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15. Osnabrücker Baubetriebstage 2023

Liegt die Zukunft in der Größe?

Nach zwei Jahre Pause kehrten die Osnabrücker Baubetriebstage auf den Campus Haste zurück – so, als sei nichts gewesen. Prof. Martin Thieme-Hack und Kai Breulmann konnten sich als Gastgeber über ein ausverkauftes Haus und gute Stimmung freuen. Das für 2022 geplante Programm entpuppte sich als äußerst zeitgemäß und spannend; der Themenmix kam gut an.

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BGL-Präsident Lutze von Wurmb zeigte, was der Verband für die Branche tut.
BGL-Präsident Lutze von Wurmb zeigte, was der Verband für die Branche tut.Tjards Wendebourg, Redaktion DEGA GALABAU
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Auch, weil es Thieme-Hack wieder gelungen war, in seinem erweiterten Freundeskreis eine Reihe hochkarätiger Referenten zu finden, die für einen weiten Blick über den Tellerrand sorgten.

Carl-Ludwig Thiele etwa, ehemaliges Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank ordnete die Zins- und Inflationsnachrichten in einen größeren Markt ein. „Prognosen in die Zukunft sind selbst für aktive und ehemalige Bundesbanker schwierig“, meinte der Jurist. Sein Vortrag wäre vor einem Jahr ein komplett anderer gewesen. Bisher sehe er noch kein Aufschaukeln von Löhnen und Preissteigerung (Lohn-Preis-Spirale), eher eine Lohn-Preis-Spirale. Er erklärte dem Publikum, dass im Unterschied zu FED, die Wachstum und Preisstabilität im Blick hätte, sich die EZB nur für die Preisstabilität verantwortlich fühle. Im März sei daher mit einer weiteren Zinsanhebung um 50 Basispunkte zu rechnen. Viele Experten würden aber mit einem baldigen (bis 2025) Absinken der Inflation Richtung EZB-Zielwert von 2% spekulieren. Das Kreditvolumen sinke aber bereits seit diesem Winter. Er riet den Unternehmerinnen und Unternehmern aber, sich nicht von den Schlagzeilen irritieren zu lassen und unverdrossen weiterzumachen.

Der Volkswirt Prof. Dr. Torsten Arnsfeld von der Hochschule Osnabrück bestätigte, dass es sich um eine angebotsinduzierte und keine nachfrageinduzierte Inflation handelt. „Da hat die EZB eigentlich gar nicht die richtigen Werkzeuge“, sagte Arnsfeld. Inflation habe natürlich auch ganz viel mit Preissteigerungsmitnahmeeffekten zu tun. Die Krise, in der wir aktuell sind, sei aber die größte seit dem 2. Weltkrieg. Die Geschwindigkeit der Transformationsprozesse werde dabei hoch bleiben. „Alte Weisheiten werden nicht mehr funktionieren, das muss man als Chance sehen“, riet der Hochschullehrer und wies dabei auf die psychologischen Effekte hin, die die Entwicklungen steuern. Lösungsbausteine lägen unter anderem in neuen Geschäftsmodellen und der Organisatonsstruktur. Das Mitnehmen eines Zweiten oder Dritten in die Entscheidungsfindung sei ein guter Ansatz, riet Arnsfeld und griff damit schon mal den Konzepten vor, die am zweiten Tag aus der Praxis kommen sollten.

Heinrich Weitz, Geschäftsbereichsleitung Wirtschaft, Recht und Digitalisierung vom Hauptverband der Deutschen Bauwirtschaft, hatte keine guten Nachrichten aus dem Bauhauptgewerbe. Steigende Belastungen der öffentlichen Haushalte, steigende Zinsen- und Materialkosten sowie der Mangel an Fachkräften werde die Bautätigkeit beeinträchtigen. Die Baupreise seien 2022 um 16% gestiegen und auch 2023 schon wieder um 6%. Die Prognose der realen Bauinvestitionen sei für 2023 negativ ( -2,4%), für 2024 werde wieder ein leichtes Plus von  +1,5% erwartet. Würde es so kommen, wäre das ein „Softlanding“: „Wir bekommen einen auf die Nase, aber es tut nicht so weh“, fasste Weitz seine Hoffnung zusammen.

