Ausbildung in Zeiten einer Pandemie
Keine Schule, keine Veranstaltungen und verschobene Prüfungen. Was Schüler in ganz Deutschland betrifft, ist auch ein Thema für unsere Auszubildenden. David Zimmerling hat für uns nachgefragt, wie die verschiedenen Bundesländer mit dem Lockdown und dessen Folgen für die Ausbildung umgehen.
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Ausnahmezustand – dieser Begriff mag zusammenfassen, was die Welt in den vergangenen Monaten erlebt hat. Deutschland hat reagiert, im März kam es zum Lockdown. Doch was bedeutet das für den Branchennachwuchs, der sich gerade auf die Prüfungen vorbereitet?
„Für uns ist es noch glimpflich verlaufen“, erklärt Dr. Michael Marrett-Foßen, Geschäftsführer vom Fachverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Hamburg e.V. Zwischenprüfungen standen in dem Stadtstaat nicht an und die Abschlussprüfungen konnten am 15. Mai unter verschärften Bedingungen durchgeführt werden. So wurde die schriftliche Prüfung diesmal sowohl in der Landwirtschaftskammer als auch in der Berufsschule geschrieben. „Nur so konnten wir die Schule mit den gegebenen Abständen platzieren.“ Als Ausgleich für den ausgefallenen Unterricht haben die Absolventen drei Wochen vor der Prüfung intensiven Unterricht bekommen, wie es Marrett-Foßen sagt. Auch „weil die Zeiten gerade nicht ideal zum Lernen sind“. Ansonsten wurden die theoretische sowie die praktische Prüfung wie gewohnt durchgeführt. So sieht es auch in den meisten anderen Bundesländern aus. Lediglich für den nötigen Abstand wird gesorgt, was oft zu einer Verlängerung der Prüfungstage der praktischen Prüfung und das Ausrichten der theoretischen Prüfungen an mehreren Standorten führen wird. In Sachsen wurden die angesetzten Zwischenprüfungen bis zum Ende des laufenden Ausbildungsjahres ersatzlos gestrichen. „Die Zwischenprüfung gilt derzeit als abgelegt und die Zulassungsvoraussetzung zur Abschlussprüfung ist somit trotzdem erfüllt“, weiß Susan Naumann vom Verband. Abschlussprüfungen werden aber nicht ausfallen, sondern nur verschoben, erklärt die Referentin für Nachwuchswerbung.
Verlängerung der Ausbildung nötig?
Durch das Verschieben der Prüfungen sehen die meisten Galabau Verbände keine Notwendigkeit die Ausbildungsverträge zu verlängern, wie auch der FGL Berlin Brandenburg bestätigt. Generell kann eine Abschlussprüfung auch nach der Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses abgelegt werden. Somit ist die Teilnahme an der Abschlussprüfung nicht von einer Vertragsverlängerung abhängig, so lange die Zulassung während der Ausbildungszeit erfolgt ist, wie vom Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Sachsen e. V. erklärt wird. Für die Auszubildenden in Baden-Württemberg sieht Reiner Bierig, Geschäftsführer beim dortigen Verband, allgemein keine Probleme: „Alle Prüfungen werden bis zum September durchgeführt und damit steht einer fristgemäßen Beendigung der Ausbildung nichts im Wege“. Und selbst wenn nicht alle notwendigen sechs ÜA-Kurse belegt wurden, so ist dies dieses Jahr kein Grund für einen Prüfungsausschuss im Südwesten, solange der Kurs der überbetrieblichen Ausbildung Corona bedingt ausgefallen ist. Nichtbelegte Kurse sollen sogar auch nach Abschluss der Ausbildung noch nachbelegbar sein. Bierig sieht in der jetzigen Situation auch eine Chance Auszubildende zu bekommen: „Im Vergleich zu anderen Branchen stehen wir trotzt oder vielleicht wegen der Pandemie gut da und könnten mit etwas Geschick sogar neue Leute für unsere Arbeit gewinnen.“
Überbetriebliche Ausbildung
Problematischer sieht Marrett-Foßen den Ausfall der Kurse der Überbetrieblichen Ausbildung: „Wir können zwar den laufenden Betrieb abdecken aber um nebenbei noch versäumte Kurse aufzuholen fehlt uns der Platz!“
Ähnlich sieht das auch Andreas Hofmeister, Koordinator der überbetrieblichen Ausbildung an der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Arboristik in Großbeeren. Auch hier werden seit dem 4. Mai wieder sämtliche Kurse angeboten. Und für das dritte Lehrjahr konnten sogar schon die coronabedingt ausgefallenen Kurse nachgeholt werden. Um den Abstand von mindestens anderthalb Meter in den Räumlichkeiten für die maximale Teilnehmerzahl einzuhalten, wurden Gruppen geteilt und mehr Ausbilder eingesetzt. Auf dem Gelände platzierte, pinke Holzpfosten, intern auch „Distanzvollpfosten“ genannt, erinnern einem daran, was 150 cm wirklich bedeuten. Gummibärchen in der Tüte dienen als Anreiz diesen Abstand gewissenhaft einzuhalten. Und wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann, weil man in einer Gruppe etwas besprechen muss oder ein Ausbilder einem etwas erklärt, so muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden.
