„Die Projekte werden komplexer und die Margen knapper“
Steve Seegeler betreibt in Dresden ein Unternehmen mit 40 Mitarbeitenden, das GaLaBau, Pflegeleistungen, Landschaftsarchitektur und Umweltplanung unter einem Dach anbietet. Aus seiner Sicht ist nicht nur die Politik zum Handeln aufgefordert, sondern wir alle.
von Steve Seegeler, Dresden erschienen am 06.05.2025Der Garten- und Landschaftsbau befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen stabiler Nachfrage, strukturellem Wandel und politischen Herausforderungen. Als Unternehmer, der seit frühester Kindheit durch den elterlichen Betrieb tief mit der Branche verwurzelt ist, betrachte ich die Entwicklungen – regional, fachlich und menschlich – mit einer Haltung, die ebenso realistisch wie optimistisch ist.
Auftragslage: Hohe Nachfrage, selektives Wachstum
Die Auftragslage im Garten- und Landschaftsbau ist vielerorts weiterhin solide. Vor allem private und zum Teil gewerbliche Bauherren investieren immer noch in Neu-, Umgestaltung oder die Pflege ihrer Außenanlagen. Vor allem in der hochwertigen und fachgerechten Pflege sehen wir viel Potenzial für die kommenden Jahre. Aufgrund der angespannten Haushaltssituation investieren Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften derzeit wesentlich weniger in die dringend notwendige Aufwertung unserer städtischen Grünbereiche, als wünschenswert wäre. Hier erwarte ich vor allem ab Mitte 2025 eine deutliche konjunkturelle Eintrübung. Besonders gefragt sind Projekte, die ökologische Nachhaltigkeit und gestalterische Qualität verbinden: Schwammstadt-Konzepte, Dach- und Fassadenbegrünung sowie naturnahe Spiel- und Erholungsräume im privaten wie im gewerblichen Bereich. Deshalb richten wir unsere Gestaltungen neben hochwertigen und individuellen Designs auch auf ökologische Bereiche aus, die somit auch in den ein oder anderen aufwendig gestalteten Privatgarten einziehen. Allerdings zeigt sich: Die Projekte werden komplexer, Planungen und Ausschreibungen anspruchsvoller und die Margen knapper. Wir brauchen keine reinen Mengenbaustellen, sondern klug geplante, qualitativ hochwertige Aufträge, bei denen die AuftraggeberInnen bereit sind, den Wert unserer Arbeit auch wirtschaftlich anzuerkennen. Dafür müssen wir die Pflicht übernehmen, unsere Aufträge hochwertig umzusetzen und einen exzellenten Service zu bieten.
Fachkräftemangel: Wachsen wird schwierig – oder ist nur durch Ausbildung möglich
Der Fachkräftemangel ist kein neues Thema, doch er verschärft sich zunehmend. Vor allem in unserer Region spüren wir, dass es kaum noch freie FacharbeiterInnen gibt. Auch im Austausch mit anderen Unternehmen in meiner Region steht der Bereich Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung an das Unternehmen oft im Mittelpunkt der Diskussionen. Die Attraktivität des Handwerks konkurriert mit industriellen und digitalen Berufsbildern. Trotzdem sehe ich Potenzial: Wer junge Menschen frühzeitig für Natur, Technik und Gestaltung begeistert, wer eine moderne Ausbildung anbietet und Wertschätzung im Betrieb lebt, der findet auch motivierte Fachkräfte. Vor allem den Weg über die eigene Ausbildung möchte ich hier allen Beteiligten ans Herz legen. Wachstum in der Belegschaft generieren wir seit etwa drei Jahren fast ausschließlich durch unsere eigene Ausbildung. Aus meiner Sicht eine Investition, die sich sowohl für die Gesellschaft als auch für das Unternehmen lohnt. In den vergangenen Jahren wurde viel für unsere Mitarbeitenden erreicht. Flexiblere Arbeitszeiten (auch unter schwierigen Bedingungen im Dienstleistungsbereich), guter Arbeitsschutz, Teilzeitmodelle und zahlreiche zusätzliche Vergünstigungen vom Jobticket bis zur Kinderbetreuung stellen nur einen Teil der von vielen Unternehmen bereitgestellten Aufwendungen dar. Hier sehe ich auch zunehmend unsere Gesellschaft in der Pflicht, mit den Unternehmen einen zuverlässigen und gemeinsam getragenen Weg zu entwickeln, wie wir zukünftig arbeiten wollen und dafür zu sorgen, dass Arbeit einen belastbaren Stellenwert in der Gesellschaft behält oder wieder erlangt. Es kann nicht nur die Aufgabe der Unternehmen sein, den Fachkräftemangel allein zu schultern und die notwendige Produktivität immer weiter einzuschränken.
