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Tjards Wendebourg über die gesellschaftliche Bedeutung des Branchenumsatzes in Zeiten von Globalisierung und Bankenkrise.
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Tjards Wendebourg
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Erinnern wir uns: Mitte September war ein strahlender BGL-Präsident vor das Eröffnungspublikum der GaLaBau-Messe getreten und hatte die Nachricht verkündet, dass der deutsche GaLaBau voraussichtlich die 5-Mrd.-Euro-Umsatzmarke überschreiten werde. Jetzt kam die Bestätigung: 80.000 Menschen in mindestens 15.000 Betrieben unterschiedlicher Größe erwirtschafteten 2010 einen Umsatz von 5.000 Millionen Euro damit, Wege zu bauen, Bäume zu pflanzen, Mauern zu errichten und Schwimmteiche auszuheben; mühsam erwirtschaftetes Geld, also.

Mitte Februar meldete das „Wall Street Journal“, dass der Spiele-Entwickler Zynga, ein Start-up-Unternehmen aus dem kalifornischen San Francisco, mittlerweile auf einen Wert von sieben bis neun Milliarden Dollar taxiert wird. 1.500 Mitarbeiter beschäftigen sich bei Zynga damit, Online-Spiele in Retro-Optik zu entwickeln und mehr als 300 Millionen Spieler weltweit bei Laune zu halten.
Die Spiele, die ganz besonders durch ihre Einbindung bei facebook einen Popularitätsschub erfahren haben, sind kostenlos. Aber wer bei Farmville und Cityville richtig vorankommen will, muss virtuelle Extras wie Landmaschinen oder Saatgut einkaufen.

Wenn Sie sich nicht vorstellen können, dass erwachsene Menschen ihre Zeit damit verbringen, infantil animierte Anbauflächen zu beackern, statt ihre Finger in wirkliche Gartenerde zu tauchen, dann kann ich nur sagen: Ich auch nicht. Aber ob Sie und ich, ob wir uns das vorstellen können, ist vollkommen gleichgültig. Fakt ist, dass ein einziges albernes Onlinespiel mehr gesellschaftliche und betriebswirtschaftliche Relevanz zu besitzen scheint, als eine Jahrtausende alte Tradition. So ist es eben, das digitale Zeitalter. Durch die Globalisierung sorgen immer größere Märkte für den Aufbau immer größerer virtueller Werte; Einheiten degenerieren unter dem Eindruck einer anhaltenden nummerischen Inflation. So hat sich das Prahlen mit Milliardenumsätzen spätestens seit der Bankenkrise vollkommen abgenutzt. Mittlerweile hat jeder das Gefühl, dass man vier, fünf Milliarden Euro aus der Portokasse zahlt. Auch die Politik scheint einstellige Milliardenbeträge für die berühmten „Peanuts“ zu halten – so, wie Politiker mit ihnen herumhantieren. Etatlöcher haben nicht mehr Millionendurchmesser, sondern mindestens eine Stelle zusätzlich.

Wer aber nicht mehr mit Milliardenumsätzen protzen kann, verliert auch an Respekt. Und, wer nach wie vor glaubt, lieber sein eigenes Süppchen kochen zu müssen, anstatt sich mit anderen zusammenzutun, könnte sich irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft in der Bedeutungslosigkeit wiederfinden; vielleicht als virtuelles Figürchen in GaLaville – einem Gartengestaltungsspiel, dessen Erscheinen ich schon am Horizont zu erahnen meine.

DEGA GALABAU/campos, 7. März 2011

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