Mehr als eine Parallelwelt
Dass sich viele Menschen mittlerweile in Parallelrealitäten bewegen, kann für eine Branche, die von bodenständigen Rahmenbedingungen geprägt ist, zum Problem werden, meint Tjards Wendebourg im aktuellen Kommentar.
von Tjards Wendebourg erschienen am 15.09.2025Wenn es um Parallelgesellschaften geht, denken die meisten an Einwanderung. In der Tat neigen Menschen dazu, sich in der Fremde mit Bekanntem zu umgeben und sich mit anderen aus demselben Kulturkreis und Sprachraum zusammenzutun. Das machen Deutsche im Ausland nicht anders als Afghanen, Russen oder Türken hierzulande. Wenn die Integrationsangebote dann unzureichend sind, können sich solche Gemeinschaften schließlich zu Parallelgesellschaften entwickeln, die neben der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft nach eigenen Regeln leben. Meist entstehen daraus dann Konflikte. Dass Parallelgesellschaften aber auch ganz anders aussehen können, weiß ich als Vater zweier Söhne ziemlich sicher. Wenn nachts Schreie aus dem Zimmer kamen oder die Jungs über Stunden nicht zu erreichen waren, waren sie meist in digitale Parallelwelten abgedriftet und hatten sowohl die Zeit, ihre Verpflichtungen als auch unsere Regeln vergessen. Gamer sprechen eine andere Sprache und sind manchmal in unserer Welt nur noch zu Gast.
Eine Pressemeldung anlässlich der Messe Gamescom in Köln hat mich unlängst wieder darauf gestoßen, welche Dimensionen das Ganze hat. Laut Statista gilt knapp die Hälfte der Bevölkerung mittlerweile als „Computerspieler“. Dabei ist die Zahl der Spielenden in den letzten fünf Jahren kräftig gestiegen – auf 37,5 Mio. Menschen. Die Branche erzielt dieses Jahr rund 12 Mrd. Euro Umsatz. Das ist mehr als der GaLaBau an Umsatz macht – und das ohne Pools, Belagsmaterialien und Solitärgehölze zu verkaufen. In den nächsten fünf Jahren soll der Umsatz auf 16,5 Mrd. Euro klettern. Minecraft, Grand Theft Auto oder Wii Sports bewegen Menschen also zu beachtlichen Investitionen.
Nun geht es mir überhaupt nicht darum, Branchen miteinander zu vergleichen. Was mir vielmehr wichtig ist, ist auf die Parallelwelt aufmerksam zu machen, die sich da im weitgehend Verborgenen entwickelt hat. Dabei kann uns diese Welt keineswegs egal sein. Auf der einen Seite geht es um potenziellen Nachwuchs, der zunehmend entfernt von unserer Welt sozialisiert wird und am Ende viel aufwendiger für unsere Belange akquiriert werden muss. Zum anderen geht es um psychosoziale Folgen, die das Leben in Parallelwelten für unser erfolgreiches Zusammenleben mit sich bringen kann. Und zuletzt ist da auch noch die Konkurrenz um Zeit und Aufmerksamkeit. Denn wenn Menschen sich einen großen Teil ihres Lebens in fremden Welten bewegen, werden sie kaum Zeit für unsere übrighaben.
Bei unseren Kunden könnte sich da beides auswirken: mangelnde Sozialisation mit Garten und Natur ebenso wie Mangel an Zeit und Interesse für Garten und Gestaltung. Das führt unweigerlich zu weniger Interesse, schwierigerer Erreichbarkeit, geringer Ausgabenbereitschaft und mangelnder Fähigkeit, Leistungsumfänge oder Qualitäten einschätzen zu können. Daraus folgen wiederum absurde Vorstellungen, enttäuschte Erwartungen und häufigere Reklamationen. Egal sein kann uns das also alles nicht.
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