„Heute noch ein gedrucktes Magazin? Gerade heute!“
Viele Medien sind im Umbruch. Das Gut „Information“ ist digital geworden – auch in der Fachwelt. Susanne Wannags hat mit Tjards Wendebourg gesprochen, weshalb der Ulmer-Verlag ganz bewusst auf das traditionsreiche Fachmagazin in gedruckter Form setzt.
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Susanne Wannags: Alles spricht von Digitalisierung – da wirkt eine gedruckte Fachzeitschrift fast ein bisschen aus der Zeit gefallen – findest du nicht?
Tjards Wendebourg: Trotz aller Wege in die Digitalisierung ist das Papier nicht weniger geworden. Das hat seinen Grund. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie muss den Menschen dienen, muss Abläufe erleichtern. Außerdem verläuft sie ganz unterschiedlich. Sie sollte sich an Zielgruppen und ihren Gewohnheiten orientieren. Im Landschaftsbau wird trotz aller technischer Entwicklung immer noch mit den Händen gearbeitet. Da gehört das Blättern in einer Zeitschrift mehr zur Gewohnheit als das Wischen optisch winziger Smartphone-Inhalte. Ganz nebenbei sind wir immer noch alle haptische Wesen und wertschätzen die Dinge, die wir anfassen können, stärker als flüchtige digitale Inhalte.
Aber spätestens mit der nächsten Generation sind diese Erfahrungen doch Geschichte ...
Wie die Entwicklung weitergeht, ist ja längst noch nicht ausgemacht. Aber schon jetzt kann jeder DEGA digital konsumieren. Das Abo gibt es als ePaper in der Kiosk-App oder über den Abo-Zugang auch auf der Webseite. Die große Mehrheit nutzt weiter Print.
Findest du denn überhaupt ein Magazin noch zeitgemäß und glaubst du, dass die Jüngeren noch ein Abo kaufen?
Sagen wir mal so: Nie gab es mehr Information, und nie war es schwerer, diese zu filtern, zu sortieren und auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen. Die fachjournalistische Arbeit ist wichtiger denn je – denn sie wählt aus, priorisiert, setzt aktuelle Themen und schafft Verantwortlichkeit und Vertrauen. Letztlich ist DEGA als Zeitschrift ja auch nur die Spitze des Eisbergs; die haptische Krone auf einem Informationsnetzwerk aus digitalen Inhalten, das sich dafür einsetzt, die unterschiedlichen Menschen, die am Erfolg unserer Branchen beteiligt oder für ihren Erfolg wichtig sind, zusammenzubringen. Gleichzeitig steht DEGA für die Weiterentwicklung der Branche und für das Lösen von Problemen.
Wie kann eine Fachzeitschrift Probleme lösen – außer über Anleitungen, wie man etwas richtig macht?
Auf der einen Seite sind es tatsächlich Anleitungen und Hilfestellungen, die wir der Branche und den Menschen, mit denen die Branche arbeitet – zum Beispiel als Auftraggeber – zur Verfügung stellen; in Zukunft auch sehr stark in Form digitaler Checklisten. Auf der anderen Seite sind es konkrete und aufwendige Produkte. Als es darum ging, 2015 viele Zuwanderer zu integrieren, haben wir als Redaktion mit viel Aufwand das interaktive GaLaBau-Bilder-Wörterbuch (iGBW) entwickelt, das Fachsprache im Bilder-Kontext auch über das Smartphone erlernbar macht, gesteuert über QR-Codes. Das Konzept ist in dieser Form bis heute einmalig. Als die Kies- und Schotterwüsten überhandnahmen, haben wir mit #DerKiesmussweg ein Beratungstool entwickelt, das auch in den Kommunen eingesetzt werden kann. Als sich der Fachkräftemangel abzuzeichnen begann, haben wir 2006 die Plattform gruenerstellenmarkt.de aufgesetzt. Immer geht es darum, Probleme über einen längeren Hebel zu lösen. Viele andere Dinge passieren hinter den Kulissen; ganz viel in der SocialMedia, die allein bei DEGA auf elf Kanälen bespielt wird.
