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2. Osnabrücker Baubetriebstage

Das „Win-win“ im Mittelpunkt

Zum zwölften Mal ist es Prof. Dr. Martin Thieme-Hack und seinem Team gelungen, mit einer glänzenden Choreografie die Besucher zu begeistern. In Sachen Themenfindung, Referentenauswahl und Moderation macht dem Hochschullehrer so schnell keiner etwas vor. Unter dem Motto „… dann sehen wir uns vor Gericht!? Wege zum kooperativen Bauen“ hatten die Osnabrücker am 16. und 17. Februar in die Hochschule eingeladen.

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Prof. Martin Thieme-Hack
Prof. Martin Thieme-HackTjards Wendebourg
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„Ich wünsche mir eine Wirtschaftswelt, wo Fairness wieder etwas gilt“, sagte Diplompsychologe Andreas Steinhübel zu Beginn der Veranstaltung und gab damit auch das Motto der meisten Vorträge vor. Mit Offenheit, Wertschätzung und eben Fairness ließen sich auf der Baustelle viele Konflikte und erst recht teure Prozesse vermeiden. „Wenn Sie die Chance haben, etwas auf der ersten Ebene zu lösen, dann tun Sie das“, lautete Steinhübels Plädoyer.

Um das Gelingen zu erleichtern, stellte Martina Pütz, Fachfrau für Kommunikation aus Köln, ihren „Universalschlüssel für Gesprächs-Baustellen“ vor, den sogenannten „Dreiklang +1“ aus Selbstoffenbarung („Ich spreche bewusst aus meiner Perspektive“), offenen Fragen (z. B. „Was ist Ihre Meinung dazu?“) und einer Nutzen-Argumentation (erst im dritten Schritt wird argumentiert). Es sei eine Haltung, für etwas zu sein und für alle etwas zu wollen. „Machen Sie es für das Gegenüber kostbar und köstlich“, war ihr bildlicher Vorschlag an das Publikum. Wir hätten so viel Gestaltungsmacht, das Gespräch positiv zu beeinflussen, dass wir uns nicht streiten müssten.

Mit dem Dürrenmatt-Zitat „Die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zugang hat“, warb Antonius Fahnemann für die Mediation als Alternative zum Gerichtsverfahren; wenn man sich doch mal streiten muss. Der Osnabrücker Landgerichtspräsident a. D. war 2009 schon einmal da (dega3906) und stellte fest, dass es in Deutschland immer noch nicht Trend ist, sich außergerichtlich zu einigen. Dabei sei zum Beispiel eine Mediation nach dem 5-Phasen-Modell (Auftragsklärung, Entwicklung der Themenbereiche, Konfliktbearbeitung, Problemlösung, abschließende Vereinbarung) eine gute Alternative. Mediation gehe von den Positionen der Parteien zu den Bedürfnissen der Parteien. Ein Mediator sei nicht unparteiisch, sondern allparteilich.

Auch der Ansatz von Prof. Dr. Petra Mieth ist es, auf Kooperation statt Hierarchie zu setzen. Sie lehrt an der Fachhochschule Lübeck Baumanagement und bringt den Studenten gegenseitige Akzeptanz aller Baubeteiligten bei. Mit Übernahme der Verantwortung für das eigene Handeln und Konfliktmanagement ließen sich Baustellen gut handeln. Dabei seien gute Partner die wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung und den Abschluss von Bauprojekten. Und gute Partner würden auf Augenhöhe agieren.

Rüdiger Hustedt, Vorsitzender Richter am Landgericht a. D. und Vorsitzender der Niedersächsischen Bauschlichtungsstelle, wunderte sich ebenfalls, dass es so wenig außergerichtliche Verfahren gibt. Es gab bei der Nds. Bauschlichtungsstelle in 2017  18 Anträge, aber in nur 12 Verfahren die jeweilige Zustimmung des Gegners zum Schlichtungsverfahren. Von diesen 12 Verfahren konnten 10 mit einem Vergleich erfolgreich beendet werden. Dass dabei die öffentliche Hand so selten die Schlichtung nutzt, sei auch darauf zurückzuführen, dass ein Gerichtsurteil selten auf den Einzelnen zurückfällt. „Die lassen es deshalb lieber auf ein Verfahren ankommen“, meinte Hustedt. Weshalb denn die Richter nicht häufiger einen Ortstermin anberaumen würden, wollte Thieme-Hack in der Diskussion wissen. Schließlich würden die Verfahren seiner Erfahrung nach dann immer einen schnellen Verlauf nehmen. Zeitprobleme und Hemmungen sprächen in der Regel dagegen, erwiderte Hustedt.



Dr. Verena Stengel, Eigengewächs vom 2012 gegründeten Institut ILOS, oblag es, den Tag abzuschließen. Wertschätzung, Fairness und „Macht mit anderen“ seien die wichtigsten Faktoren, um am Bau Win-win-Situationen herbeizuführen. Denn: „Konflikte seien der tragische Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse“, zitierte die Referentin den US-Psychologen Marschall B. Rosenberg. „Ich bin ok, Du bist ok“ sei ein wichtiger Merksatz der Konfliktprävention.