Auch in den Ausbildungsstätten der ÜA in Baden-Württemberg, in Heidelberg und Kirchheim/Teck, läuft die Ausbildung wieder, wenn auch noch nicht unter Volllast, wie es Reiner Bierig vom VGL Baden-Württemberg erzählt. Wo in Hamburg die Auszubildende mit Bus und Bahn täglich zu ÜA anreisen können, sind es im Südwesten die Internatszimmer, die einer vollen Auslastung entgegenstehen. „Wir können die Zimmer noch nicht 100 % auslasten“, erklärt es der Bierig. Dafür wird an den beiden Ausbildungsstätten aber auch in den Sommerferien ausgebildet, um ausgefallene Kurse aufzuholen. Ebenso in der überbetrieblichen Ausbildungsstätte in Dresden-Pillnitz musste Internatszimmerbedingt die Teilnehmerzahl reduziert werden. „Alle sächsischen überbetrieblichen Ausbildungsstätten bieten seit dem 4. Mai 2020 unter Beachtung strenger Hygienekonzepte wieder ÜbA-Lehrgänge an. Zunächst finden Lehrgänge für das dritte Ausbildungsjahr statt, die verstärkt die gezielte Prüfungsvorbereitung unterstützen“, erklärt Linda Wahner vom sächsischen Verband.. Die Ferienzeit wird auch in Sachsen-Anhalt genutzt, um Kurse nachzuholen. Derzeit laufen die Kurse da nur mit maximal zehn Teilnehmern und Kurse aus dem ersten Semester werden auf das nächste Jahr verschoben, „mit der Hoffnung auf eine Entspannung der Lage“, wie es Michael Stein, Geschäftsführer vom Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Sachsen-Anhalt e.V., erklärt.
Landschaftsgärtner-Cup
Neben der Ausbildung und den Prüfungen ist auch der Landschaftsgärtner-Cup von den Beschränkungen betroffen. Viele Verbände haben ihn auf den Herbst verschoben, rechtzeitig für die Galabau Messe in Nürnberg. So werden die Teilnehmer in Berlin Brandenburg anstelle von Anfang Juni erst am 22. August in der LVGA in Großbeeren um den Einzug in die nächste Runde kämpfen. Schon Mitte Juni wurde in Kirchheim/Teck der Cup für Baden-Württemberg durchgeführt. Pro Teilnehmer sind aber nur zwei Gäste erlaubt. Dafür wird aber über Facebook „quasi live´“ gesendet, verspricht der Verband.
In Sachsen-Anhalt fand der Landschaftsgärtner- Cup schon am 13. Juni im Magdeburger Elbauenpark statt, aber „unter hohen Auflagen“, beschreibt es Stein, Geschäftsführer vom dortigen Verband: „Wir hatten keine offiziellen Gäste, Wir mussten die Flächen gegenüber Spontanbesuchern des Parks weit abschirmen und die Azubis arbeiteten allein auf der Baustelle und mussten nach der Halbzeit wechseln“. Sicherlich nicht die beste Variante, aber Stein ist froh, dass sie den Wettbewerb überhaupt stattfinden lassen konnten.
Anders sieht es für die Auszubildende in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern aus. Hier wurde der gemeinsam ausgetragene und in diesem Jahr im Rostocker Stadthafen geplante Nord-Cup abgesagt. Dementsprechend fanden auch keine Vorentscheide für den Nord-Cup in Hamburg statt.
