Brüderle, ich danke dir!
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Also, wenn Sie mich fragen: Ich fand diese ganze Brüderle-Debatte um die Frage, ob eine mehr oder weniger junge Frau ein Dirndl füllt oder nicht, ziemlich albern. In der Wirtschaft würde man sagen: Das regelt der Markt. Für saublöde Anmache gibt’s entweder eine Backpfeife oder besser noch einen zielsicheren Verbalkonter, der sich gewaschen hat.
Wofür man dem alternden Westentaschen-Casanova aber dankbar sein darf, ist, dass sein öffentlich gemachter Versuch, eine Journalistin anzubaggern, schon eine vergessen geglaubte Debatte zu neuem Leben erweckt hat: die Gleichberechtigungsdiskussion. Für mich war die Sache ehrlich gesagt abgehakt. Ich bin in dem Verständnis aufgewachsen, dass jeder seine Rolle finden muss und der gleichberechtigte Zugang zu jedem Beruf selbstverständlich ist. Aber offensichtlich ist er das immer noch nicht. Denn sonst hätte ich neulich nicht den Anruf eines Lesers gehabt, der in unserem Heft zu viele Frauen ausgemacht hatte. Sonst hätte der vorletzte „Spiegel“ nicht über die Männerdomäne Kunstbetrieb getextet. Und dann hätte Alice Schwarzer auch nicht aus ihrer Themengruft steigen und das Fass wieder aufmachen müssen.
Liebe Männer – und das geht sowohl an die Silberrücken in Wirtschaft und Politik als auch an die alten Haudegen auf der Baustelle: Müssen wir uns wirklich mit so etwas Irrsinnigem wie einer Quote dazu zwingen lassen, das Selbstverständliche, das Sinnvolle, das Gute möglich zu machen und zu leben? Ist das etwa ein Vorteil, an bestimmten Stellen eine Männergesellschaft zu konservieren oder ist es einfach Rückwärtsgewandtheit? Oder ist es etwa Angst und mangelndes Selbstbewusstsein? Lasst uns mit dieser hirnrissigen Debatte aufhören und uns über jede Frau freuen, die Lust darauf hat, in typische Männerdomänen einzudringen und dort „ihren Mann zu stehen“, wie es so herrlich altbacken heißt. Das ist ein Gewinn, keine Gefahr!
Im Unterbewusstsein, liebe Freunde, sind wir alle mehr oder weniger kleine Urmenschen – Männer wie Frauen. Das beweist der Alltag und das werden wir auch nicht ändern. Aber unser Kopf hat gelernt, dass es sich mit ein paar modernen Errungenschaften sehr komfortabel leben lässt. Dazu gehört, dass jeder das tut, was er am besten kann und dass man mit dieser Regel toll eine arbeitsteilige Gesellschaft organisieren kann. Mit einer gut gemischten Arbeitswelt, in der jedes Geschlecht seine ihm zugeschriebenen Stärken einbringen kann und jede ihm zugeschriebene Schwäche durch die Präsenz des Konterparts gebrochen wird, geht jede Aufgabe nochmal so gut von der Hand. Von dem Fachkräftemangel, der die leidige Debatte hoffentlich endgültig beerdigen wird, will ich gar nicht erst reden.
Tjards Wendebourg, in DEGA GALABAU 5/2013
(c) DEGA online, 7.5.13
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