Die Revolution braucht noch etwas Zeit
Welche Bedeutung hat künstliche Intelligenz (KI) für den GaLaBau? Die Frage bewegte die 16. Osnabrücker Baubetriebstage am 23. und 24. Februar in der Hochschule Osnabrück. Die Antworten fielen sehr unterschiedlich aus. Die größte Skepsis legte dabei der Gastgeber selber an den Tag: Prof. Martin Thieme-Hack machte keinen Hehl daraus, dass er den Hype darum für übertrieben hält und die 4. Industrielle Revolution noch nicht ausrufen will.
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Gleichwohl war es Thieme-Hack zusammen mit Kai Breulmann gelungen, ein abwechslungsreiches Programm zusammenzustellen. Den Einleitungstext dazu hatte er passenderweise von ChatGPT schreiben lassen.
„Weshalb fühlen sich die Deutschen durch KI nicht bedroht?“, fragte Prof. Dr. Heiko Tapken zu Beginn seines Vortrages „Was kann KI heute, morgen und übermorgen?“ süffisant. „Weil wir keine Ahnung davon haben“, meinte der Hochschullehrer aus Osnabrück und zeigte, was sein Team mit KI bereits im Agrarbereich entwickelt. KI sei eine Anwendung von Mathematik und erstmal dumm. Das Ziel sei menschliche Fähigkeiten zu imitieren. „Wir sind heute bei einer schwachen KI“, ordnete er ein und zeigte verschiedene Beispiele aktueller KI-Anwendungen – etwa die Sprachsoftware Google Duplex die bereits selbstständig einen Friseur-Termin buchen kann, oder GPT, dessen „kastrierte“ Ableitung ChatGPT in aller Munde ist. Besonders fasziniert zeigte er sich von der OpenAI-Software Sora, die aus einem Text Bilder und Filme generieren kann.
Thomas Werning (werning.com) skizzierte in seinem Vortrag die „Einsatzgebiete von KI und deren Grenzen“. Er empfahl, eine eigene betriebsindividuelle KI-Richtlinie aufzustellen und Personen im Umgang mit KI zu schulen. Er rechne damit, dass die EU im Juni ein Gesetz zum Umgang mit KI verabschieden wird, den „AI Act“. Vieles sei aber auch schon in der DSGVO geregelt. Er erinnerte daran, dass eine „Cloud“ einfach nur ein anderer Rechner sei, der irgendwo anders stehe und jemand anderem gehöre. Da sollte man schon klären, wo die Daten liegen. Es sei gefährlich, der KI Daten zu geben, die dann woanders genutzt werden. KI könne aber sehr sinnvoll eingesetzt werden – etwa um Datenblattsammlungen zusammenzufassen, Powerpoint-Präsentationen, Diagramme oder Flow-Charts zu generieren, Energieverbrauch zu steuern, Fotos zu analysieren oder künstliche Bilder herzustellen.„Bleiben Sie höflich zur KI“, sagte Werning schmunzelnd zum Abschluss. „Falls diese mal die Weltherrschaft übernimmt.“
Ulli Hoffmann und Ozan Demir von der Robert Bosch GmbH stellten die Arbeit am neuen Campus in Renningen vor. Bosch forscht dort an Systemen der Zukunft. Das Unternehmen setzt bei zahlreichen Anwendungen auf KI; nicht zuletzt dafür, den eigenen Wissenspool zu durchsuchen. Etwas unruhig wurde es, als Demir die Theorie hinter der Zusammenführung von datenbasiertem und physikbasiertem Wissen zur Entwicklung einer Maschinensteuerung für Bagger erklärte. Das war ein bisschen sehr abstrakt und die Baggerexperten im Publikum vermochten noch keine Verbesserung gegenüber der Leistung eines guten Baggerfahrers erkennen.
