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Bayern ist sozial

Drei Wochen für glänzende Kinderaugen

Der in Bayern aus einem GaLaBau-Betrieb heraus gegründete Verein Social Landscaping betreut jährlich in der kalten Jahreszeit für ein paar Wochen ein Projekt im globalen Süden. Nach Kenia, Kolumbien und Sri Lanka waren die ehrenamtlichen Landschaftsgärtner dieses Jahr auf den Philippinen. Eine Geschichte über besondere Baustellen, besondere Beziehungen und ebensolche Erfahrungen.

von Tjards Wendebourg, Redaktion DEGA GALABAU erschienen am 26.02.2025
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Um zum Waisenhaus „Kinder von Calabnugan“ (Bata ng Calabnugan) zu kommen,  führt der Weg täglich durch ziemlich unkontrollierten philippinischen Verkehr. Ampeln gibt es nicht, aber Myriaden von Zweirädern – und das ungeschriebene Gesetz des Stärkeren. Wer größer ist, fährt als erster auf die Kreuzung. Unfallfrei geht das natürlich nicht ab und Zweiradfahrerinnen und -fahrer leben gefährlich.

Das Waisenhaus nahe der Stadt Dumaguete auf der Insel Negros ist ein idealer Projektträger: Francesco Izzo und Flora Aguit, die die Einrichtung vor 20 Jahren gegründet haben, leiten es voller Leidenschaft und von der Überzeugung geprägt, den derzeit 27 Mädchen einen guten Start in eine erfolgreiche Zukunft zu bieten. Sie sind extrem kreativ, wenn es darum geht, Mittel für den Betrieb der Einrichtung zu sammeln und die Kinder mit selbstangebauten Lebensmitteln zu ernähren. Die staatlichen Zuwendungen halten sich in engen Grenzen.

Gemischter Wunschzettel

Auf der Wunschliste der beiden für das Projekt mit Social Landscaping standen praktische Dinge ganz oben: Um das verschmutzte Bachwasser mindestens für die Waschmaschinen zu ertüchtigen, sollte ein Wasserrad neu errichtet und das Wasser durch eine einfache Filteranlage gereinigt werden. Der Anbau von Drachenfrüchten und Calamondin, aus dem die Einrichtungen sich zusätzlich Einnahmen verspricht, brauchte Pflege. Über der Plantage aus Lanzones – einem Mahagonigewächs mit schmackhaften Früchten – mussten die Akazien geschnitten werden. Das Waisenhaus wünschte sich eine Pilzkultur, eine Brücke über den Bach und eine Optimierung der Kompostwirtschaft. Ganz schön viele Wünsche für drei Wochen und das Team von Social Landscaping. Das brachte schließlich noch eigene Ideen mit: So sollte für die Kinder ein Spielturm mit Kletternetzen und Kletterwand (Danke an ontopklettern.de) sowie eine Seilbahn entstehen. Am Ende muss für jedes Projekt eine gute Mischung aus geeigneten Vorhaben gefunden werden.

Ein Team aus Idealisten

Mehr als achtzehn Menschen waren dieses Jahr von dem Projekt begeistert und hatten sich für eine Teilnahme angemeldet. Teilweise waren sie schon bei anderen Social-Landscaping-Projekten dabei – wie Esther und Lukas – oder hatten sich zum ersten Mal zu einem Einsatz gemeldet, weil sie die Idee cool fanden oder Kontakt zu dem Kreis der Aktiven hatten. Von Auszubildenden bis zu älteren Semestern war das Team gut gemischt. Die meisten arbeiten tagtäglich im Landschaftsbau, für einige war es aber auch der Tausch von Bürostuhl oder Hörsaal gegen Baustelle. Alle waren voller Motivation und standen den Widrigkeiten gelassen gegenüber. Denn zehn Stunden GaLaBau bei tropischen Temperaturen, regelmäßigem Niederschlag und suboptimaler Ausstattung verlangten doch einiges an innerer Ausgeglichenheit. Dass nicht immer alles sofort funktioniert hat, dürfte unter diesen Bedingungen normal sein. Nur als am letzten Tag – wenige Stunden vor der geplanten Eröffnung – das Fundament der Seilbahn nachgab, wurde es kurz emotional. Dann wurde es aber schnell wieder sachlich und das Problem so gut wie möglich behoben.

