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150 Jahre braun-steine

Aus Tradition anders

Tradition verpflichtet, doch sie beflügelt auch. Wilfried und Felix Braun sprechen im Interview über das Besondere an Familienunternehmen, die Verantwortung gegenüber Generationen und Mitarbeitern, über Nachhaltigkeit in der Betonsteinbranche – und darüber, warum Innovation oft Mut, langen Atem und ein Stück innere Überzeugung braucht.

von Susanne Wannags erschienen am 15.09.2025
Wilfried und Felix Braun (v.l.) © braun-steine
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Was macht Ihrer Ansicht nach ein Familienunternehmen aus? Wie unterscheiden sie sich von einem Konzern mit einem Geschäftsführer? Wilfried Braun: Der größte Unterschied zu einem zahlengetriebenen Geschäftsführer ist das Herzblut. Man ist bereit, unbequeme Wege zu gehen und Produkte zu entwickeln, die zunächst mehr kosten, aber später Früchte tragen. Ich bin seit über 40 Jahren im Unternehmen – viele Mitarbeiter treffe ich auch privat. Diese Nähe schafft Verpflichtung. Felix Braun: Als Eigentümer steht man für seine Entscheidungen noch stärker ein. Was wir heute tun, wirkt sich auf kommende Generationen aus. Das ist auch jetzt so: Bei Verhandlungen beispielsweise schwingt immer die Erfahrung früherer Generationen mit. Den Mitarbeitern gibt ein Familienunternehmen die Sicherheit, dass Entscheidungen nicht nur für die nächsten Jahre, sondern langfristig getroffen werden. Welche Besonderheiten bringt es mit sich, wenn das Unternehmen so eine lange Tradition hat wie braun-steine? Wilfried Braun: Die Tradition beflügelt. Wir wollen Trends nicht hinterherlaufen, sondern sie mitgestalten. Auch wenn am Markt bestimmte Produkte gerade gefragt sein mögen, sind wir immer darauf bedacht, unseren eigenen Weg zu gehen und uns abzuheben. Das ist nicht immer einfach, aber immer spannend. Unsere Produkte überdauern Generationen, das ist ein Versprechen an die Nachfolger. Eine 150-jährige Tradition verpflichtet stärker als 15 Jahre Firmengeschichte. Und der Titel „Königlicher Hoflieferant“ erinnert uns und unsere Kunden ständig daran, besser zu werden.
Beinahe geschafft: das geschlossene Kreislaufsystem in der Produktion.
Beinahe geschafft: das geschlossene Kreislaufsystem in der Produktion. © braun-steine
Felix Braun: Als ich hier anfing, hing im Besprechungszimmer noch die Ahnenreihe. Das kann Erwartungsdruck erzeugen – oder zeigen, dass das Unternehmen stets in der Lage war, Krisen zu meistern. Wandlungsfähigkeit war immer entscheidend. Die lange Tradition hilft uns, Werte wie Qualität und Verlässlichkeit glaubwürdig zu vermitteln. Was glauben Sie, macht einen Hersteller von Betonsteinen aktuell zukunftsfähig? Wilfried Braun: Wir dürfen gesellschaftliche Themen nicht ausblenden. Wenn es heißt, Beton sei ein Klimakiller, gehen wir offensiv in den Dialog: Wir zeigen, was wir tun, und belegen es. In der Produktion arbeiten wir fast im geschlossenen Kreislauf, beim Recycling wie beim Energieverbrauch. Unser Ziel ist, dass am Ende nichts mehr übrig bleiben darf. Ich bin überzeugt, dass Unternehmen in 20 Jahren keine bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung mehr bekommen ohne Nachweis ressourcenschonender Produktion. Da sind wir gerne ganz vorne mit dabei. Felix Braun: Im öffentlichen und privaten Raum gibt es jede Menge Herausforderungen, beispielsweise Themen wie die Schwammstadt und die Gestaltung grüner Freiräume, aber auch die Frage, wie wir den Bau CO2-neutral gestalten und Ressourcen schonen. Dafür braucht es Lösungen: modernes Energiemanagement, digitale Werkzeuge und den sinnvollen Einsatz von KI – immer zum Nutzen von Mensch und Produkt.
Die Vision von braun-steine: mit einem modernen, innovativen Betonwerk Ideengeber für naturnahe Freiräume sein.
Die Vision von braun-steine: mit einem modernen, innovativen Betonwerk Ideengeber für naturnahe Freiräume sein. © Frans Blok / 3Develop