Da klang es aus der grünen Branche schon ganz anders: Mit gewohntem Elan begeisterte GALK-Präsident Rüdiger Dittmar mit Konzepten für Leipzig, wo er seit 2015 das Amt für Stadtgrün und Gewässer führt. Die Stadt hat mittlerweile über 620.000 Einwohner und wächst weiter, was gewaltige Anforderungen an die Grünflächen nach sich zieht. Mit Bürgerbeteilung und großem Einsatz entwickelt sein Amt Konzepte für die fünf großen Felder Biodiversität, Klimanapassung, Gesundheit, Umweltgerechtigkeit und aktive Mobilität. „Wir haben ein Konzept erarbeitet, wie viele Bäume man noch Pflanzen könnte“, sagte Dittmar und versicherte, das Leipzig zu den 2.000 Nachpflanzungen pro Jahr auch 1.000 Straßenbäume im Jahr pflanzen wolle. Der Stadtrat habe dafür jährlich 1,5 Mio. Euro genehmigt. „Wir werden auch Leitungsverlegungen vornehmen“, prophezeite er, damit auch Straßen bepflanzt werden könnten, wo das jetzt noch nicht möglich ist. Insgesamt will die Stadt den Straßenbaumbestand um 45.000 Bäume erhöhen.Im Hinblick auf die Pflege der Grünflächen sagte Dittmar voraus, dass andere Mähtechnik notwendig wäre und, dass es mehr Monitoring der Maßnahmen geben müsse.

Unternehmenskonzepte für die Zukunft

Der zweite Tag stand ganz im Zeichen der Praxis. Eigentlich hatte die Hochschule Jan Jörgenshaus von IdVerde eingeladen. Doch der Vertreter des GaLaBau-Konzerns hat den Job gewechselt und stand kurzfristig nicht zur Verfügung. Dafür waren Achim Off und Carl Weczerek von der GarLa Gruppe AG aus Pfäffikon gekommen. Der von der Ufenau Kapital finanzierte Zusammenschluss (siehe DEGA 1/2023) von unterschiedlich großen GaLaBau-Betrieben ist bereits zum Anfang des Jahres um drei neue Betriebe in Deutschland gewachsen. Zu der Bietigheimer Gartengestaltung und vier Betrieben aus der Schweiz sind jüngst die GaLaBau-Betriebe Schleser (Aschaffenburg), Oberer (Sulz a.N.) und Lang (Ludwigsburg) hinzugekommen. Alle Unternehmen sollen dabei individuell bleiben und ihre Führungen möglichst langfristig behalten. GarLa will nur gesunde Betriebe kaufen, die auch alleine funktionieren. Eine eigene Azubi-Akademie deutet an, wo die Synergie-Effekte liegen können. Zusammen kommt die Gruppe auf 480 Mitarbeitende.

Ganz ähnlich ist das Prinzip der Ringbeck Group aus Oelde (siehe DEGA 9/2021). Hier ist die schweizerische Aurelis Mehrheitsgesellschafter. Karsten Suckau, Geschäftsführer der Ringbeck GmbH, stellte die Vorteile des Private Equitys für sein Unternehmen dar. So sei die Unternehmensfortführung geklärt und ein starkes Signal an die Belegschaft gesendet worden. Wer investiere, wolle sich schließlich weiterentwickeln. Außerdem sei die Abhängigkeit von Einzelpersonen aufgehoben worden und der starke Partner liefere Rückenwind für Zukunftsentscheidungen. Der Erfahrungsaustausch in den zugekauften Firmen sei vergleichbar von ERFA-Gruppen, vielleicht ein bisschen ehrlicher, meinte Suckau. Nach dem Zukauf von fünf Firmen kommt die Gruppe auf jetzt 415 Mitarbeitende. „Unser Anspruch ist, der führende GaLaBau-Anbieter der DACH-Region zu werden“, erklärte der Absolvent aus Osnabrück.

