Soziale Kompetenz rückt in den Mittelpunkt
Die Streitkultur auf der Baustelle stand im Fokus der Baubetriebstage 2009 an der FH Osnabrück. Wenn sich die Stimmung richtig deuten lässt, gewinnt das partnerschaftliche Bauen wieder an Bedeutung. Gefordert ist soziale Kompetenz bei allen Beteiligten.
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Viel Mut bewiesen die Organisatoren der Osnabrücker Baubetriebstage um Prof. Martin Thieme-Hack und Evelyn Bleckmann bei der Zusammenstellung des Programms: Ein Theaterpädagoge und ein Theologe sorgten für exotisches Flair auf der normalerweise von harten Ingenieursthemen geprägten Veranstaltung. Am Ende ging die Rechnung auf. Das abwechslungsreiche Programm führte den etwa 130 Besuchern vor Augen, dass die weichen Faktoren auf der Baustelle die ganz große Bedeutung haben.
Theaterpädagoge Prof. Dr. Bernd Ruping aus Lingen und seinem Assistenten Benjamin Häring gelang es gleich zum Start, die Besucher zu fesseln. Mit einem eindrücklichen Vortrag und einer schauspielerischen Einlage zeigten die beiden Referenten, welche Wirkung Haltung und Gesprächston auf den Ablauf von Prozessen haben. Es gehe nicht nur um das Sagen und Hören, sondern um die ganze Haltung, die man einer Position gegenüber einnehme. Ruping riet dazu, sich selbst im Job als jemand vorzustellen, der auf der Bühne steht. Denn das Geheimnis der Kommunikation sei die Echogestaltung – also all das, was man dem Gegenüber an Reaktion entgegenbringt. In der Fähigkeit bestimmte Rollen einzunehmen, liege auch das Potenzial der Beteiligten, Krisen und Konflikte selbst zu gestalten.
Prof. Dr. Peter Racky, Baubetriebswirtschaftler an der Uni Kassel, stellte es als strategische Aufgabe jedes Unternehmers heraus, am Markt für Vertrauen zu sorgen. Kooperation brauche Vertrauen, sagte der Wissenschaftler im Hinblick auf Partnerringmodelle in der Bauwirtschaft. Gutes Projektmanagement heiße nicht, dass es keine Leistungsänderungen geben dürfe. Vielmehr komme es darauf an, dass partnerschaftlich-konstruktiv mit den Abweichungen vom LV umgegangen werde. Es komme darauf an, die Ziele des Auftraggebers zu kennen und diese einvernehmlich mit den eigenen in Einklang zu bringen. Soziale Kompetenz im Team und eine strukturierte Teambildung würden helfen, Streitfälle zu vermeiden – partnerschaftliches Bauen sei grundsätzlich möglich.
Der evangelische Theologe Prof. Dr. Arnulf von Scheliha von der Uni Osnabrück fasste die ethischen Gesichtspunkte auf der Baustelle in fünf Merksätzen zusammen, die sich auch für Zuhörer ohne religiösen Hintergrund nachvollziehen lassen:
Halte am gemeinsamen Ziel fest, definiere gemeinsame Interessen und übernimm Verantwortung für das Erreichen des Ziels.
Suche nach dem richtigen Zeitpunkt für die Beilegung eines Konfliktes und beachte ihn auch.
Relativiere Dich und Deine Interessen und anerkenne die Würde des anderen und seine berechtigten Interessen.
Versuche, eine gemeinsame Sprache zu finden, um den sachlichen Konflikt durch einen Kompromiss zu lösen.
Suche nach Gesten und Symbolen des Friedens.
Mediation im Kommen
Eine Alternative zum Zivilprozess, wenn es denn nach dem Streit auf der Baustelle doch zum Rechtsstreit kommt, stellte Antonius Fahnemann, Landgerichtspräsident in Osnabrück, vor. Seine Einrichtung hat gute Erfahrung mit Mediationen gemacht, in denen ein Jurist in die Rolle des Mediators schlüpft und als überparteilicher Schiedsrichter nach einer Einigung zwischen Kläger und Beklagtem sucht. Die Möglichkeit ganz offen miteinander zu reden und dann in Pendeldiplomatie nach einem Vergleich zu suchen, biete die Chance für Win-win-Situationen und ermögliche am Ende allen Beteiligten, aufrechten Hauptes aus dem Verfahren zu gehen. Nur für Streitigkeiten mit kommunalen Auftraggebern sei das Verfahren nicht geeignet, da dort niemand die Verantwortung für die Ergebnisse eines Vergleichs übernehmen würde.
Fahnemann betonte, dass für Mediationsverfahren vor Gericht keine weiteren Gebühren fällig werden und dass auch für die Anwälte das Verfahren reizvoll ist: Sie dürfen nach einem erfolgreichen Mediationsverfahren den 3,5-fachen (Vergleich vor Gericht 2,5-facher) Gebührensatz abrechnen.
Mediation gibt es bisher in den Landgerichtsbezirken Göttingen, Lüneburg und Osnabrück sowie im westfälischen Hamm. Fahnemann geht davon aus, dass das in Großbritannien verbreitete Verfahren auch in Deutschland an den Landgerichten Einzug hält.
In den Kurzreferaten aus der Praxis und der anschließenden Diskussion ließen sich die am Vortag getroffenen Aussagen in vielfältiger Form wieder finden. So strich Frank Dahl, Gärtner von Eden aus Leonberg, die Bedeutung sozialer Kompetenz bei den Mitarbeitern für das Hausgartengeschäft heraus. Das ganze Auftreten sei auf Vertrauensbildung hin ausgerichtet und Kommunikation nehme einen bedeutenden Teil des Geschäftes ein. „Im Erstgespräch geht es in den ersten zwei Stunden manchmal um den Urlaub und ganz andere Dinge als den Garten“, beschrieb er das Vorgehen seiner Firma. Grundsätzlich helfe die Tatsache, dass die Firma als Gartenplaner auftrete und gleich von Beginn an die Netzwerkpartner ins Spiel bringe, Konflikte zu vermeiden.
Und auch bei den anderen Referenten standen weiche Faktoren im Vordergrund.
Konnte im vergangenen Jahr noch der Eindruck entstehen, dass im Hausgarten Vertrauen und im Submissionsgeschäft Schlitzohrigkeit gefragt sind (siehe http://www.dega.de, Webcode dega1843), so waren sich dieses Jahr alle einig, dass Vertrauen und Kommunikation für alle Baustellen von zentraler Bedeutung sind. Eine Erkenntnis, die zwar nicht wirklich neu ist, für viele Unternehmer aber beruhigend sein dürfte. Denn partnerschaftliches Bauen bringt wohl für alle Beteiligten enorme Vorteile und schont die Nerven.
TEXT und BILD: Tjards Wendebourg
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