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Überlinger testen Bodenseeflora-Pflanzung

Im Rahmen der kommenden Landesgartenschau hat die Stadtgärtnerei über zwei Jahre bedrohte Pflanzen des Bodenseestrandes vorkultiviert und jetzt ausgepflanzt. Auf rund 220 m² können sich Strand-Schmiele (Deschampsia rhenana), Nadelbinse (Eleocharis acicularis), Strandling (Littorella uniflora), Bodensee-Vergissmeinnicht (Myosotis rehsteineri), Ufer-Hahnenfuß (Ranunculus reptans) und Schnittlauch (Allium schoenoprasum) im Osten des Uferparks nun ausbreiten.

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Landesgartenschau Überlingen 2020 GmbH
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Nach knapp zwei Jahren der Anzucht, Pflege und Vermehrung ist für den ersten Teil des "Strandrasens" der große Moment gekommen: Die zarten Pflänzchen wurden von der Überlinger Stadtgärtnerei in den Uferpark gebracht und auf der untersten Terrasse, direkt an der Uferlinie des Bodensees, gepflanzt. Für die besonders schützenswerten Arten ist dies eine der größten zusammenhängenden Flächen am Bodenseeufer überhaupt. Die Strand-Schmiele beispielsweise kommt am gesamten Bodenseeufer bisher noch auf rund 120 m² vor. „Die Ansiedlung von Strandrasenflächen ist ein weiterer Bestandteil zur ökologischen Umgestaltung im Bereich des Uferparks“, sagt Edith Heppeler, Geschäftsführerin der Landesgartenschau Überlingen 2020 GmbH. Insgesamt sollen dafür mehr als 1.000 m² des Landesgartenschaugeländes genutzt werden.

Bedrohte Arten
Dieser Ansicht sind auch die beiden Biologen der Arbeitsgruppe Bodenseeufer e. V. (AGBU), Michael Dienst und Irene Strang. Sie sehen den Versuch, den Strandrasen in Überlingen neu anzusiedeln als sehr gute Möglichkeit, die bedrohten Arten nicht nur stärker zu verbreiten, sondern auch möglichst viele Menschen über sie zu informieren. „Zum Beispiel weiß kaum jemand, dass Schnittlauch ein Mitglied der Strandrasenfamilie ist“, sagt Strang. „Er hat seinen Ursprung am Bodensee“, erklärt die Biologin weiter. Michael Dienst und sie beschäftigen sich bereits seit vielen Jahren mit den bedrohten Arten. Sie beraten die LGS und die Stadtgärtnerei, damit die Pflanzen möglichst hohe Chancen haben, sich anzusiedeln. Denn einige von ihnen sind stark bedroht.  Das Bodensee-Vergissmeinnicht mit seinen zarten blauen Blüten etwa und die Strand-Schmiele, ein Süßgras, das in Büscheln wächst, sind Endemiten. Sie wachsen nur noch in einem eng umgrenzten Gebiet. „Außer am Bodensee kommt das Bodensee-Vergissmeinnicht nur noch ganz vereinzelt am Starnberger See vor. Die Bestände am Lago Maggiore sowie am Genfer- und Luganersee sind schon lange erloschen“, berichtet Strang. Die Strand-Schmiele wächst nur noch am Lac de Joux in der Westschweiz und am Bodensee.

Der starke Rückgang der Strandrasenflächen habe vor allem mit dem Menschen zu tun. Immer größere Teile des Bodenseeufers wurden im 20. Jahrhundert bebaut, für den Tourismus und zur Freizeitgestaltung genutzt. Wegen der zunehmenden Nährstoffanreicherung des Bodenseewassers wurden zahlreiche Strandrasen von Teppichen aus Fadenalgen überwuchert. Nun, da das Wasser des Sees wieder sauberer wird, habe auch der Strandrasen bessere Chancen sich zu entwickeln, so die Wissenschaftler.

Großes Experiment
Ob sich die Pflanzen im Flachwasserbereich des Uferparks wohl fühlen werden, ist ein großes Experiment für alle Beteiligten. Wie die Mitarbeiter der Stadtgärtnerei bei der Anzucht, hat auch das Team der LGS ein spezielles Substrat ausgewählt, um die Pflanzen mit den nötigen Nährstoffen zu versorgen. „Leider sind die Arten in vielen Bereichen noch unerforscht“, sagt Strang. Jetzt kommt es vor allem darauf an, dass die Pflanzen wurzeln können, bevor der Wasserpegel zu stark steigt. Denn obwohl es für die Arten notwendig ist, immer wieder vom Wasser umspült zu werden, könnte ein zu früher Anstieg des Wassers die jungen Pflänzchen aus dem Erdreich herausspülen. Rund drei bis vier Wochen sollte der Rasen anwachsen können, bevor er vollständig vom See überspült wird.

Die Beteiligten sind sich einig, dass der Standort im Uferpark sehr gute Voraussetzungen für ein Gelingen des Projekts bietet. Die Fläche hat ein leichtes Gefälle, ist mit Kies durchsetzt, groß genug, damit sich die Arten vermehren können, und sie wird regelmäßig überflutet.   

Viel Arbeit für die Stadtgärtnerei
Neben dem LGS-Team und den Biologen hoffen auch die Mitarbeiter der Stadtgärtnerei, dass die Pflanzen diese erste kritische Phase überstehen. Seit Juli 2016 kümmern sie sich darum, den Strandrasen auszusäen, zu pikieren, ein- und umzutopfen, zu gießen und zu düngen. Damals übergab der Botanische Garten der Universität Konstanz die seltenen Pflanzen in 400 Töpfen und vier Saatschalen an die Stadtgärtnerei und unterstütze die Mitarbeiter mit ihren Erfahrungen. Fast zwei Jahre später ist der Bestand auf rund 18.000 Pflanzen angewachsen. „Das ist für uns eine großartige Aufgabe“, so der Leiter der Stadtgärtnerei, Andreas Höfler. „So können wir unsere Qualität als Anzucht- und Ausbildungsbetrieb unter Beweis stellen, denn mit dem Projekt waren vor allem unsere Lehrlinge beschäftigt.“

Bisher wurden 4.000 Pflanzen gesetzt. „Alles läuft nach Plan“, sagt Gärtnermeister Andreas Lohner. Nicht ohne Stolz beobachtet er, wie seine Kollegen einzeln Loch für Loch bohren, um Bodensee-Vergissmeinnicht, Schnittlauch und Strand-Schmiele ins Erdreich zu setzen. Er freut sich schon darauf, eines Tages mit nackten Füßen über den Strandrasen zu laufen. Bis dahin wird aber – wie immer in der Natur – noch einige Zeit vergehen.

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