Geschichte eines Baumbegeisterten
Ulrich Pfefferer ist Landschaftsgärtnermeister und hat die Liebe zu den Bäumen zum Beruf gemacht. Er war mehrfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hat so die wichtigsten Entwicklungen der modernen Baumpflege live miterlebt. Am Ende war er damit auch unternehmerisch erfolgreich. DEGA GALABAU hat den gebürtigen Bayern in seiner Firma in Südbaden besucht.
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Wer das Ende seiner beruflichen Laufbahn schon im Blick hat, darf mit Fug und Recht zurückschauen; besonders wenn man in einem Fach arbeitet, dessen Entwicklung man derart lebendig miterlebt hat. Und so sitzt Ulrich Pfefferer im Besprechungsraum seines Betriebs am Ortsrand des südbadischen Städtchens Müllheim und lässt seine Firmengeschichte Revue passieren. Gut 20 Jahre lang drehte sich das Unternehmerdasein des 57-Jährigen in erster Linie um den Baum. Mit Spannung hat Pfefferer die Wendepunkte der Baumpflege verfolgt und jede Neuerung aufgesogen. Er hat den Tod der Baumchirurgie erlebt und das Aufkommen der baumschonenden Pflege unter Dr. Alex L. Shigo. Während seiner Unternehmerlaufbahn ist das Klettern perfektioniert worden, sind aus improvisierten Knoten und Ringen professionelle, bequeme und kambiumschonende Ausrüstungen geworden – aus Baumkletterern Klettermeister. Die informellen Treffen einer familiären Szene sind zu großen Einrichtungen wie den Deutschen Baumpflegetagen erwachsen oder zu Organisationen wie dem deutschen ISA-Chapter. Gleichzeitig sind viele der großen, überregionalen Anbieter geschrumpft oder verschwunden und haben zahllosen Klein- und Kleinstfirmen Platz gemacht; das Klettern machte es möglich.
Pfefferer war immer dabei. Anfangs selbst als Einzelkämpfer mit seinem schottischen Partner Dave Mac Intyre, dann, als der nach Schottland zurückging, eine Weile ganz allein und schließlich lange als Teil eines wachsenden Teams; nie als Chef; immer als Kollege. Der in Bayerisch-Schwaben aufgewachsene Wahlbadener hat die Baumpflege gelebt – mehr leidenschaftlich als betriebswirtschaftlich. Und als er dann vor gut drei Jahren eine Bestandsaufnahme seiner Unternehmerkarriere machen wollte, musste er erstaunt feststellen, dass viel Ruhm und Ehre, aber wenig Zählbares von seiner Arbeit übrig geblieben war. Die ohnehin bescheidenen Eigenentnahmen hatten lange über dem gelegen, was am Ende jeweils übrig war. Die Verschuldung des Unternehmens war noch so hoch, dass an einen Verkauf nicht zu denken war.
Ein Berater brachte den Kurswechsel
Wenn Pfefferer mittlerweile trotzdem wieder ganz entspannt in seinem Sessel lehnt und den Zuhörer durch die Firmengeschichte führt, dann liegt das an einer Unternehmerleistung, die der Endfünfziger vor drei Jahren erbracht hat: Er hat sich eingestanden, dass ihm bis zu diesem Zeitpunkt die Leidenschaft wichtiger war als die Betriebswirtschaft. Er hat sich offen für Beratung gezeigt und sich schließlich zu einem Strukturwandel aufgerafft. Es sei ein hartes Stück Arbeit gewesen, gibt der Süddeutsche schmunzelnd zu. „Aber ich bin heilfroh, dass wir es gemacht haben und jetzt so dastehen.“
Der erste Schritt war der Anruf bei einem Unternehmensberater. „Vor dreieinhalb Jahren haben wir Florian Büttner von ATB-Consulting aus Buggingen mit ins Boot geholt – der hat mich als Chef wirklich erfolgreich gedreht“, erzählt Pfefferer grinsend. „Ich hab gelernt, dass die Leidenschaft für die Bäume das eine ist, aber es sich andererseits rechnen muss.“ Dabei war der Zusammenarbeit zwischen Berater und Unternehmer kein guter Start beschieden. Büttner fiel gleich mit der Tür ins Haus und sagte seinem Kunden ins Gesicht: „Der Betrieb ist nichts wert. Ich helfe Ihnen aber gerne bei der Insolvenz“ – nichts mehr als eine raubeinige Provokation, um den Unternehmer aus dem Häuschen zu locken, aber auch nichts, was man so von seinem Berater hören möchte. Zweimal schickte Pfefferer den Betriebswirtschaftler in der Gewissheit nach Hause, es sei der letzte Termin gewesen. Und am Ende hat er doch ein drittes Mal zum Hörer gegriffen, hat zugehört und sich beraten lassen. „Der hat gewusst, wo er mich packen konnte“, meint der Unternehmer rückblickend.