Bauen in den Tropen

Während in unserem gemäßigten Klima in erster Linie das Streusalz im Winter an der Substanz zehrt, ist in den Tropen alles zu jeder Zeit besonderer Belastung ausgesetzt. Das Einzige, was ziemlich lange hält, ist gut angerührter Beton. Alles andere wird von der feuchten Wärme, unterschiedlichen tierischen Widersachern, Pilzen und der hohen Sonneneinstrahlung stark belastet. Dazu sind für uns gewohnte Qualitäten nicht immer vorhanden. Die positive erste Erkenntnis allerdings: Auf den Philippinen ist viel mehr verfügbar, als das Social-Landscaping-Team aus anderen Ländern gewohnt war. So war die erste Woche sehr stark von der Beschaffung geprägt: Stahlprofile, Rohre, Kleineisenteile, Zement, Kiessand, Hölzer und zahlreiche Sonderwünsche. Lukas kannte nachher jede Straße und jeden Händler. Die Funktionalität der vorhandenen Gerätschaften war nicht immer gewährleistet und die Werkzeugqualität auch nicht immer zufriedenstellend. Gut, dass Jonas (von denen gab es drei), Geselle bei Höfer Gartenbau, ein geschicktes Händchen für die Reparatur jeglicher Technik hatte. Trennschleifer, Akkuschrauber, und andere Handgeräte hatte das Team aus Deutschland mitgebracht. Die Akkus wurden im Handgepäck transportiert. Matthias hatte drei Pakete aus Österreich per DHL auf den Weg gebracht, von denen auch zwei irgendwann auf den Philippinen ankamen.

Planen und beschäftigen

Während die Lieferungen täglich eintrudelten, nahmen die Planungen Form an. Jonas etwa, den DEGA-Leserinnen und -Leser von den Schulungen von Lidar-Scanner und Sketchup kennen, machte mit Lidar ein Aufmaß in einer großen Birkenfeige und stellte den zweistöckigen Spielturm in 3D in Sketchup dar. Kaum zu glauben, dass das von der Planung bis zum Bauen in drei Wochen 1:1 so umgesetzt werden konnte – aus Stahlprofilen, lokalem Bambus und Holztafeln. Am Ende war es die große Attraktion: Der tolle Ficus mit seinen bis zum Boden reichenden Luftwurzeln konnte nun über Netze und Seile erschlossen werden. Schweißen war die gesamte Zeit das große Happening – dabei ergab sich auch manche Improvisation. Ein Teil des Teams nahm sich in der Wartezeit der Pflegejobs an. Bäume wurden geschnitten, Citrus-Früchte getopft und Schnittgut gehäckselt. Das war für die Einrichtung ein besonderer Höhepunkt: Sie hatten sich einen Häcksler gewünscht, um Grünschnitt zukünftig zu Kompost zu verarbeiten. Sebastian, Social-Media-Experte im Team, brachte eine Spendenkampagne über Instagram auf den Weg. Nach wenigen Stunden war die benötigte Summe zusammen. Als dann der neue Häcksler vor der Tür stand (wir stellen uns ein Gerät ohne Totmann-Schalter oder sonstige Sicherheits-Features vor), war die Freude groß.

