„Die Nachfrage in unserer Region entwickelt sich stetig, wenn auch langsamer als in den Metropolen.“
Robert Kühn leitet in zweiter Generation ein GaLaBau-Unternehmen in Jessen an der Schwarzen Elster. Die Entscheidung, in einer der wirtschaftlich schwächsten Regionen die Nachfolge anzutreten und das Unternehmen zu erweitern, hat der Präsident des VGL Sachsen-Anhalt nie bereut. Auch für die aktuelle Situation sieht er in der lokalen Verwurzelung Vorteile.
von Robert Kühn, Jessen erschienen am 05.05.2025Die Nachfrage in unserer Region entwickelt sich stetig, wenn auch langsamer als in den Metropolen. Viele gesellschaftliche und bauliche Trends erreichen uns mit einer Verzögerung von drei bis fünf Jahren – sei es die gestiegene Nachfrage nach Unterstützung im Garten, nachhaltiger Flächengestaltung oder die Abwassersammelgrube. Diese Verzögerung ist kein Nachteil, sondern eine Chance: Wir können bewährte Konzepte adaptieren und an die regionale Realität anpassen. Zwar ist der private Garten- und Landschaftsbau bei uns ein wieder zunehmendes wichtiges Standbein, doch haben kommunale und gewerbliche Aufträge durchaus hohe Bedeutung – etwa im Rahmen von Alleebaum- oder Ausgleichspflanzungen und deren Pflege.
In den letzten Jahren ist in unserem regionalen Markt eine deutliche Veränderung bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zu beobachten. Gerade in der momentan wirtschaftlich schwächeren Phase steigt die Zahl der Mitbewerber bei öffentlichen Ausschreibungen spürbar an. Viele Betriebe, die in konjunkturell starken Zeiten vorrangig auf private Kunden setzen, drängen nun vermehrt in den öffentlichen Bereich, um Auftragslücken zu füllen.
„Für Auftraggeber bedeuten Billiganbieter nicht nur Ärger, sondern auch finanzielle Risiken und Verzögerungen bei der Umsetzung von Projekten.“ Robert Kühn, VGL-Präsident
Für uns als etabliertes Landschaftsbauunternehmen in der Region bedeutet das: Die Zahl der Bieter nimmt stark zu, gleichzeitig sinken die Angebotspreise – teils auf ein wirtschaftlich bedenkliches Niveau. Es zeigt sich immer öfter, dass einzelne Anbieter mit auffällig niedrigen Preisen in den Wettbewerb gehen, um auf Teufel komm raus den Zuschlag zu erhalten. Diese Dumpingangebote lassen jedoch häufig nicht erkennen, wie die ausgeschriebenen Leistungen in der geforderten Qualität und innerhalb der vereinbarten Fristen überhaupt erbracht werden sollen. Die Folge: Nach erfolgtem Zuschlag geraten solche „Billiganbieter“ oft schnell an ihre Grenzen. Leistungen werden nur unvollständig oder verspätet ausgeführt, qualitative Mängel häufen sich, oder es kommt zu Nachtragsforderungen, um die Verluste durch die zu niedrige Kalkulation auszugleichen. Für Auftraggeber bedeutet das nicht nur Ärger, sondern auch finanzielle Risiken und Verzögerungen bei der Umsetzung von Projekten.
Dieses Marktverhalten stellt für qualitätsbewusste und seriös kalkulierende Unternehmen wie unseres eine zunehmende Herausforderung dar. Wenn wirtschaftlich und fachlich solide Arbeit durch Dumpingpreise verdrängt wird, leidet langfristig nicht nur die Branche, sondern auch das Vertrauen in faire und funktionierende Ausschreibungsverfahren.
Fachkräftemangel: Herausforderung mit lokalem Potenzial
Wie vielerorts ist auch bei uns der Fachkräftemangel spürbar. Gleichzeitig zeigt sich aber, dass regionale Verbundenheit ein entscheidender Vorteil sein kann. Viele unserer Mitarbeiter stammen aus der Umgebung und schätzen die Möglichkeit, heimatnah in einem qualifizierten Berufsfeld arbeiten zu können. Nachwuchsgewinnung funktioniert bei uns über langfristige Bindung – etwa durch Praktika in Schulen, regionale Netzwerke und die gezielte Ausbildung im eigenen Betrieb.
Gründungen & Betriebsaufgaben: Konsolidierung und neue DynamikIn den letzten Jahren beobachten wir eine gewisse Marktkonsolidierung. Kleinere Betriebe geben altersbedingt auf, während Neugründungen zögerlich erfolgen. Gleichzeitig sehen wir – besonders bei jungen Rückkehrern oder Quereinsteigern – neue Dynamiken. Wir haben als Beispiel in den letzten Jahren wirklich einige Mitarbeiter gewinnen können, die als sogenannte Rückkehrer in ihre Heimat als ausgebildete Fachkräfte ihren Lebensmittelpunkt suchen.
Zögerlicher Bürokratieabbau stört die Arbeit
Was uns stört, ist der fehlende oder zögerliche, aber versprochene Abbau der Bürokratie seitens der Regierung. Der Abbau der Bürokratie, nicht nur im Garten- und Landschaftsbau, ist ein zentrales Anliegen, um die Betriebe in ihrer täglichen Arbeit zu entlasten und die unternehmerische Entwicklung zu fördern. Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen im GaLaBau sehen sich mit einem hohen Verwaltungsaufwand konfrontiert – etwa durch umfangreiche Dokumentationspflichten, komplizierte Ausschreibungsverfahren im öffentlichen Bereich oder komplexe Nachweisanforderungen bei Förderprogrammen. Bürokratische Hürden binden wertvolle Zeit und personelle Ressourcen, die besser in Planung, Kundenbetreuung und Ausführung der Arbeiten investiert wären. Der Fachkräftemangel verschärft die Situation zusätzlich, da die Verwaltungsarbeit oft von den Betriebsleitern selbst übernommen werden muss. Maßnahmen zum Bürokratieabbau zielen daher auf praxisnahe Entlastungen: etwa die Digitalisierung von Genehmigungs- und Meldeprozessen, die Vereinfachung von Vorschriften im Umwelt-, Arbeits- oder Vergaberecht sowie den Abbau überflüssiger Berichtspflichten. Insgesamt bleibt der Abbau von Bürokratie ein wichtiger Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des Garten- und Landschaftsbaus auch in unserer ländlichen Region zu sichern. Ziel ist es, den Unternehmerinnen und Unternehmern wieder mehr Freiräume für ihre eigentlichen Aufgaben zu schaffen – die Gestaltung, Pflege und Entwicklung unserer grünen Lebensräume.
Wer die Region kennt, erkennt ihre Stärke
Was uns persönlich betrifft: Trotz anfänglicher Skepsis hat sich der Garten- und Landschaftsbaubetrieb in Jessen erfolgreich entwickelt und etabliert. Die regionale Marktsituation wächst zwar mit Verzögerung, bietet aber durch Anpassungsfähigkeit langfristige Chancen. Herausforderungen wie zunehmender Preisdruck bei öffentlichen Ausschreibungen, Fachkräftemangel und hohe Bürokratiebelastung bestehen fort, doch durch regionale Verwurzelung, gezielte Nachwuchsförderung und einen klaren Qualitätsanspruch blickt das Unternehmen zuversichtlich in die Zukunft.
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