Die Fristen für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung großer Unternehmen und börsennotierter KMU wurden im April 2025 um zwei Jahre verlängert. Wie verträgt sich das mit dem Thema ressourcenschonender Produktion? Wilfried Braun: Zertifizieren kann man auch ohne Pflicht. Wir waren 1995 einer der ersten Betonwarenhersteller in Deutschland, der die ISO-Zertifizierung 9001 hatte, wenig später das Umweltmanagementsystem ISO 14001 und die EMAS-Verordnung. Das war uns damals schon wichtig. Wir erwarteten, dass öffentliche Auftraggeber darauf Wert legen, dem war aber nicht so. Das einzige Unternehmen, das dies einforderte, war die Bahn AG. Heute lassen wir uns nicht mehr ständig neu zertifizieren, aber die Prozesse leben weiter. Felix Braun: Mittlerweile gibt es unzählige Zertifizierungen – man weiß nie, welche der nächste Auftraggeber verlangt. Wir sind der Meinung, dass eine CO2-Bilanz auf Produktebene, wie beispielsweise eine EPD, die sinnvollere Deklarationsform ist, verglichen mit einer Zertifizierung der Werke. Um ein gutes und nachhaltiges Produkt zu fertigen, muss auch das Unternehmen einen gewissen Standard vorweisen, welchen wir mit kontinuierlichen Verbesserungsprozessen erreichen, die maßgeblich von den Mitarbeitern mitgetragen werden.
Den Markt gestaltet man nicht über Menge, sondern über Ideen. Felix Braun
Wie wird das Produkt Betonstein zukunftsfähig? Felix Braun: Die Branche darf sich nicht länger über den Zementverbrauch definieren. Das hat früher Größe gezeigt. Beton besteht nicht aus schädlichen Stoffen, das Problem ist der CO2-Ausstoß bei der Zementproduktion. Hier gibt es viele Ansätze: Beimischungen wie Pflanzenkohle oder Geopolymere, Carbon Capture an Storage, also die CO2-Speicherung oder Carbon Capture an Reuse, bei dem das CO2 wiederverwendet wird. Auch Recycling ist ein Weg, wenn es logistisch Sinn ergibt. Wichtig ist die Regionalität: Wir haben nichts davon, wenn wir Material über hunderte Kilometer transportieren. Besser ist es, vor Ort zu recyceln. In einer 150-Jährigen Unternehmensgeschichte gibt es sicher viele Meilensteine. Was sind für Sie die wichtigsten in den vergangenen Jahren? Wilfried Braun: Ein Meilenstein für die Firma war die Gründung unseres Tochterunternehmens Aicheler und Braun in Tübingen-Hirschau. Anfang der 1980er-Jahre entschieden wir uns, stärker auf Gestaltungspflaster zu setzen – mit Formaten für den Garten und die private Einfahrt, teils auch eingefärbt. In dieser Zeit kam auch der gerumpelte Pflasterstein Tegula ins Programm, der von uns in Süddeutschland eingeführt wurde. Anfänglich gab es Reklamationen, weil die Steine nicht auf Paletten geliefert, sondern mit dem Lkw abgekippt wurden. Doch bald setzte sich das Produkt durch. Heute haben viele Hersteller Trommelsteine im Programm. Ein weiterer Meilenstein war die Idee des Spaltwackenpflasters. Wir ließen Abdrücke eines alten Pflasters in Ulm machen und präsentierten die ersten Arena-Steine auf der GaLaBau in Nürnberg. Anfangs belächelt, dauerte es sechs bis acht Jahre, bis sich der Stein durchsetzte. Heute ist Arena ein gefragtes Gestaltungspflaster. Um Trends zu setzen, braucht es innere Überzeugung – nicht alles funktioniert von Anfang an.
In den 1990er-Jahren belächelt, heute ein Klassiker: der Pflasterstein Arena.
In den 1990er-Jahren belächelt, heute ein Klassiker: der Pflasterstein Arena. © braun-steine
Jubiläen sind immer ein guter Anlass für Zukunftsvisionen. Wie sieht die Vision von braun-steine aus? Felix Braun: Wir wollen Freiräume naturnaher gestalten. Wir wollen Ideengeber sein, der mit passenden Produkten das neue Bild des Freiraums ermöglicht. Unsere Vision ist es, Mensch und Natur positiv zu beeinflussen. Wir möchten ein innovatives und modernes Betonsteinwerk sein, das gilt für Produkte ebenso wie für die Qualität der Arbeitsplätze. Es braucht Unternehmen, die Dinge anders denken und sich nicht nur als Verbraucher von Materialien sehen. Sonst kommen wir ins Mittelalter der Betonstein-Zeit zurück, in dem es nur Stillstand gab – und Stillstand ist bekanntlich Rückschritt: Den Markt gestaltet man nicht über die Menge, sondern über Ideen.
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