Auch in der Nische kann es schön sein
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Die 3 000-Einwohner-Ortschaft Tröglitz hat gerade keinen guten Ruf. Anfang April hatte ein Brandstifter ein Haus angezündet, in dem Flüchtlinge untergebracht werden sollten, nachdem die fremden- und demokratiefeindliche NPD wochenlang gegen die Unterbringung protestiert hatte und der Bürgermeister unter dem Druck des Mobs zurückgetreten war. Brand und Rücktritt haben dem Ort eine Aufmerksamkeit beschert, über die sich die meisten Einwohner kaum freuen dürften.
Thomas Bode kennt Tröglitz ganz anders. Für ihn ist die Gemeinde Elsteraue, zu der der Ort gehört, in erster Linie ein guter Auftraggeber. Bode pflegt dort Straßenböschungen und andere Wiesenflächen. Dafür hat sich der 48-jährige Unternehmer ein schönes Spielzeug zugelegt: Der ferngesteuerte Böschungsmäher Spider ILD02 mäht Flächen mit einer Neigung bis zu 40° und schafft auf ebenem Grund 1 500 m² in der Stunde. Damit lassen sich auch die steilen Böschungen der durch die Gemeinde verlaufenden Straßen sicher mähen; für Bode ein gutes Geschäftsfeld in einer an Auftraggebern nicht gerade reich gesegneten Region. Neben der Gemeinde zählen auch andere GaLaBau-Betriebe zu seinen Auftraggebern – zum Beispiel die alpina AG, für die der Gartenbauingenieur auch nach seinem Studium schon als Subunternehmer gearbeitet hatte. Für die Brandenburger mäht Bode an prominenten Orten – etwa auf der Dauerbaustelle Flughafen BER oder der BuGa Havelland.
Doch das Potenzial sei noch viel größer: „Viele Gemeinden jammern, sie haben kein Geld und dann wird das Mähgut immer noch aufgenommen“, meint der Unternehmer. Die Vorteile der Mulchmahd hätten sich noch lange nicht herumgesprochen. Deshalb will er bei den Kommunen in der Region jetzt kräftig die Werbetrommel rühren.
Starker Preisdruck bei den Privatkunden
Bode selbst sitzt zwei Gemeinden weiter südlich, im Schulhaus eines kleinen Dorfes. Dorthin ist er nach dem Studium in Erfurt mit seiner Frau gezogen und dort hat er zusammen mit der Landschaftsarchitektin 1997 auch sein Unternehmen gegründet. Eine malerische Wohnlage für Menschen, die das Landleben lieben; für Unternehmer aber nicht unbedingt ein Platz an der Sonne; die Gegend ist dünn besiedelt, Garten hat für viele Bürger noch keine zentrale Bedeutung und bis zu den potentiellen Kunden in Gera, Jena oder Zeitz ist es ein gutes Stück zu fahren. Dazu gibt es Konkurrenten, die Betonsteinpflastern zum Discountpreis anbieten und Gartenarbeiten für 25 e machen; gern auch für weniger und dann gleich schwarz. Wie die Leute ticken, hat Bode bei einem kleinen und am Ende recht erfolgreichen Feldversuch getestet: Er ließ einen Beileger für die örtliche Zeitschrift drucken mit dem Angebot, 3 % Rabatt auf Gartenleistungen zu geben. „Die Leute sind auch nach 2 Jahren noch gekommen und haben gefragt: ‚Gibt’s den noch?“, erzählt der Unternehmer schmunzelnd.
Zwar bringen die Aufträge von Privat auch gutes Geld – der Umsatz ist aber im Vergleich zu anderen Regionen durchschnittlich deutlich geringer. Gartenanlagen von 20.000 oder 30.000 Euro sind schon groß. „Bei 40.000 ist hier Ritze“, meint der Gartenbauingenieur. Meist gilt es einzelne Gartenbereiche neu zu gestalten oder aufzuwerten beziehungsweise für ältere Kunden die Pflegeleistungen zu übernehmen. Für Bode, der als gelernter Baumschuler eine gute Pflanzenkenntnis hat und diese auch seinen Azubis zu vermitteln versucht, sind die pflanzenbetonten Leistungen ein willkommenes Geschäft. „Doch davon kann ich nicht leben“, sagt er. Für Bode hieß das: Nischen suchen.
