Blausieb oder Weidenbohrer?
Spätestens seit dem Auftreten des Asiatischen Laubholzbockkäfers (ALB) sind auch alle anderen im Stamm von Laubgehölzen minierenden Larven in den Fokus nicht nur unter Fachleuten gerückt.
von Thomas Lohrer erschienen am 26.02.2025Spätestens seit dem Auftreten des Asiatischen Laubholzbockkäfers (ALB) sind auch alle anderen im Stamm von Laubgehölzen minierenden Larven in den Fokus nicht nur unter Fachleuten gerückt. Zu den bekanntesten Minierern gehören sicherlich andere Bockkäferarten (unter anderem Großer Pappelbock, Moschusbock) oder die Raupen mancher Schmetterlinge (unter anderem Blausieb, Weidenbohrer, Hornissenglasflügler). An dieser Stelle richten wir unseren Fokus, auch hinsichtlich einer sicheren Unterscheidung, auf den Weidenbohrer (Cossus cossus) und das Blausieb (Zeuzera pyrina), die beide an zahlreichen Laubgehölzen auftreten können.
Larven: Hinweise zur Diagnose
Die Diagnose, ob Blausieb oder Weidenbohrer, erleichtert sich deutlich, sofern die im Holz minierenden Larven vorliegen oder herauspräpariert werden konnten. Beide besitzen als klassische Raupe drei Brust- und fünf Bauchbeinpaare und haben zudem ein dunkles Kopf- und Nackenschild. Deutliche Unterschiede gibt es bei der zu erreichenden Länge der Raupen und ihrer Farbe. So werden die Raupen des Weidenbohrers bis zu 10?cm lang und sind intensiv fleischfarbig-rot und glänzend gefärbt. Ältere Larven (und auch die Falter) des Weidenbohrers besitzen einen Essig- oder Ziegengeruch, was ihnen im Englischen den Namen „goat moth“ verliehen hat. Die Blausieb-Raupen erreichen hingegen eine Größe von etwa 6?cm, sind weiß-gelblich gefärbt und tragen zahlreiche schwarze Warzen.
Fraßbild: Hinweise zur Diagnose
- Blausieb: Bevorzugt befallen werden Äste und dünnere Stämme, meist nur bis zu einem Durchmesser von 10 bis 20?cm. Der Fraßgang der Raupen ist im Querschnitt betrachtet rund, besitzt einen Durchmesser von 1?cm und erreicht eine Länge (stammaufwärts gerichtet, meist mittig gelegen) von bis zu 40?cm. Der Fraßgang „entspringt“ einem räumlich darunterliegenden Platzfraß, der im Splintbereich als flache Höhle ausgebildet ist. In dieser sammeln sich auch die Kotpellets der Raupen. Die durch den Raupenfraß entstehenden, sehr feinen Bohrspäne werden über kreisrunde Öffnungen nach außen abgegeben – der eigentliche Fraßgang ist somit (bis auf die Larve) weitgehend leer. Über ein kreisrundes Ausbohrloch (Durchmesser circa 12?mm) verlässt der Falter den befallenen Stamm oder Ast, die Puppenhülle steckt dabei häufig noch im Ausbohrloch. Das Ausbohrloch befindet sich häufig in unmittelbarer Nähe zum früheren Einbohrloch (Durchmesser circa 6?mm), teils wird dieses später auch nur zum Ausbohrloch erweitert.
- Weidenbohrer: Bevorzugt befallen wird der untere Stammbereich. Aufgrund einer Eiablage in kleinen Haufen beginnt der Larvenschlupf meist gesellig und verursacht einen größeren Plätzefraß an der Stammbasis unterhalb der Rinde. Die anschließende Verteilung der Larven erfolgt im Holzkörper, in Gängen bis zu einer Länge von 1?m, die in einem gemeinsamen Gangsystem mit Seitengängen und bauchigen Erweiterungen verschmelzen; die Gänge sind im Querschnitt deutlich oval. Kotpellets und Bohrspäne werden über ovale Ausbohrlöcher (Durchmesser circa 12 bis 16 mm) nach außen abgegeben. Die spätere Verpuppung erfolgt im Gangsystem oder häufig außerhalb der Pflanze in der umliegenden Bodenstreu in einem Kokon.
Folgen eines Befalls
Blausieb und Weidenbohrer gehören beide zur Familie der Holzbohrer (Cossidae). Sie durchlaufen als Larve jeweils eine zwei- bis dreijährige Entwicklung im Bastgewebe und Holzinnern ihrer Wirtspflanzen und verursachen dabei deutliche Fraßgänge. Als Folge kommt es zu einer höheren Infektionsgefahr durch Pilze, zu einer Beeinträchtigung im Saftstrom und einer verminderten Bruchsicherheit von Ästen und Kronenabschnitten. Letzteres führt – generell und zusätzlich verstärkt durch mögliche Sturmereignisse oder bei Nassschneebefall – zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit. Mangels echter Bekämpfungsmöglichkeiten gegen die im Ast- und Stamminnern fressenden Larven müssen im urbanen oder Straßenraum die geschädigten Bäume gefällt oder befallene Äste zurückgeschnitten werden.
Für ein Monitoring der Falter von Blausieb und Weidenbohrer können im Handel erhältliche Pheromonfallen zum Abfangen der jeweils männlichen Tiere eingesetzt werden. Ähnlich wie für den ALB können auch bei Blausieb und Weidenbohrer speziell abgerichtete Spürhunde zum Einsatz kommen. Eine Bekämpfung der Larven mithilfe parasitärer Nematoden (Steinernema carpocapsae) wird für das Blausieb angeboten. Mit etwas Glück, Geduld und Zeit kann insbesondere beim Blausieb bei Einzelbäumen und in einem frühen Befallsstadium versucht werden, die Raupen mit einem Draht in den Gängen aufzuspüren und hier abzutöten.
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