Wer nach dem obligatorischen „Baubetriebstreff“ in der Brauereigaststätte „Rampendahl“ am nächsten Morgen Schwierigkeiten hatte, zu folgen, wurde von Gerd Wittkötter mit einem packenden Porträt des Baus der Düsseldorfer Wehrhahnlinie und des Projekts Kö Bogen geweckt. Der Bauingenieur war vor Baubeginn aus dem Auftragnehmerlager auf die Auftraggeberseite gewechselt und hatte das Projekt für die Stadt Düsseldorf vorbildlich abgewickelt; so vorbildlich, dass es mit einem Preis der Ingenieursgesellschaft STUVA ausgezeichnet und von einer Kommission der Bundesregierung als vorbildlich für Großprojekte bezeichnet wurde.

Durch partnerschaftlichen Dialog von Auftragnehmer und Auftraggeber sowie Einbeziehung aller Betroffenen gelang es Wittkötter nicht nur, das Projekt termingerecht und budgetkonform abzuwickeln, sondern auch ohne den heute allseits gefürchteten Meinungssturm von Projektgegnern. Ehrliche Informationen an den Bürger über die gesamte Bauzeit von zwölf Jahren hinweg sei dabei der Schlüssel zum Erfolg gewesen. „Wir haben außerdem auf Teufel komm raus gefeiert. Das war für alle wichtig“, ergänzte er. Das habe sehr geholfen, die Akzeptanz zu finden.

Einen anderen Weg propagierte Jürgen Schwarz (dega3906) von baustellen-organisation.de. Er setzte mehr darauf, über Störungsmodifizierte Bauzeitenpläne, Störungsmeldungen (Behinderungsanzeige) und baubetriebliche Nachträge sowie den Vermögensvergleich mehr Geld aus den Aufträgen zu holen. Dabei zitierte er den Münchner Unternehmer Walter Habermayer, der überzeugt war, dass 10 % der erbrachten Leistungen nicht abgerechnet werden. Durch entschlossenes Auftreten und lückenlose Dokumentation seien diese bisher fehlenden Summen zu realisieren. Nach Win-win hörte sich das nur bedingt an.

Im Hinblick auf das neue BGB-Werkvertragsrecht, das nach Schwarz‘ Ansicht mehr Fragen als Antworten biete, riet er, auf die bisher unveränderte VOB/B zu setzen; „Aber bitte ohne Abweichungen.“

„Entschlossen ausgetragene Konflikte können auch zu besseren Lösungen führen“, zeigte sich Prof. Ludwig Schegk überzeugt und warb für mehr Streitkultur. Gerade im Bauwesen werde viel zu emotional reagiert, weshalb der Landschaftsarchitekt riet, Feinbilder und Klischees abzubauen. Außerdem warnte er vor dem „Fluch der ersten Zahl“. Eine leichtfertig zu Beginn genannte Bausumme könne einem bis zur letzten Abrechnung Stress machen.

Der Essener GaLaBau-Unternehmer Peter Knappmann hatte aus seinem Alltag einige Tipps für Prävention und Konfliktmanagement parat. So riet er den Kollegen, das Profil zu schärfen und sich auf Kernkompetenzen zu fokussieren. Gute Vorbereitung, Analyse der Positionen und Abwägung von Folgewirkungen seien wichtige Elemente des Umgangs mit Konflikten. Am Ende biete der Streit ja auch die Chance, die eigene Kompetenz zu erweitern und die Organisation zu optimieren. Ganz nebenbei zeige es beim Gegenüber eine unheimliche Wirkung, offen mit Problemen umzugehen.

Den Abschluss machten Fred Fuchs und Marie Muhr. Die Enkelin des ehemaligen BGL-Präsidenten Werner Küsters hat Psychologie studiert und sich in ihrer BC-Arbeit in Form einer Umfrage unter Unternehmern damit auseinandergesetzt, wie aus einer Anfrage ein Auftrag wird. Selbstbewusst als „Wissensgeschenk“ präsentiert, legte sie den Unternehmern im Privatgartengeschäft ans Herz, dem Kunden Sicherheit zu geben und sich als „grüner Superheld“ zu präsentieren. Sobald die Risikowahrnehmung steige, sinke das Vertrauen. Muhr empfahl, in die eigene Website und auch in Seiten wie Houzz oder Pinterest zu investieren. Fred Fuchs, dessen Firma Fuchs baut Gärten sich an der Umfrage beteiligt hatte, warb für die Edengärtner und mehr Emotion. Mit Blick auf das Düsseldorfer Projekt erinnerte er die Kollegen daran, dass für den Privatkunden die Gartenbaustelle wie eine U-Bahn-Baustelle sei. „Feiert’s mit Eure Kunden und feiert’s mit Eure Mitarbeiter!“, empfahl der Oberbayer mit Blick auf Wittkötters Vortrag.

Thieme-Hack blieb da nur noch zu resümieren, dass es mit einem Psychologen angefangen habe und mit einer Psychologin aufhöre. „Du bist ok, ich bin nicht ok – ich weiß nicht, ob das die Zusammenfassung ist“, meinte der Moderator und fand noch ein paar Worte des Abschieds für Evelyn Bleckmann, die die Veranstaltung „als Seele der Baubetriebstage“ zum letzten Mal organisiert hatte. Sie selbst hatte darum gebeten, nicht in die Öffentlichkeit gerückt zu werden.

Mit 250 Besuchern und gut 190 Gästen beim Baubetriebstreff war die Veranstaltung mehr als ausverkauft. Auch dieses Mal dürfte niemand den Besuch bereut haben.

 

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