Über die Gartendenkmalpflege in die Nische
Doch um sich dem Wettbewerb mit Hausmeisterdiensten und Leistungs-Discountern zu entziehen, hat der gebürtige Thüringer sich auf andere Bereiche gestürzt. Eigentlich fing es 2010 mit einem Auftrag für Naumburg an. Die 1 000-jährige Domstadt wollte sich für das Weltkulturerbe bewerben und ließ den Garten des bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts begonnenen Doms wieder herrichten – für Bode der erste Auftrag in der Gartendenkmalpflege und zugleich eine neue Leidenschaft. Denn der Unternehmer entdeckte, dass ihm das Bauen in historischer Umgebung besonderen Spaß macht. „Man findet ja immer etwas und muss ein waches Auge darauf haben, wann das Denkmalamt eingeschaltet werden muss.“ Und auch Sensibilität sei gefragt, wenn zum Beispiel auf ehemaligem Friedhofsterrain gearbeitet werde. „Das ist mit Tiefbauern manchmal etwas schwierig“, sagt Bode grinsend. „Man bekommt da auch ein bisschen Ehrfurcht“, sagt er. „Wir haben Mauern repariert, die sind 450 Jahre alt.“ Es sei wunderbar zu sehen, dass diese halten, ohne dass beim Bau die Normen eingehalten worden seien, die wir heute haben, sagt der Unternehmer mit einer deutlich wahrnehmbaren Spur von Ironie in der Stimme.
Für die Leistungen rund um die historischen Mauern hat er sich mittlerweile einen guten Ruf erarbeitet und kann in diesem Bereich auch bei öffentlichen und quasi-öffentlichen Aufträgen – wie zum Beispiel der Kirche – punkten. Die Sanierungsfälle gehen schon deshalb nicht aus, weil das Saale-Unstrut-Gebiet eine namhafte Weinbauregion ist; mit vielen erhaltenswerten Mauern und zahlreichen historischen Gebäuden. Im Mai haben seine Leute die „Hohe Brücke“ in Merseburg fertiggestellt – auch so ein historischer Sanierungsfall und eine der ältesten Steinbrücken in Europa.
Doch meist baut der Unternehmer ohne Altlast der Geschichte – aber oft mit den alten Steinen der Region, Sandsteinen aus dem Trias oder dem Freyburger und Naumburger Schaumkalk und sehr häufig auch für private Bauherren. Viele der Brüche existieren heute nicht mehr und so ist Bode auf Recyclingmaterial angewiesen. „Wir arbeiten fast nur mit Altmaterial“, erzählt er. Über einen Abbruchunternehmer und ein Netzwerk besorgt er die Steine. Gerade verhandelt er mit einer Kommune über eine riesige Position alter Steine: „Wenn wir die bekommen, hätten wir nachschubmäßig erst mal ausgesorgt“, sagt Bode lachend. Von seinem Betriebshof auf dem Gelände einer ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) kann er das Material zu den Baustellen verfahren.
Und, wie sieht es jetzt mit dem Nachwuchs aus?
Wo die Kundendichte gering ist, fehlt es oft auch an Nachschub an Fachkräften. Deshalb kann der Unternehmer, was die Ausbildung anbelangt, ebenfalls nicht wirklich aus dem Vollen schöpfen: „Wo ich früher zehn Bewerbungen hatte, sind es vielleicht heute noch drei“, erzählt er. Und wenn es früher noch ein Vorteil war, dass die jungen Leute auf dem Land groß geworden sind und „schon mal eine Schaufel gesehen haben und sogar wissen, wie man sie anfasst“, wie Bode schmunzelnd sagt, so ist der Standort auch dort ein Nachteil – wenig Bewerber, wenig Auswahl. „Wir merken gerade bei der Generation, die in meinem Alter ist und wo die Menschen nach der Wende in den Westen gezogen sind – die Kinder sind nicht da; deren Kinder fehlen“, meint der Unternehmer. Es sei zwar ein schöner Beruf. „Aber wenn ich in Leipzig bei BMW oder Porsche arbeiten kann und das Doppelte verdiene – da kann man sich doch vorstellen, was die machen.“ Mit Schülerpraktika und dem Versprechen, eine Ausbildung mit Perspektive in freundschaftlicher Umgebung zu machen, versucht Bode, junge Menschen ins Unternehmen zu locken.
Die Anforderungen, die viele Kollegen an den Nachwuchs haben, hält er für übertrieben und auch mit der Nachwuchskampagne des Verbands wird er nicht so recht warm: „Man muss sich doch erstens fragen: Wann schneiden wir Buchshäschen? Und als Zweites: Will man jemanden haben, der Buchshäschen schneidet – und was hat der noch für dunkle Geheimnisse?“, sagt Bode lachend über die klinische Plakatwerbung für die Ausbildung.
Vielleicht wird man genügsamer, wenn man in einer Mangelsituation ist. Vielleicht passt es aber auch zur Unternehmerpersönlichkeit, dass er auch Menschen eine Chance gibt, die nicht dem Werbeprospekt für Azubis entsprungen sind. Auch unter seinen Mitarbeitern sind bunte Erwerbsbiografien – wie das heute so schön heißt. Da haben sich ein Werkzeugmacher und ein Fliesenleger zu wertvollen Mitarbeitern gerade bei den Nischenleistungen entwickelt.
Ein bescheidenes, verlässliches Auftreten. Das Versprechen, sich für die Leistung voll einzusetzen und sich nur das bezahlen zu lassen, was auch erbracht worden ist. Das sind die Dinge, die Bode zwar keine Reichtümer garantieren, aber gute Kunden und treue Mitarbeiter. Und damit ist der Unternehmer ganz offensichtlich zufrieden.
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