Gelohnt hat es sich allemal, denn seit drei Jahren hat sich vieles zum Positiven gewendet. Die Auslastung stieg an, die Abläufe wurden optimiert, der Ertrag nahm zu und die Fremdkapitalquote sank. „Früher war das so: Das Schiff fuhr am Anfang des Jahres auf den großen Ozean los. Da waren Inseln, wo man Aufträge wie Proviant aufgenommen hat, aber wo die Reise hinging – das habe zumindest ich nicht immer gewusst“, blickt Pfefferer selbstironisch zurück. Nun gibt es dank „Balanced Scorecard“ (siehe http://www.dega-galabau.de, Webcode dega2054) eine klare Umsatzplanung, übersichtliche Soll-Ist-Vergleiche, und wenn alles läuft wie geplant, sind die Schulden in drei Jahren abgetragen.
Schon dieses Jahr wird unter dem Strich ein klarer Firmenwert stehen. Das war eines von Pfefferers Zielen, denn die Wertermittlung ist Teil einer geordneten Übergabe, die nächstes Jahr mit der Gründung einer GmbH begonnen und am 1. Januar 2014 mit dem Verkauf von Anteilen juristisch abgeschlossen werden soll.
Im Crashkurs zum Chef
Und noch eine Lektion musste Pfefferer vor drei Jahren lernen, nämlich dass einer den Hut aufhaben und das Boot steuern muss. Für jemandem, der eher im Kollektiv denkt und statt „ich“, „man“ sagt, für den Mitarbeiter und Mitbewerber gleichermaßen in erster Linie „Kollegen“ sind, für so einen ist das keine einfache Lektion. „Man muss ja erst mal lernen, Chef zu sein“, sagt der Baumexperte dazu selbstkritisch. Man müsse es schaffen, in einer positiven Art den Frust mit sich selbst auszumachen und den Leuten gegenüber motiviert und offen zu bleiben, meint er. „Das ist vielleicht auch etwas, was man im Alter erst richtig beherrscht, dass die Kollegen es so wahrnehmen“, fügt Pfefferer an. „Ich habe in den letzten Jahren begriffen, dass Führung sein muss. Die brauchen den Kopf“, hat der Unternehmer erkannt. Das sei die Aufgabe gewesen, die ihm die größten Schmerzen bereitet hat; das Hineinwachsen in diese Führungsrolle. „Aber je mehr ich das angenommen habe, desto ruhiger wurde das Fahrwasser, in dem der Betrieb gesegelt ist“, ist sein Resümee.
