
Der blinde Fleck der BWL
Dass Konsum und Stimmung zusammenhängen, ist eigentlich ein alter Hut. Wie stark aber der Zusammenhalt den wirtschaftlichen Erfolg bestimmt, ist jetzt auch empirisch bewiesen und sollte selbst bei der Zahlenbetrachtung stärker gewürdigt werden, meint Tjards Wendebourg in seinem aktuellen Kommentar.
von Tjards Wendebourg erschienen am 14.11.2025Ist Zusammenhalt Sozialromantik? Volkswirtschaftler und andere Zahlenfüchse haben in der Vergangenheit dazu geneigt, Faktoren, die nicht in eine Excel-Tabelle passen, weitgehend zu ignorieren. Eine aktuelle Studie zeigt aber: Je stärker eine Gesellschaft zusammenhält, desto größer ist auch ihr wirtschaftlicher Erfolg. Wie hoch der Zusammenhang sei, habe ihn selbst überrascht, meint Nils Goldschmidt, einer der Autoren der Studie.
Mich persönlich überrascht das nicht wirklich. Wer ganzheitlich auf die Dinge schaut, weiß, dass Wohlbefinden und Erfolg eng zusammenhängen. Menschen, die sich gut aufgehoben fühlen, haben viel mehr Energie dafür frei, Dinge zu entwickeln und Ziele zu erreichen. Sie leben gesünder, sind mental stabiler und damit leistungsfähiger. Betriebswirtschaft ist wichtig, um Unternehmen zu führen. Aber niemand sollte vergessen: Betriebswirtschaftler schwächeln (noch stärker als Volkswirtschaftler) system-, ausbildungs- und mentalitätsbedingt bei nicht quantifizierbaren Faktoren.
Wenn wir also die Rückmeldungen der BGL-Herbstumfrage bewerten, sollten wir berücksichtigen, dass viele Kolleginnen und Kollegen das Gefühl haben, dass sich unsere Gesellschaft in keinem guten Zustand befindet. Es sind dabei nicht nur die harten Fakten – zwei autokratisch geführte Wirtschaftsblöcke, die Europa in die Mangel nehmen und ein blutrünstiger Diktator, der am Rande des Kontinents Krieg führt – die Sorgen bereiten. Es ist auch die gesellschaftliche Stimmung, die auf die Erwartungen drückt.
Wer aber genauer hinschaut, stellt fest: Die Unternehmerinnen und Unternehmer bewerten ihre persönlichen Aussichten immer besser als die der Branche. Das heißt: Der Blick auf das eigene Umfeld ist positiver als der auf das große Ganze. Was wiederum in Addition den Schluss zulässt, dass auch die Gesamtlage besser ist, als es den Anschein hat.
Wie sich die Lage weiter entwickelt, hängt aber nicht zuletzt von uns selbst ab. Lassen wir uns von Leuten die Agenda diktieren, die behaupten eine Alternative zu sein und gleichzeitig dadurch auffallen, dass sie unsere militärischen Geheimnisse und damit unsere Sicherheit an den russischen Diktator verhökern, oder besinnen wir uns wieder auf die Kraft des Zusammenhalts. Wer Missgünstigen und Zersetzern das Feld überlässt oder ihre Agenda nachplappert, gefährdet zugleich unser wirtschaftliches Wohlergehen; und am Ende auch sein eigenes.
Übrigens, was die eingangs erwähnte Studie auch aussagt: Der Zusammenhalt in Deutschland hat – im Gegensatz zur Lage in den USA – in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen. Vielleicht sind viele vermeintlichen Fakten auch nur gefühlt.

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