In Rheinland-Pfalz und Saarland wollte man den Cup nicht ohne weiteres Aufgeben und hat sich für eine zeitgemäße Variante entschieden und den Wettbewerb in einen Social Media Landschaftsgärtner-Cup umgewandelt! Die Idee war so simpel wie einfach: Nach vorheriger Anmeldung bekamen alle Teilnehmer zur gleichen Zeit die Baustellenunterlagen zugesandt, bauen konnte man die Baustelle wo man wollte, das Bauen wurde gefilmt und fotografiert und später gepostet. „Gemeinsam alleine“ konnte man so dennoch an dem Wettkampfteilnehmen. „Leider haben aber nur drei von acht angemeldeten Auszubildende die Aufgabe abgegeben“, erklärt es Anne Schmidt, Referentin für Nachwuchswerbung vom Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Rheinland-Pfalz und Saarland e.V.
Der Cup in Niedersachsen und Bremen wurde auf den 22. August verschoben. Statt auf der Lehrbaustelle im Park der Gärten findet der Cup in diesem Jahr auf dem Gelände der Deula Nienburg statt. Das Rahmenprogramm der Veranstaltung entfällt aber.
Freisprechung
Keine Veranstaltung mit vielen Personen abzuhalten heißt auch keine Freisprechung im klassischen Sinn. Der VGL Niedersachsen-Bremen will seine Auszubildendes aber dennoch nicht ohne etwas in die Freiheit entlassen. „Wir wollen als Fachverband den Auszubildenden dennoch unsere Anerkennung zeigen“, wie es Marco Zwillich, Referent für Nachwuchswerbung bei den Kollegen im Nordwesten sagt. „Aus diesem Grunde haben wir uns überlegt, dass wir den Auszubildenden ein Präsent zukommen lassen.“ Die Abschlusszeugnisse werden von der Landwirtschaftskammern Bremen und Niedersachsen per Post an die Auszubildendes geschickt. In diese Umschläge kommen sie als Geschenk des VGL zwei Eintritts Gutscheine für den Park der Gärten in Bad Zwischenahn sowie einen Büchergutschein im Wert von 30,- € des Ulmer Verlages.
Darüber hinaus sollen die Absolventen auch nicht auf ihren Auftritt verzichten müssen, wie es Zwillich beschreibt: „Zusätzlich bitten wir alle Absolventen um ein Foto von sich, dass wir dann in einer großen Collage verarbeiten und begleitend zu einer Pressemitteilung an regionale Zeitungen verteilen.“ Natürlich wird das Ganze dann auch noch über die bekannten Social Media-Kanäle verbreitet – Digitalisierung sei Dank.
Auch die Hochschulen und Universitäten sind von der Corona Pandemie stark beeinträchtigt. Nachdem der Semesterstart Deutschlandweit nach hinten verschoben wurde, wird jetzt online über Distanz gelehrt. Eine Herausforderung für Studierende und Lehrende gleichermaßen, so ist nicht jede Hochschule oder Universität und auch nicht jeder Dozent auf eine digitale Lehre eingestellt. Auch nicht jeder Studierende kommt mit der neuen Freiheit klar. Auf der anderen Seite sehen sich viele Studierende mit einem unangemessenen Mehraufwand im Lernalltag konfrontiert. Derzeit ist nicht absehbar, ob das Wintersemester wieder im Präsenzbetrieb stattfinden kann oder weiterhin auf Distanz gelehrt wird. Vor allem für die wünschenswerte praxisnahe Ausbildung der Studierenden in der Landschaftsarchitektur und Freiraumplanung ist eine reine digitale Lehre unvorteilhaft.
Glücklicherweise wurde unser Berufstand aber nicht ansatzweise hart getroffen, wie andere Handwerks- oder Dienstleistungszweige. Kurzarbeit war nicht angesagt, eher gegenteilig. Bürger haben sich auf das Naheliegende rückbesinnt: Den Garten. Das zeigt auch den Auszubildenden, wie sattelfest der Landschaftsbau sein kann.
Sicherlich war und ist es eine harte Zeit für alle und eine traurige für die, die einen Angehörigen oder einen Freund an die Krankheit verloren haben. Für alle anderen war es auch ein Aufrütteln, das gezeigt hat, wie gut es uns „normalerweise“ geht und wo wir dennoch anpacken müssen: zum Beispiel an der Digitalisierung. Und nochmal für alle Technikskeptiker: Ohne Laptop, Smartphone und Social Media würden wir derzeit ziemlich alt aussehen.
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