Partnerschaftlicher Führungsstil und flache Hierarchien seien immer ein Markenzeichen gewesen, meint Pfefferer. Das ist auch heute noch so. Aber in der Vergangenheit ist der Chef vielleicht auch etwas zu locker mit dem Laissez-faire seiner Mannschaft umgegangen: „Vor 2007 war das eine lustige Truppe. Für die Vesperpause haben die auch gerne schon mal ein Café aufgesucht“, erzählt Pfefferer mit einem Grinsen. Und auch hier hat sich viel verändert. „Der wesentliche Faktor war die Denke“, sagt der Unternehmer. „Die Mitarbeiter denken heute betriebswirtschaftlicher.“ Das habe die Fehlzeiten reduziert und die Abläufe verfeinert und am Ende eben für mehr Ertrag gesorgt. „Ich kontrolliere nach wie vor nicht die Stunden. Die müssen wissen, dass wir im Wettbewerb stehen und die müssen moralisch vor sich Rechenschaft ablegen“, beschreibt Pfefferer seine Überzeugung. „Ich denke, ich bin damit erfolgreich.“
Am Stellenwert der Mitarbeiter im Unternehmen hat sich mit der Unternehmensberatung ohnehin nichts geändert. „Wir haben eine super Teamstruktur. Das war der Hauptfokus und dem hat man das Betriebswirtschaftliche untergeordnet. Das tun wir auch heute noch“, sagt Pfefferer. Und vor allen Dingen: Die Sicherheit gehe vor. „Da kann jeder morgens oder auch während der Arbeit sagen, mir ist schwindlig, oder mir ist nicht gut – aus welchem Grund auch immer, da sind wir alle Mensch, und bevor ich mich da auf den Baum hänge und runterfalle, bleibe ich hier“, ist sein Credo.
Gute Mannschaft, gute Aufträge
Der gute Mannschaftsgeist hat auch viele gute Mitarbeiter angezogen, die sich in der flachen Hierarchie der Baumkultur wohlfühlen. Die Fluktuation ist gering. Vor Kurzem hat er zwar einen seiner besten Mitarbeiter an den Kollegen Willibald Grasmaier aus Lauf verloren. Den zog die Liebe nach Franken. Dafür hat er von den Stuttgarter Blattwerkern eine zukünftige Führungskraft gewonnen, die deren Chef, Hartmut Bremer, auch nur ungern hat ziehen lassen. Aber irgendwie bleibt es ja in der Familie und zum guten Führungsstil gehört auch, dass man seinen Mitarbeitern die Chance zur Entwicklung lässt – selbst wenn das manchmal jemanden aus der eigenen Firma wegführt.
Das Büro teilt sich Pfefferer mit dem Forstassessor Harald Jetter. Die beiden kümmern sich um die Akquise und teilen sich die Kunden dabei auch regional auf. Ihre Aufgabe ist es auch, die zum Teil kleinen Aufträge so einzuteilen, dass sie sinnvoll abgefahren werden können – auch ein Ergebnis der Unternehmensberatung. Die ein bis drei Mitarbeiter umfassenden Trupps besuchen bis zu drei Baustellen am Tag. Derzeit sind sie zu siebt draußen. Demnächst soll ein achter Mann dazukommen. Drei Fachagrarwirte und ein Tree Technician befinden sich in Fortbildung.
Und diese Mitarbeiter sind in ein Gedankenkonzept eingebunden. „Der Begriff „Baumkultur“ beinhaltet nicht nur die Kultur am Baum, sondern auch gute Arbeit am Kunden. Dazu braucht man motivierte Mitarbeiter“, ist der Unternehmer überzeugt. Und da werde es jetzt von der Philosophie langsam rund. Baumkultur beinhalte eine Betriebskultur, eine Mitarbeiterkultur und eine Kundenkultur. „Wenn das dann alles mit der Erfahrung des Kopfes einhergeht, der das zulässt, der das einfordert, der das dann auch noch stimmig betriebswirtschaftlich darstellt, dann kann man glücklich sein“, philosophiert der Süddeutsche mit einem Schuss Selbstironie. Das seien ganz simple Gesetzmäßigkeiten. „Aber die im Alltag die ganze Zeit darzustellen, das ist die hohe Kunst.“
Eigenes Marktpotenzial