Gründungen und Betriebsaufgaben: Ein Wandel der Generationen
Die Zahl der Betriebsneugründungen ist überschaubar – viele junge Talente scheuen die Risiken der Selbstständigkeit. Gleichzeitig stehen zahlreiche etablierte Betriebe vor der Übergabe oder sogar vor der Aufgabe. Hier klafft eine Lücke, die wir nur durch gezielte Nachfolgemodelle, Förderprogramme und mutige Unternehmensnachfolgende schließen können. Die Politik – gerade in strukturschwächeren Regionen und vielleicht sogar die Hochschulen – müssen diese Übergänge aktiv begleiten und entsprechende Anreize oder Ausbildungen bieten. Es muss auch jungen Menschen möglich sein, sich mit überschaubaren Risiken und guten Strukturen zu engagierten Unternehmern zu entwickeln. Eventuell können sich durch gezielte Kooperationen oder durch Zusammenschlüsse von Unternehmen auch neue Möglichkeiten ergeben, um in größeren Einheiten Kapazitätsengpässe, Mitarbeitergewinnung und Ausbildung gemeinsam zu meistern und als Gruppe Vorteile am Markt zu erzielen.
Potenzial erkennen: Klimaschutz als Motor
Große Potenziale sehe ich in der engen Verknüpfung von Klimaschutz, Stadtentwicklung sowie Garten- und Landschaftsbau. Wenn es uns gelingt, Teil der kommunalen und regionalen Klimastrategien zu werden, dann eröffnen sich neue Auftragschancen für die kommenden Jahrzehnte. Sei es bei Regenwassermanagement, Biodiversitätsförderung oder grüner Infrastruktur in unseren Städten und Gemeinden. Meiner Meinung nach bietet der Garten- und Landschaftsbau mit seinen aktiven Unternehmen einen wesentlichen Hebel zur Unterstützung lebenswerter Siedlungsmodelle und einem aktiven Klimaschutz, der sich nicht nur durch einen Umbau der Industrie bewältigen lässt. Auch hier sind unsere Politik und unsere Gesellschaft gefragt, endlich die Zeichen der Zeit zu erkennen.
Schwierigkeiten: Bürokratie, Planung, Realisierung
Was uns bremst? Wir uns selbst! Wir leben in politisch unsicheren Zeiten. Unser Land scheint in Strukturen und Bürokratie zu versinken. Seit Jahren erkenne ich kaum Bewegung im Bereich öffentlicher Vergabeprozesse, den langen Laufzeiten von Genehmigungsverfahren und einer erstarrten Planungskultur. Unsere Städte glühen im Sommer, unsere Wälder brechen unter einer immer wiederkehrenden Trockenheit zusammen, Brücken fallen plötzlich ins Wasser und die Zeit rinnt uns dahin. Aus meiner Sicht benötigen wir als Gesellschaft den Mut und die Entschlossenheit, unsere bisherigen Wege in manchen Bereichen zu verlassen und uns neu aufzustellen. Mit Blick auf die Bauwirtschaft sehe ich hier viel Potenzial in der Umgestaltung unserer Planungsprozesse und der Entwicklung eines neuen und an Qualität und Innovation orientierten Vergabesystems für die öffentliche Hand. Wir brauchen dringend eine Kultur des Miteinanders zwischen Auftraggebern der öffentlichen Bereiche, der Industrie und den Unternehmen der Bauwirtschaft. Schließlich geht es um unser aller Zukunft.
Meine Erwartungen an die neue Bundesregierung? – Ein Wusch an uns alle!
Was ich von unserer neuen Regierung erwarte? Persönlich erwarte ich Aufrichtigkeit, Fleiß und den Mut, die zahlreichen Aufgaben in unserem Land, in Europa und der Welt anzugehen. Ich erwarte weniger Worte im Vorfeld, dafür mehr und nachvollziehbarere Taten in der aktiven Zeit. Jedoch sind wir alle gefragt, diesen Prozess aktiv mitzugestalten. Wenn uns unsere Demokratie am Herzen liegt, ist jeder gefragt. Im Beruf, in der Familie oder wo immer Menschen zusammenkommen. Wie Barack Obama es auf den Punkt brachte: „The most important office in this democracy is the citizen.“ – Es sind die Bürgerinnen und Bürger selbst, die das Fundament einer lebendigen Demokratie bilden. Es wird keine Regierung geben, die alle Probleme auf einmal löst. Vermutlich ist dies auch nicht möglich. Dennoch scheinen sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Probleme aufgetürmt zu haben, die nun gelöst werden müssen. Und wir haben wenig Zeit. Ich wünsche mir eine starke Gesellschaft, die den Wert unserer Freiheit erkennt, schätzt und unsere Probleme mit den Mitteln unserer Demokratie, unserer Schaffenskraft und mit Ideenreichtum zu lösen beginnt. Ich bin mir sicher, dass wir dies gemeinsam erreichen. Nicht mit leeren Versprechungen, sondern mit Taten, Engagement und Einsatz. Aus meiner Sicht muss unser Land in vielen Bereichen neu gedacht und entwickelt werden. Als Familienvater von drei Kindern und Unternehmer in Planung und Ausführung im GaLaBau spüre ich diese Entwicklung hautnah. Was wir schaffen, ist sinnstiftend – wir gestalten Lebensräume, verbessern die Umwelt, bringen Natur zurück in urbane Räume. Aber wie lange können wir diese Qualität noch leisten, wenn uns die Menschen, die Zeit und die strukturellen Rahmenbedingungen fehlen? Wir stehen in einem Spannungsfeld zwischen Wachstum und Wandel. Ich wünsche mir mehr echten Dialog zwischen Politik, Bildung und Wirtschaft – damit der GaLaBau nicht nur wirtschaftlich überlebt, sondern auch menschlich und gesellschaftlich wachsen kann.
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