Wird mit dem Streusalz gezockt?
Laut Zeitungs- und Internetberichten haben viele Winterdienstleister, vor allem Kommunen, ihre Vorräte an Streusalz fast aufgebraucht. Viele beklagen sich auch über steigende Preise. Doch sind die Beschwerden immer gerechtfertigt? Es lohnt sich, beide Seiten zu hören – Dienstleister und Salzlieferanten.
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Ein gefundenes Fressen für die Tagespresse: Das Streusalz wird knapp! Lieferschwierigkeiten aller Orten – nicht nur Bauhofleiter und Bürgermeister beklagen die Situation, sondern auch Bürger (die eigentlich kein Salz streuen dürfen). Manche Händler würden nun die Preise treiben und Beträge bis zu 300 € je Tonne verlangen. Man sprach Anfang Dezember (!) von „Wintereinbruch“ und befürchtet einen „Jahrtausendwinter“. Tatsächlich gab es in den ersten Winterwochen viel mehr Eis und Schnee als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Manche Landkreise und große Städte haben seit Ende November bereits zwischen 1000 und 2000 t Streusalz ausgebracht, bei den Straßen- und Autobahnmeistereien dürfte die Zahl weitaus höher liegen. Kurz vor Weihnachten (zu Redaktionsschluss) wurden wegen des Engpasses nur noch diese mit Auftausalz beliefert.
Es gibt in Deutschland zwei große Salzproduzenten mit eigenen Bergwerken: Die Esco (European Salt Company, Hannover, ein Unternehmen der K+S Gruppe) und die Südsalz GmbH Heilbronn. Auch die Wacker Chemie AG aus München verfügt über ein Bergwerk und stellt Streusalz her, wenn auch nur zu einem geringen Anteil am Konzernumsatz. Holger Bekemeier, Sprecher bei Esco, gibt an, dass täglich mehrere 10000 t Streusalz ausgeliefert werden. In den Bergwerken werde rund um die Uhr in Schichten gearbeitet, um die Nachfrage befriedigen zu können. Außerdem würden Standorte, die Kalisalz für Dünger produzieren, nun zur Produktion von Streusalz herangezogen. Inzwischen importiert Esco Salz aus Nord- und Südamerika (Chile), das auf Frachtern mit Ladungen von jeweils 1000 Waggons nach Deutschland kommt. Die Witterung wirke sich jedoch auch auf die Logistikkette auf Straße und Schiene aus, sodass Liefertermine zurzeit oft nicht einzuhalten sind.
Da über 90 % der Kunden (meist Kommunen und Straßenmeistereien) feste Verträge abgeschlossen hätten, seien die Preise festgelegt. Es gebe keine großen Steigerungen, nur weil Salz knapp sei. „Wir sind an langfristig guten Kundenbeziehungen interessiert“, so Bekemeier. Allerdings sei Salz ein frachtkostensensibles Produkt. Bei Lieferungen über größere Strecken nach Süddeutschland werde es natürlich teurer.
Vertragskunden besser dran
Christof Bachmair von Wacker Chemie sieht das ebenso. Wer rechtzeitig, also lange vor dem Winter, geordert habe, könne sich auf Listenpreise verlassen und werde bei Engpässen bevorzugt beliefert. Es gebe jedoch etliche Kommunen, die nichts aus dem letzten Winter gelernt hätten. „Das ist wie bei der Weihnachtsgans. Wer erst an Heiligabend die Fleischerei aufsucht, muss damit rechnen, dass er keine mehr bekommt.“ Wacker arbeitet Volllast in drei Schichten, hält ein Streusalzlager von 200000 t vor und liefert täglich 10000 t aus. „Mehr geht nicht“, sagt Bachmair.
Bei der Südsalz GmbH liegt der Auftragseingang bei der fünf- bis sechsfachen Menge über normal. Die Lager seien noch einigermaßen gefüllt, aber bei fortschreitenden harten Winterbedingungen werde es kritisch, so Geschäftsführer Hans-Joachim Voss. Es würden schon Vorräte für 2012 angebrochen.
Die Nerven liegen blank
Seit einem Jahr werde rund um die Uhr gearbeitet, aber jetzt lägen bei den Mitarbeitern die Nerven blank. „Vertragskunden werden zuerst bedient. Einige fordern brutalst Verträge ein, es drohen Vertragsstrafen, die in die Millionen gehen. Kunden ohne Vertrag müssen wir leider vertrösten.“ Die MItarbeiter würden am Telefon zum Teil übel beschimpft und angepöbelt. „Keine schöne Situation für uns“, sagt Voss.
Zurzeit herrschten keine normalen Markt- und Preisbedingungen. Nicht-Vertragskunden müssten moderate Anhebungen hinnehmen. „Doch die Preise, die manche Händler verlangen, also zwischen 150 und 300 €, halten wir für unseriös. Streusalz ist ein Zockergeschäft geworden“, bedauert Voss.
Möglichkeiten, Salz zu sparen
Viele Gemeinden und Winterdienstler lassen sich Alternativen einfallen oder sparen. Manche wollen ihre Lagerkapazität nun deutlich erhöhen. Salz wird mit Splitt oder Sand gemischt; die friesische Gemeinde Wangerland streut mit salzhaltigem Jadesand. Manchmal rückt der Winterdienst nur noch einmal am Tag aus. Oder es werden innerstädtisch nur noch verkehrswichtige und gefährliche Abschnitte geräumt und gestreut, wie Schul- und Berufsverkehrswege, Lieferwege, Krankenhauszufahrten, Brücken, Steigungen, Ampelkreuzungen und Kurven. Dies ist übrigens auch das Einzige, was das Gesetz vorschreibt. Die meisten Winterdienste tun also viel mehr, als sie von Gesetzes wegen müssten.
„Entweder wir stellen die Verkehrssicherheit her oder wir erfüllen Kundenwünsche. Die aber wollen ja oft, dass die Straße schwarzgeleckt ist und wir jede Flocke einzeln auffangen“, sagt Jan Tenhaven von der Firma Dornseif, einem Winterdienstleister aus Münster. Das Unternehmen hat sich genug mit Salz eingedeckt und bisher keine Probleme, genau wie die Firmen Michael Seiert aus Baden Baden, Hartten aus Harrislee bei Flensburg oder Perlich aus Suhl. Der hohe Anspruch und die Versicherungsmentalität vieler Bürger verschärfen indirekt die Streusalzsituation, war von den Kollegen zu hören. Dies jedoch wird sich kaum ändern lassen.
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