Social Landscaping
Social Landscaping © Social Landscaping

Die Arbeitssicherheit der anderen

So wie man einen philippinischen Häcksler nur an sehr bedachte Nutzer geben kann, sind auch die sonstigen Arbeitsverhältnisse definitiv von keiner Berufsgenossenschaft evaluiert. Holzschutzmittel, die bei uns schon lange nicht mehr gehandelt werden dürfen, Zwei-Komponenten-Lacke mit Kopfschmerzgarantie und Stromnetze ohne Sicherungen gehören zum Standard. Für alle einmal gut zu sehen, weshalb diese Dinge bei uns eingeführt wurden und wie sie unser Arbeitsleben leichter und sicherer machen. So hieß es gut auf die eigenen Knochen aufpassen und immer schön mitdenken. Wenn zehn Leute einen einzelnen Telegrafenmast schleppen, sollte der niemandem auf den Fuß fallen; wobei: Während auf den Philippinen oft in Flipflops gearbeitet wird, hatten alle Teammitglieder Arbeitsschuhe mit Stahlkappen im Fluggepäck. Man muss es ja nicht herausfordern.

Brückenbau philippinisch

Telegrafenmasten sind ein gutes Stichwort. Die sechs gebrauchten Masten der philippinischen Telefongesellschaft hatte das Waisenhaus schon vor längerer Zeit gekauft. Jetzt waren endlich genügend Leute da, um sie auch zu bewegen. Am Ende waren nur zwei ausreichend lang, um damit eine 7?m breite Schlucht zu überbrücken. Aber dafür fielen beim Säubern der Masten zahlreiche spannende Eisenteile mit zylindrischen Gewinden von sehr guter Qualität an, die im Projekt Wiederverwendung fanden. Mit Flex und Schweißgerät lässt sich vieles recyceln. Und die Zweitverwendung von Alltagsgegenständen – zum Beispiel halbierte Waschmittelkanister als Schaufeln des Wasserrades – hat auf den Philippinen Tradition; leider nicht aus Umweltbewusstsein, sondern schlichtweg aus Mangel oder Geldnot. Apropos Recycling: Um 70?cm lange Bohrlöcher für Gewindestangen durch die Masten zu bohren, musste erst mal ein uralter Holzbohrer mit der Flex geschärft und mit einem angeschweißten Armiereisen auf die richtige Länge gebracht werden. Das hat allen richtig Spaß gemacht, mit vorhandenen Zutaten Lösungen zu improvisieren. Am Ende bekam die Brücke noch Geländerhalterungen aus Wasserrohren, in die sich – ganz nachhaltig – immer wieder neu Bambusstangen einführen lassen; die erreichen im Garten Höhen von 15?m bei Durchmessern bis 15?cm.

Am Ende ein Fest

Als dann am Samstag kurz vor der Abreise die ganze Anlage eingeweiht wurde, waren die Kinder begeistert. Drei Wochen haben alle letztlich mit den Kindern gelebt und gegessen. Jetzt konnten die Mädchen so richtig bewerten, wofür wir das alles gebaut haben. Es gab ein paar Tränen zum Abschied und ganz viele rührende Gesten und Szenen. Alle Beteiligten nehmen tolle Erinnerungen und Erfahrungen mit. Und das ist auch das Wesen von Social Landscaping: Man lernt die eigenen Fähigkeiten nutzbringend einzusetzen, es öffnet die Augen für die kluge Nutzung von Ressourcen, es befriedigt, Menschen glücklich zu machen, die mehr bekommen, als sie erwartet haben und es lehrt auch einen guten Schuss Demut, weil man an jeder Stelle sieht, wie gut es einem geht und wie schön sinnstiftendes Arbeiten ist. Am Ende haben alle gut harmoniert und sich gegenseitig unterstützt. Auch diese gute Teamwork ist eine schöne Erkenntnis. Die ständige Arbeit im Garten brachte außerdem schöne Eindrücke von tropischer Vegetation und Fauna mit sich.

