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Pflanzmodul „Simontrees“

„Baum geht hier nicht“ gibt’s nicht mehr

Bäume sind die beste Lösung für heiße Innenstädte. Zu oft scheitert es aber an den örtlichen Gegebenheiten und Platzmangel im Erdreich. Ein Landschaftsgärtner aus dem Südwesten hat einen Lösungsansatz entwickelt, der die üblichen Hindernisse umgeht und zugleich flexibel einsetzbar ist.

von Katja Richter, Freiburg erschienen am 11.08.2025
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Neben der Ursulasäule in Offenburg sorgten drei Amberbäume für Schatten auf den darunterliegenden Holzpodesten.
Neben der Ursulasäule in Offenburg sorgten drei Amberbäume für Schatten auf den darunterliegenden Holzpodesten. © LINUS_HUBER
Gärtnermeister Thomas Simon aus dem badischen Hohberg sucht die Lösung für moderne Baumsysteme. 
Gärtnermeister Thomas Simon aus dem badischen Hohberg sucht die Lösung für moderne Baumsysteme.  © Simontrees

„Dass mehr Bäume zwingend notwendig sind, wenn wir unsere Städte bei steigenden Temperaturen lebenswert halten wollen, das weiß inzwischen jeder. Aber ich höre bei meinen Auftraggebern immer: da dürfen wir nicht, da können wir nicht,“ erzählt Thomas Simon aus Hohberg bei Offenburg. Der Baumschuler leitet seit fast 40 Jahren und in dritter Generation einen familiengeführten Landschaftsbaubetrieb mit 15 Angestellten. Viele Aufträge kommen von der öffentlichen Hand und größeren Konzernen. Zum Portfolio gehören auch Renaturierungsarbeiten und Eidechsenvergrämung. Die landschaftspflegerischen Arbeiten und so manche schlechte Erfahrungen bei Baumpflanzungen haben ihn motiviert, eine Lösung für mehr Grün in Problemsituationen zu suchen: „Für einen großen Baum braucht es eine qualifizierte Baumgrube und vor allem eine dauerhafte Pflege, sonst ist der ökologische Gewinn nur Augenwischerei.“ Zu oft habe er erlebt, dass die Bäume, gerade bei Großkunden, innerhalb weniger Jahren verkümmern, wenn sein Betrieb nach der Fertigstellungspflege abzieht. Auch wenn für ihn ein gepflanzter Baum immer die beste Wahl ist, reifte in ihm die Idee für einen pflegeleichten Baumstandort, der den hohen Anforderungen im innerstädtischen Bereich entspricht. Nach einigen Jahren des Tüftelns und Testens fanden 2024 die ersten drei Simontrees ihren Einsatz vor dem Rathaus im badischen Offenburg.

Modul in der Größe eines Pkw

Die bis zu acht Meter hohen Amberbäume wachsen in einem hüfthohen, anthrazitfarbenem Modul, bienenfreundliche Stauden wie Gaura und Lavendel gedeihen am Fuße des Stamms. Ein großes Holzpodest lädt zum Sitzen ein. Neben dem Baumquartier enthält das Modul in der Größe eines PKWs auch zwei Wassertanks mit insgesamt 1.000 Liter Fassungsvermögen. Damit versorgt eine Steuerungstechnik die Gehölze und Unterpflanzung mit dem benötigten Nass. „Wir arbeiten im Moment mit dem Fraunhofer Institut an einer App für die Sensortechnik,“ berichtet Simon. Dann können die Tanks punktgenau und je nach Witterungsverhältnissen gefüllt werden. „Die Größe der Tanks genügt für mehrere Wochen, der Pflegedienst muss nur drei bis vier Mal pro Vegetationsperiode auffüllen.“ Das spart deutlich Personalkosten. Durch die Tröpfchenbewässerung geht so wenig Wasser wie möglich verloren, zumal nachts gegossen wird, wenn an heißen Tagen die Verdunstungsrate am niedrigsten ist. „Dreimal pro Woche reicht nach unseren Tests aus.“ Den Rest macht das Wetter.

Damit alles so nachhaltig wie möglich ist, wird der Strom für Pumpe und Rooter natürlich solar am Modul produziert. Alle Bauteile kommen von regionalen Herstellern und sind am Ende des Lebenszyklusses rezyklierbar.

Die Module funktionieren auf Basis eines Abrollsystems und können mit einem LKW schnell an einen anderen Standort gebracht werden. Der dafür benötigte Haken ist abnehmbar und die Vorrichtung dafür lässt sich bei Bedarf auch mit einer Sitzbank verdecken. Das bedeutet viel Flexibilität und es können auch Plätze begrünt werden, wo nur hin und wieder Veranstaltungen stattfinden. Das einfache Beiseitestellen des Baums entkräftet auch ein typisches Verhinderungsargument aus der Praxis: „Kein Baum auf Leitungen“. Bei einem Wasserrohrbruch oder anderen Sanierungsfall parkt der Baum einfach an anderer Stelle zwischen.

