Denkanstoss: Probleme sind zum Teil hausgemacht
Unser Technik-Fachmann Ekkehard Musche, selbständiger Motorist und Fachhändler, hat seine Gedanken zur Corona-Krise und ihren Auswirkungen zu Papier gebracht. Er bezieht sich vor allem auf die Zulieferindustrie. Darin schwingt die Hoffnung mit, dass diese schwere Zeit am Ende auch Gutes bringen wird – zumindest Lerneffekte.
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Wenn so eine weltweite Krise grassiert, machen sich Fehleinschätzungen in gesamtwirtschaftlichen, einzelbetrieblichen und privaten Abläufen besonders massiv bemerkbar. Das betrifft zum Beispiel den Warenverkehr. Von einem Tag auf den anderen sind alltägliche Waren nicht mehr problemlos erhältlich. Das betrifft nicht nur Toilettenpapier, Nudeln, Desinfektionsmittel oder Schutzmasken, sondern auch Mörtel, Maschinen und Geräte, einzelne Baugruppen oder Ersatzteile. Jahrzehntelang wurde im Überfluss gelebt, Produktionen wurden aus Kostengründen ausgelagert, damit die Fertigungstiefe ausgedünnt sowie Lagerbevorratung und Wiederaufarbeitung vernachlässigt. Auch im Privatem wurde nur das gekauft, was in den nächsten 48 h benötigt wurde. War ja immer alles da.
Die globale Produktion hat dazu geführt, dass etliche Hersteller nur noch Montagebetriebe sind, bei denen die von dutzenden Zulieferbetrieben geschickten Einzelteile zusammengeschraubt werden. Wenn da dann ein Teil fehlt, stockt die ganze Fertigungslinie. Lieferanten hängen in der Luft, weil die Containerschifffahrt stockt oder Zulieferer nicht oder nur begrenzt arbeiten können. Andere Hersteller lassen ihre Produkte komplett in fernen Ländern fertigen und mit ihrem Markenlabel bekleben. Die Produktion konzentrierte sich mehr und mehr auf einige wenige weit entfernte Hersteller. Hersteller mit einer hohen Eigenfertigungstiefe vor Ort und Partnern aus der Nachbarschaft haben weniger große Probleme. Kurze Kommunikations- und Transportwege, flexible Fertigung und schnelle Anpassung an geänderte Gegebenheiten sind hier Vorteile.
Wer sich bisher nur auf eine oder wenige Bezugsquellen, Finanzpartner, Einnahmebereiche oder ein bestimmtes Kundenklientel verlassen hat, gerät ins Trudeln. Dieses Phänomen nennt man auch Klumpenrisiko; es bedroht Existenzen und strapaziert Beziehungen. Das betrifft Ein- und Verkauf, den Dienstleistungsbereich und auch die eigenen Fertigkeiten. Ein weiteres Beispiel ist der Ausgangsmaterial- und Servicebereich. Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sind viele Reparaturbetriebe zu Bauteiletauschern mit geringstmöglicher Lagervorhaltung geworden. Gebrauchte funktionstüchtige Ersatzteile wanderten in die Schrottkiste. Das eigentliche Reparieren fand kaum noch statt. Das ist auch eine Folge der auf den Markt geworfenen Konstruktionen, die es weder technisch noch ökonomisch erlaubten, sinnvoll repariert zu werden. Da wurden vormals auswechselbare Einzelteile einfach zusammengeschweißt, verlötet oder verklebt sowie Einzelelemente von Baugruppen nicht mehr als Ersatzteile angeboten (Starter, Vergaser, Getriebe).
Wir alle haben verlernt und den Kopf in den Sand gesteckt, wenn es darum ging, Vorsorge zu treffen, nachhaltig zu handeln und demütig mit dem umzugehen, was vorhanden ist.Einfache handwerkliche, hauswirtschaftliche, gärtnerische, pädagogische und emotionale Fähigkeiten und Tätigkeiten wurden vernachlässigt, verschüttet oder vergessen. Es waren ja immer andere da, die uns das abgenommen haben.
Langjährig gewachsene Kunden-, Finanz-, Lieferanten- und Privatbeziehungen werden jetzt auf eine harte Probe gestellt. Das ist Klumpenrisiko fällt uns allen jetzt schmerzlich auf die Füße.Jetzt wird gejammert, dass die Saisonkräfte, die aus ärmeren Ländern sonst zum Spargelstechen, Erdbeerenpflücken oder Pflanzensetzen kommen, nicht mehr ins Land gelassen werden. Es wird gezetert, dass die Regierung nicht in der Lage ist, genug Hygienematerialien aus Fernost (die der Rest der Welt mindestens genau so dringend wie Deutschland benötigt) heranzuschaffen. Was für ein Drama? Selbst gemachtes Leid.
Nun werden wir einmal erfahren, was es heißt, mit weniger auszukommen, gerechtere Preise zu zahlen und sich mal wieder selbst zu bücken, um etwas Schmackhaftes und Gesundes auf dem Tisch zu haben. Vielleicht birgt diese schreckliche Virusepidemie ja auch eine Chance, sich wieder mehr auf sich und seine Mitmenschen zu besinnen, anzuerkennen, was andere für uns leisten und was jeder Einzelne dafür tun kann, damit es auch denen besser geht, die in wirklicher Not sind. Eigenintiative und Alternativen sind gefragt.
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