Als Bilanz stand am Ende eine lange Liste umgesetzter Einzelprojekte. Neben den beschriebenen Gewerken auch noch ein Gewächshaus, für das Esther und Johannes wirklich alles gegeben haben, um es mit Hochbeeten, Insektenschutznetzen und neuer Folie auszustatten. Es entstanden noch eine Reihe von Holztoren, die Andreas, der Schreiner, zusammen mit Jonas gefertigt hat, damit die Kleinkinder nicht über Treppen stolpern. Dem mobilen Volleyballplatz haben wir neue Pfosten und ein neues Netz spendiert, für das die sportbegeisterten älteren Mädchen sehr dankbar waren. Sie freuten sich auch über das Longboard und die Balance-Boards, die sofort nach Fertigstellung in Benutzung waren. Im letzten Augenblick wurde aus einem alten Schweinestall noch eine sehr professionelle Pilzkultur. Und Lukas, der Pool-for-Nature-Experte, schaffte es, das Bachwasser so sauber zu bekommen, dass es wohl zum Waschen verwendet werden kann. Am Ende lernten wir selbst noch etwas über Aquakultur, bei der auf Styroporflößen Salate auf Fischteichen gedeihen.

Das Gefühl, einen Beitrag für eine gute Sache geleistet zu haben, werden wohl alle mit nach Hause nehmen. Der ganzheitliche Ansatz aus Familie, Erziehung und Ausbildung ist im Waisenhaus absolut vorbildlich umgesetzt. Die Mädchen der ersten Stunde haben teilweise bereits ihr Studium abgeschlossen und haben beste Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft. Wer das Projekt unterstützen möchte: Ein dauerhaftes Engagement von 20 Euro/Monat oder ähnlich, hilft der Einrichtung am meisten. Auch Social Landscaping freut sich über Spenden. Denn auch im nächsten Jahr soll wieder ein Team aus Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtnern ein Projekt im Süden umsetzen können. Bewerben kann man sich bei Georg oder Matthias von Social Landscaping. Wo es dann hingeht, verraten wir natürlich auch in einer der nächsten Aushaben. Denn wie schon bei den ersten Projekt finden wir es lobenswert, wenn die Branche sozial Verantwortung übernimmt. Das werden wir auch weiter fördern.

Schließlich etwas weiter gedacht: Unser Ausbildungssystem ist gerade für ein Land wie die Philippinen eigentlich ein Exportschlager, die mit ihrer jungen und englischsprachigen Bevölkerung auch ein großes Arbeitskräftepotenzial bieten. Die sozialen Landschaftsgärtner waren da bewunderte Branchenbotschafter, die ein signifikantes Zeugnis deutscher Effizienz und Moral abgelegt haben; ein sehr positiver Nebeneffekt der ganzen Sache.

Übrigens wird es zu dem Projekt auch einen Film geben. Auch da kommen wir mit einem Link, sobald er veröffentlicht ist.

 

 

 

Weitere Beiträge zu Social Landscaping

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Spenden über Isla ng Bata

„Insel der Kinder“ heißt der italienische Ableger, mithilfe dessen Francesco und Flora in Europa Spendengelder sammeln können. Denn Daueraufträge auf die Philippinen sind eine komplizierte Angelegenheit. Gerade dauerhafte Spenden helfen aber den beiden, die Einrichtung planbar über Wasser zu halten. Wer das Projekt unterstützen möchte, findet hier alles Wissenswerte.

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Social Landscaping e.V. Winterhilfe im Süden

Die Idee zu Social Landscaping entstand 2018. Damals überlegte sich Georg Höfer, von Höfer Gartenbau aus Eggstätt in Oberbayern, in der arbeitsschwachen Zeit zu Beginn des Jahres ein Projekt im globalen Süden zu absolvieren. Zusammen mit interessierten Mitarbeitern baute er 2019 in einem Township in Kapstadt einen Spielplatz für benachteiligte Kinder. 2021 wurde aus der Idee ein Verein, der seitdem die Projekte auf Sri Lanka, in Kolumbien, Kenia und dieses Jahr auf den Philippinen trägt. Wer den Verein mit Geld unterstützen möchte oder sich für’s Mitmachen interessiert, findet hier alle weiteren Infos.

© Dataflor
Hörtipp

Podcast mit Georg Höfer und Matthias Mannes

2021 haben Tobias Schürmann und Thomas Lösing mit den beiden Köpfen von Social Landscaping gesprochen. Zusammen erzählen die beiden von der Begeisterung des Mitanpackens.

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