Das Baumquartier mit den Maßen 2,20 m auf 2,0 m und 80 cm Tiefe steckt voller praktischer Details: Die verzinkte Wanne ist mit einem Fließ und Spring-Roll zur Vermeidung von Drehwurzeln ausgekleidet. Ein Netz aus Edelstahlseilen mit vier Schlaufen macht es einfach, selbst einen tonnenschweren Wurzelballen aus dem Container zu heben. „Wenn der Baum nach 10 bis 15 Jahren zu groß für das Modul wird, lässt er sich mit den üblichen Maschinen herausheben und an einen erdgebundenen Standort einpflanzen. Die Stahlseile zieht man anschließend einfach raus,“ erklärt der Baumschuler. Bis dahin hat der Baum eine stattliche Größe mit Stammumfängen von 40 bis 50 cm erreicht und kann seine Ökosystemleistung gleich zur Geltung bringen: „Die Module sind quasi kleine Baumschulen in der Stadt.“ Sinnvoll sei daher auch eine langfristige Planung, wo die Simon-Bäume später ihren angestammten Platz bekommen sollen. Eine Kommune hat zum Beispiel schnellwachsende Baumarten wie Pappel und Weide bei ihm geordert, um diese in fünf bis sechs Jahren als Schattenspender an einen neuen Kinderspielplatz zu pflanzen.

Bewässerung mit Regenwasser spart Geld

Um den natürlichen Wasserkreislauf zu stärken, hat sich Thomas Simon zudem ein geschlossenes System aus Regenwasserzisternen und Sensortechnik ausgedacht: „Auf jedem Bauhof oder Betriebsgelände gibt es Dachflächen, auf die Regenwasser niedergeht. Das sammeln wir in unseren Zisternen, die sich leicht unter dem Fallrohr aufstellen lassen,“ beschreibt er das Prinzip. Mit dem gesammelten Regenwasser lassen sich dann die Tanks am Simontree befüllen. Das spart Trinkwasser, Abwassergebühren und verhindert, dass sauberes Oberflächenwasser ungenutzt im Kanal davon rauscht. Die App bringt beides zusammen und meldet Bedarf am Baum sowie Füllstände kombiniert mit Wetterprognosen.

Auch für die Zisternen arbeitet er mit einem regionalen Anbieter zusammen, der sich auf recycelte Kunststofftanks spezialisiert und eine eigene Wiederverwertungsanlage für sämtliche, auch schwarze Kunststoffe entwickelt hat. Die Behälter sind in drei Größen erhältlich, die sich an der Praxis orientieren: „3000 Liter können mittels Tankfass und den bei den Landschaftsgärtnern üblichen Pick -Ups befördert werden, 6000 Liter passen auf einen kleinen LKW und für den Drei-Achser gibt es die große Variante mit 9000 Litern. So lassen sich einerseits Niederschläge puffern und gleichzeitig die Pflanzen und Bäume wässern.

Aber nicht nur auf die Schwammstadt, auch auf die Mobilitätswende sind die Baummodule in den verschiedenen Ausführungsmodellen vorbereitet. Mit einem Außenmaß von 4,50 auf 2,35 Meter lassen sich frei werdende Stellplätze ruck zuck mit einer grünen Klimaanlage aufwerten.

Pilotprojekte deutschlandweit

In Südbaden konnte der findige Gärtner schon bei einigen Gemeinden Pilotprojekte aufstellen. Auf dem Europaplatz in Bühl schmückten Zuckerahorne in Simontrees-Modulen den Platz. Für eine kleine Kommune waren die Anschaffungskosten am Ende trotz Gemeinderatsbeschluss doch zu hoch, wobei das Standardmodul inklusive Baum in etwa den Lebenszykluskosten einer Großbaumpflanzung entspricht. „Die laufenden Kosten gehen gegen Null. Eine Unterpflanzung muss natürlich gepflegt werden, eventuell mal Müll heraus sammeln, mehr aber nicht.“ Auf großes Interesse stoßen die mobilen Bäume in Berlin und Nordrhein-Westfalen, teilweise finanziert durch Fördermaßnahmen des Landes. Um auch im Bundesgebiet nachhaltig zu bleiben und lange Wege zu vermeiden, will Simon als nächstes an anderen Standorten ein Vertriebssystem mit Partnern oder Franchisefirmen aufbauen. „Wir können bei der Finanzierung auch durch unsere Bank unterstützen.“

Zum Schluss fügt Thomas Simon noch einen ungewöhnlichen Pluspunkt seiner mobilen Bäume hinzu: „Unser Model TD - für Terror Defense - hat eine Zulassung als Rammschutz.“ Stadtgrün goes Veranstaltungssicherheit. Der Badener hat wirklich an alles gedacht, ist aber immer offen für neue Anregungen: „Ich wünsche mir Feedback! Wir wollen ein richtig gutes Produkt anbieten, das Probleme unserer Zeit wirklich löst und verbessern uns gerne weiter.“

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