In seinem Vortrag „Partnerschaftsverträge neu denken“ warb er für echte Transparenz und fairen Umgang miteinander. Unter dem Label „Mainka-Project-Partnering“ deckelt das Unternehmen Chancen und Risiken, teilt Wissen und sucht gemeinsam mit einem kleinen Projektteam nach Wissenslücken und Unwägbarkeiten. Dabei „mutiert“ das Unternehmen manchmal scheinbar sogar zur Bauausführungsabteilung des Auftraggebers (der bei ihm „Kunde“ heißt). Dabei wirbt das Unternehmen mit einem besonderen Markenkern: „Wir bauen sicher oder gar nicht“, lautet der Mainka-Slogan. Statt der 44 durchschnittlich gemeldeten Arbeitsunfälle in der Bauwirtschaft pro 1.000 Mitarbeiter, gab es unter den 1.250 Mitarbeitern des Lingener Unternehmens 2024 keinen einzigen Fall. Sein Plädoyer: „Das Bau-Know-how unserer Kunden nimmt massiv ab. Die brauchen keinen, der ihnen das Fell über die Ohren zieht.“
In die gleiche Kerbe schlug Thomas Echterhoff vom gleichnamigen Bauunternehmen aus Westerkappeln, das sich besonders auf Brückenbau spezialisiert hat. Unter dem Titel „Vom Produkt zum Bauen – kooperatives Bauen statt streiten“ zeigte er, wie durch partnerschaftliches Bauen in Verbindung mit Modulbauweise („Expressbrücke Echterhoff“) nicht nur Zeit und Kosten eingespart werden können, sondern sich auch die CO2-Bilanzen von Straßen- und Infrastrukturbauunternehmen verbessern lassen – durch verkürzte Verkehrsbeeinflussungszeiten – vulgo: weniger Staus.
Den vierten Vortrag („Kein Streit, wir übernehmen Risiken und Verantwortung“) des Tages aus der Bauwirtschaft steuerte Jens-Peter Zuther von der Köster GmbH aus Osnabrück bei. Er machte deutlich, dass Köster nicht aus hehren Motiven nach partnerschaftlichen Prinzipien baut, sondern weil man langfristig und erfolgreich arbeiten wolle. Bei Großprojekten mache der Preis im Übrigen nur 30 % aus. „Da sitzen 25 Leute und nur den AG-Vertreter interessiert der Preis. Die übrigen interessiert, dass die Sache funktioniert“, erklärte Zuther. Dass auch beim partnerschaftlichen Bauen nicht immer alles funktioniert, konnte er besonders lebendig und aktuell demonstrieren: Am Vortag mussten 12.000 Osnabrücker ihre Wohnungen verlassen, weil beim Köster-Projekt „Lok-Viertel“ eine von mehreren Fliegerbomben entschärft werden musste.
Den Abschluss machte dann Prof. Christian Kaindl von der OST-Hochschule Rapperswil-Jona. Unter dem Titel „Projektallianzen für Planen und Bauen in der Schweiz – Wahrheit und Mythos“ holte er das Publikum wieder in die Welt des Landschaftsbaus zurück. Der Wahlschweizer hat nach einem Abschluss an der TU München lange die Planungsabteilung von Enzo Enea geleitet. Seinen Vortrag leitete er interaktiv über Umfragen ein und erläuterte im Weiteren, was sich wirklich in der Schweiz tut. In diesem Zusammenhang stellte Kaindl die neue SIA 2065 vor. Sie ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern, auch über das „vorteilhafteste Angebot“ zu beschaffen, bei dem der Preis nur zu 50 % den Ausschlag gibt (30 % Nachhaltigkeit, 20 % Qualität). Außerdem bietet die SIA die Möglichkeit, die Ausschreibung der Ausführungsplanung vorzuschalten und den Fokus auf die Projektreife vor der Ausschreibung zu legen. Dabei hob Kaindl hervor, dass in der Schweiz ohnehin eine Konsenskultur herrsche, man also gesamtgesellschaftlich auf Einigung geeicht sei. Bei den SIA-Allianz-Modellen hat der Auftraggeber erstmal die Hauptaufgabe. Denn er muss die Ziele festlegen. Gleichzeitig könne er auch jederzeit aussteigen. Grundsätzlich sieht er die grüne Branche noch weit von den partnerschaftlichen Modellen entfernt. „Wir brauchen mehr Professionalität in der Branche und wir brauchen besseres Know-how“, zeigte sich der Hochschullehrer überzeugt. Die Teamarbeit führe aber auch zu mehr „Fun to work“, was eine Lösung für den Fachkräftemangel sein könne.
Insgesamt war die gesamte Veranstaltung ein Plädoyer für mehr Gemeinsamkeit zwischen Auftraggebern, Planern und Auftragnehmern. Gerade für die mittelständische Bauwirtschaft scheinen Allianzen wachsende Bedeutung als Abgrenzungsmerkmale im Markt zu haben. Dabei wurde auch deutlich, dass das auch spezielle Anforderungen an die Persönlichkeit der handelnden Charaktere nach sich zieht – weg von der Konfrontation, hin zur gemeinsamen Lösungssuche. „Ich habe da ganz viel Selbstkritik gehört“, meinte Thieme-Hack – so in dem Sinn: „Wir müssen davon weg, die Auftraggeber über den Tisch zu ziehen.“ Das wäre doch eine grundsätzliche Lehre aus der Veranstaltung.
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