Eine bekanntermaßen andere Strategie verfolgen Helmut und Florian Haas aus Wangen. Senior Haas war einer der Miterfinder des Gruppengedankens im GaLaBau. Mit „Lust auf Garten“ und dem „Rasen Komplett-System (RKS)“ hat er gleich zwei Unternehmensgruppen gegründet. Die aus Lust auf Garten hervorgegangene GALANET-Gruppe aus 37 Betrieben wird heute noch aus Wangen dirigiert. Die Gruppe sei ein fachliches, organisatorisches und menschliches Netzwerk, erklärte Helmut Haas, der zugleich seiinen gut organisierten Betrieb in Wangen vorstellte. Florian Haas zeigte den Vorteil des Organisationssystem (siehe DEGA 8/2021), das die Firma entwickelt und den Partnern zur Verfügung stellt. Videotutorials erklären das Orga-System. Kleine Applikationen auf Basis von Microsoft-Programmen helfen, innerbetriebliche Probleme zu lösen. „Man kann der zukünftigen Komplexität aus meiner Sicht nur durch Gruppenbildung gerecht werden“, zeigte sich Haas überzeugt.

Unter der Überschrift „Strategisches Wachstum in Familienunternehmen“, erklärte Gerhard Bukenberger von der Schuler Service Group aus Klein-Winternheim bei Mainz wie er diesen Herausforderungen begegnet. Er begrüße die Tätigkeit von Private Equity-Unternehmen im GaLaBau. „Leute, die Geld in die Hände nehmen, werden auch Geld verdienen müssen“, meinte der Unternehmer. Das sei wichtig. „Unsere Wertschöpfung muss steigen, um ernster genommen zu werden und unsere Mitarbeiter besser bezahlen zu können“, zeigte er sich überzeugt. Der Unterschied sei, dass Familienunternehmer in Generationen denken und nicht in Quartalen. „Ein Familiengesellschafter haftet außerdem nicht nur mit seinem Vermögen, sondern mit seiner gesellschaftlichen Reputation“, meinte Bukenberger. Der Cashflow diene in erster Linie dem Wachstum. Das mache eben den Unterschied. Ziel sei durch Investitionen in Standorte und Mitarbeiter die Fahrzeiten zu reduzieren.Die Schuler Service Group bestehe derzeit aus fünf Gruppenunternehmen an sechs Standorte. Gerade baut die Gruppe eine neue Niederlassung nach Nachhaltigkeitsprinzipen, die als Blaupause für die zehn geplanten weiteren Standorte bis 2030 dienen soll. Strategische Ziele seien außerdem ein jährliches Wachstum von 10%, Investitionen von 35 Mio. Euro, Topplatzierungen bei Ausbildung und als Arbeitgeber sowie Klimaneutralität.„Nachhaltiger Erfolg braucht einen langen Atem“, zeigte sich der Unternehmer überzeugt. Unternehmen müssten dazu immer leicht überfordert sein.

Den Abschluss machte BGL-Präsident Lutze von Wurmb, selbst Geschäftsführer eines Familienunternehmens in Hamburg. Er zeigte die Branchenentwicklung und die Aufgaben. 2022 werde der Umsatz im GaLaBau auf deutlich über 10 Mrd. Euro steigen. Die Gesamtzahl der Mitarbeiter im GaLaBau liege mittlerweile bei 130.000. Da würden die 2.000 Auszubildenden niemals reichen, um den Bedarf zu decken. Keine Frage, dass da auch die Betriebe vor Ort mehr Werbung für die Branche machen müssen. Kritisch sieht BGL-Präsident auch, dass es den Kommunen schwergemacht werde, die Fördermittel zu nutzen. Auch die Entwicklung in der Wohnungswirtschaft, gebe keinen Anlass zu Optimismus. „Die großen Betriebe werden in den Arbeitsbereich der Kleinen vordringen und umgekehrt. Wir können nur hoffen, dass wir den Markt sauberer halten“, sagte von Wurmb mit Blick auf die letzte Krise – die freilich etliche Jahre zurückliegt.

Gewohnt launig und treffend fasste Martin Thieme Hack am Ende die zwei Tage zusammen und zeigte sich insbesondere erstaunt darüber, wie sympathisch die Privat Equity-Unternehmen sich dargestellt hatten. „Da kam nicht das Gefühl von Heuschrecken auf“, meinte der Hochschullehrer und wünsche gute Geschäfte und ein gutes Jahr 2023. Die Vorträge würden in Kürze auch auf den Seiten der Hochschule nachlesbar sein.

Zusammen mit dem heimlichen Veranstaltungshöhepunkt, dem abendlichen Treffen in der Brauerei Rampendahl, bewies auch die 15. Auflage die Rolle der Baubetriebstage als Highlight im Veranstaltungskalender.

 

Weitere Lesetipps:

> Leipzig Carta

> Porträt Wilhelm Ringbeck, Oelde

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