Meistens gelingt es aber und unter anderem deshalb graue ihm vor einer möglichen Krise bei den Kommunen nicht, meint Pfefferer schmunzelnd: „So, wie unser Telefon läutet, machen wir bestimmte Dinge offensichtlich richtig.“ Man habe es relativ erfolgreich geschafft, von der rein kommunalen Ausrichtung auf 60, 70 % öffentliche Aufträge runterzukommen, erzählt der Unternehmer. Gleichzeitig seien private Auftraggeber, Landschaftsarchitekten und die GaLaBau-Kollegen als Kunden wichtiger geworden. Da habe auch die Arbeit als Regionalvorsitzender für den VGL Baden-Württemberg geholfen. Im Gegenzug profitieren die GaLaBau-Kollegen auch schon mal von der zunehmend privaten Nachfrage bei Pfefferer, für den das fachliche Begleiten der Planungsarbeit für Architekten, Baumschutz auf der Baustelle sowie Baufeldräumung zunehmend zum Portfolio gehören. „Wir sind jetzt noch nicht beim Rasenschneiden und Staudenpflegen – aber wir machen schon auch die Sachen, die man früher vielleicht noch ein bisschen hochnäsig abgelehnt hat“, gibt Pfefferer zu; etwa Heckenschnitt, Sträucher zurücknehmen, Obstbäume schneiden. Die kleine Werbeagentur von Sabine Bieg in Schliengen ( http://www.brainstorm-werbeagentur.de ) hat der Baumkultur eine freche Anzeigenkampagne konzipiert, mit der die Müllheimer in lokalen Anzeigenblättern und auf der Webseite werben; mit Schaltplan und Motiven passend zur Saison. Mit dem Slogan „Schnittiges Früchtchen“ und dem Motiv Kirschen etwa wirbt die Firma für die Dienstleistung Obstbaumschnitt.
Damit Pfefferers Leute nicht nur mit Platane, Kastanie & Co. umgehen können, schult Hansjörg Haas, seines Zeichens Landschaftsarchitekt, Buchautor und Obstbauberater im Landratsamt Offenburg zwei, drei Mitarbeiter im Schneiden von Obstgehölzen. „Zur Baumkultur gehört auch die Obstbaumkultur; von der Olive bis zum Beerenstrauch“, ist der Unternehmer überzeugt.
Doch auch im klassischen Geschäftsfeld, der Baumpflege für Kommunen in der Region, ist Pfefferer nach wie vor gut im Geschäft. Allein sein Baumseminar, das er seit 1994 einmal im Jahr mit dem Gutachter Dr. Thomas Herdt in Müllheim anbietet, sorgt dafür, dass das Unternehmen nicht in Vergessenheit gerät. 60 Bauhofleiter und Stadtgärtner kommen jedes Jahr Ende Januar in das Markgräfler Städtchen und bekommen für einen überschaubaren Beitrag im Gartensaal des Landhotels „Alte Post“ gute Referate und mindestens ebenso gute Bewirtung. Dazu werden aktuelle Entwicklungen und Probleme diskutiert – ein Rundumpaket, das in Erinnerung bleibt.
Sauber geplant: Übergabe und Zukunftsvisionen
Ende des Jahres will Pfefferer endgültig die Weichen für eine Betriebsübergabe stellen. Schon seit über einem Jahr diskutiert der Unternehmer die Modalitäten und die zukünftige Rechtsform (GmbH oder Genossenschaft) mit seinen potenziellen Nachfolgern Harald Jetter, Marc Sacker und Valentin Dresely. Zum 31. Dezember wird es einen Schnitt geben, dann kauft eine GmbH den Gegenwert des Einzelunternehmens von Ulrich Pfefferer ab. Der ist dann zusammen mit den Nachfolgern als Gesellschafter an der neuen Firma beteiligt. Drei Jahre später will Pfefferer seinen Firmenanteil an die übrigen drei verkaufen. Aufhören will er dann aber noch lange nicht; aber mal wieder mehr Zeit für sich und seine Frau, Hobbys und Kultur sowie für ehrenamtliche Tätigkeiten haben. Auch seine ehemaligen Mitarbeiter will er weiter beraten, als Grandseigneur den Kontakt zu Kunden intensivieren und vielleicht sogar mal wieder auf Bäume steigen. Denn die Arbeit im Feld ist im Verhältnis zur Büroarbeit in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen.
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