"Die fachjournalistischeArbeit ist wichtiger denn je – denn sie wählt aus, priorisiert, setzt Themen und schafft Vertrauen."
Aber wenn alles im Netz ist – weshalb dann noch ein gedrucktes Fachmagazin?
Weil Quantität noch nicht mit Nutzen gleichgesetzt ist. Auch für alle, die Medien machen, wird in Zukunft nicht entscheidend sein, an Informationen zu kommen, sondern des Stroms der Informationen Herr zu werden. Für unsere Leserinnen und Leser hatte das Aufkommen der Netzwerke einen Riesenvorteil: Wir haben immer mehr erfahren und immer mehr und immer schneller Handelnde in der Branche kennengelernt. Die Informationen haben wir sortiert, zusammengestellt und für die Abonnenten nutzbar gemacht. So bequem Wissen zu nutzen, geht nur über ein Magazin – behaupte ich jetzt mal.
Digitale Inhalte im Print nutzbar machen – das musst du erklären.
Der Strom der Information ist schnell und unendlich. Wir filtern die Sachen heraus, die für einen größeren Kreis unserer Abonnenten relevant sein könnten. Entweder verknüpfen wir sie direkt über QR-Codes, sodass man mit dem Smartphone gleich an die Stellen springen kann, wo die Informationen abgelegt sind. Das ist sehr bequem und macht auch Spaß – unter anderem, weil man dort viel mehr Dinge zu einem bestimmten Sachverhalt zusammenstellen kann, als in einem Magazin stehen können. Besonders schön ist zum Beispiel, wenn man sich eine Maschine aus dem Magazin auf dem Smartphone in Aktion anschauen kann oder ein Unternehmen sich persönlich in einem Imagevideo vorstellt. Andererseits nutzen wir viele Informationen oder Problemstellungen, auf die wir aufmerksam werden, um sie in Beiträgen zu bearbeiten, die dann wieder den Leserinnen und Lesern zugutekommen.
Werden die QR-Codes denn überhaupt genutzt?
Diese Frage hat sich mir nie gestellt. Der QR-Code ist die am besten eingeführte Print-Online-Schnittstelle; und wenn die Menschen erst einmal gemerkt haben, dass der Fotoapparat ihres Smartphones oder ihres Pads – und das können demnächst alle Geräte – die Codes automatisch liest und die dazugehörigen Links aufruft, wird es zu einer Routine. Das war einfach eine Frage der Technik und der Gewohnheit. Bis die Codes selbstverständlich genutzt werden, schaffen wir ein Angebot, einen Mehrwert, den jeder für sich erschließen kann, aber nicht muss, wenn er nicht will. Das Konzept funktioniert auch ohne. Die Neugierigen und Wissbegierigen werden uns die Möglichkeit danken. Ganz nebenbei: Wir haben auch noch Webcodes, die über Rechner oder Laptop genutzt werden. Die sind im ePaper gleich über einen Hyperlink verknüpft.
Soll dann das Magazin etwa die Social-Media ersetzen?
Ganz bestimmt nicht. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie viel digitale Netzwerkarbeit er betreiben möchte. Wir bieten aber die Möglichkeit der Entschleunigung. Bei uns verpasst man zumindest keine Information, selbst wenn man nicht auf Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn oder Xing unterwegs ist. Ich gebe aber zu bedenken, dass aktive Netzwerkarbeit, wenn sie zielgerichtet organisiert ist, ganz viele Möglichkeiten für das eigene Geschäft mit sich bringt. Da kann das Magazin auch das Initial liefern, damit loszulegen.
Einige Magazine bieten ihren Lesern zur Print-Online-Verknüpfung noch digitalen Mehrwert im Netz. Soll der Inhalt der Website, der momentan vor allem eine News- und Archivfunktion hat, ebenfalls ausgebaut werden?
Auf jeden Fall. Wir werden großen Wert darauf legen, Informationen so abzulegen, dass man zu jeder Zeit Alltagsprobleme lösen kann – etwa als Checklisten für die Kundenberatung und die Arbeitsvorbereitung oder als Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Tutorials. Das wird ein Mehrwert sein, den unsere Leserinnen und Leser im Rahmen unseres „Fachinformationsangebots (FIA)“ nutzen werden können.
Aber jetzt mal Hand aufs Herz – wie lange wollt ihr denn noch ein gedrucktes Magazin machen?
Auch diese Frage stellt sich mir nicht. Letztlich ist es egal, ob DEGA gedruckt erscheint oder digital. Ich glaube, wir haben auch viele Abonnenten, die ganz bewusst weniger digital sind und ein gedrucktes Magazin zu schätzen wissen. Solange die Nachfrage da ist, drucken wir auch.Grundsätzlich zählt aber der Inhalt und nicht das Medium. DEGA wird zu etwa gleichen Teilen von Abonnenten und Anzeigenkunden finanziert. Alle drei Magazine der Familie funktionieren als unabhängige Netzwerkmedien mit einer sehr starken eigenen Intention und dem Willen, Glaubwürdigkeit zu gewährleisten und die Branche weiterzuentwickeln. Wir sind ja immer auch Ideengeber. Ganz nebenbei: Mir gefällt das Modell der Presse als „vierter Gewalt“. Man kann es auch auf eine Branche herunterbrechen. Und ich habe mit Erschrecken verfolgt, wie die Verantwortung, die mit dieser Rolle einhergeht, sowohl in den Publikumsmedien, aber auch in der Fachpresse mit Füßen getreten wird. Die Glaubwürdigkeitskrise der Medien im Allgemeinen hängt stark mit dieser vernachlässigten Verantwortung zusammen. Daran wollten und werden wir uns nie beteiligen.
"Wer sich weiterentwickeln möchte und Teil derBranche ist, sollte sich das Abo einer Fachzeitschrift leisten."
Gut. Gedruckt oder digital – was erwartet die Leserinnen und Leser denn nun mit dem neuen DEGA?
Eine mit Lust, Leidenschaft und Verantwortungsbewusstsein gestaltete Fachzeitschrift, die nicht nur informieren, sondern auch Spaß machen soll, Gemeinschaft und Sicherheit schafft. Das neue Heft ist deutlich digitaler, das heißt mit deutlich mehr Schnittstellen zu digitalen Inhalten versehen. Magazin und Smartphone wachsen zusammen. Das macht Spaß und erleichtert das Aufrufen von Inhalten. Sie können Bücher bestellen, Normen kaufen, Infoblätter herunterladen oder sich zu Terminen anmelden – alles via Smartphone aus dem Magazin heraus. Gleichzeit ist die Schrift etwas größer und damit lesefreundlicher geworden. Dazu mehr Bilder, mehr Abläufe in Handlungsschritten, mehr Tutorials.
Muss man als Gärtner Abonnent sein?
Was soll ein Chefredakteur da sagen? Ja, natürlich. Wer ein seriöses Geschäft betreibt, sich weiterentwickeln möchte und von seinem Selbstverständnis her Teil der Branche ist, sollte sich für sich und seine Mitarbeiter das Abo einer Fachzeitschrift leisten. Mal abgesehen davon, dass Unternehmerinnen und Unternehmer die Umsatzsteuer eh zurückerstattet bekommen und die Stellenanzeige, die jeder Abonnent im Jahr frei hat, schon so viel wert ist wie das gesamte Abo, bieten das Magazin und das dazugehörige Archiv so viel Mehrwert, dass es zu jedem Unternehmen dazugehören sollte. Das Nutzen einer seriösen Fachzeitschrift ist ja – ähnlich wie eine Verbandsmitgliedschaft – auch so ein bisschen ein Indiz für eine gewisse Ernsthaftigkeit, mit der man sein Geschäft betreibt.
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