Den Abschluss des ersten Tages machte Alexander Paulus von der Bergischen Universität Wuppertal. Er arbeitet daran, KI in Bau und Handwerk zu etablieren. „KI hilft uns, in einer Welt mit zu großer Auswahl zurecht zu kommen“, erläuterte er. Das Handwerk sei prädestiniert für IoT-Technologie (IoT = Internet der Dinge). Das Problem sei, dass die Handwerker die Daten nicht sammeln könnten. Und die für KI benötigten Datenmengen seien immens. So wären für den Aufbau des Text-zu-Bild-Generators Dall-E 12 Mio. Bilder notwendig gewesen.Paulus stellte verschiedene Projekte vor, die die Hochschule betreut oder betreut hat, etwa ein Tool zur Angebotserstellung für Wartungsverträge von Dächern über Satellitenbilder, zum Füllstand von Regenrinnen, zur Überwachung von Holzfeuchte auf der Baustelle und im Lager, zum Monitoring von Pflanzengesundheit oder zur Werkzeugortung und Beladungskontrolle. Alles sei sensorgesteuert, von KI-unterstützt und basiere auf IoT. Gelächter kam auf, als Paulus eine KI-basierte Lösung zur Erstellung von Gartenanlagen vorstellte: Da hatte vieles weder Hand noch Fuss. Der Mensch als Plausibilitätsgarant ist eben weiter notwendig.„KI ist für das Handwerk ein weiteres Werkzeug, das in den Werkzeugkoffer gehört“, meinte er. Aber Handwerker würden Sachen, die sie nicht verstehen, ungerne einsetzen. Ein Digital Portal aus dem Handwerk für das Handwerk (www.iot4h.de) sei im Aufbau.
Mehr Praxis am zweiten Tag
Pünktlich um 9 ging es am Samstag weiter – nach der Abendveranstaltung am Vortag jedes Mal eine Herausforderung. Den Anfang machte Björn Wienforth aus Velbert, der intelligente Steuerungssysteme der Bauwirtschaft für das Lean Project Management vorstellte (z.B. Bosch Refine MySite, LCM Digital, Makeo, Place-Strategy, YoLean, KeepYourPromises (KYP)). In Zukunft werde es Anbindung an den Terminplan, an die Logistik und an das Modell (BIM) geben. Das BIM-Angebot build digital der schweizerischen Kaulquappe AG ermögliche bereits ein schlanke Bauabwicklung. Landschaftsbau, wurde aus dem Publikum bemängelt, sei aber mal wieder nicht mitgedacht worden.
Richtig praktisch wurde es dann mit Prof. Dr. Ralf-Peter Oepen und Hendrik Brockschmidt von BRZ Deutschland. In dem Vortrag „Kalkulieren mittels KI-basiertem Kalkulationsassistent in BRZ365Bautechnik“ ging es um die Zeitersparnis (52%) durch die Verwendung bereits kalkulierter Positionen, die von einer KI gefiltert und vorgeschlagen werden. Dabei wirft die cloudbasierte ERP-Software gleich eine Übereinstimmungsrate sowie eine Klassifizierung nach Bedeutung für das Gesamtvolumen aus. So lässt sich nicht nur schnell kalkulieren, sondern auch leicht abschätzen, welche Positionen den größten Einfluss auf das Ergebnis haben.
Gut an kam auch Yannick Maciewski von Rupp Gebäudedruck aus Pfaffenhofen bei Ulm. Unter der Überschrift „Besser drucken als mauern – 3D-Druck von Gebäuden“, stellte der Unternehmen den Stand der Technik vor. Die Ausgründung aus dem Schalungsspezialisten Peri druckt mit einer Mörtelmischung und Portaldrucker ganze Gebäude. Da es noch keine allgemein gültige Bauzulassung gibt, werden die Wände als verlorene Schalung gedruckt und später gefüllt. Der 3D-Druck reduziere den Personalbedarf, verringere die körperliche Belastung der Bauschaffenden, verkürze die Bauzeit, ermögliche die Verwendung umweltfreundlicher Baumaterialien und mache die Umsetzung komplexer Entwürfe möglich. „Das Druckmaterial ist derzeit der Kostentreiber“, meint Maciewski. Derzeit experimentiere man aber mit Trockenzement und Normalbeton. Besondere Hoffnung setzt der Unternehmer in die Verwendung von RC-Beton.Für den GaLaBau kann er sich vorgefertigte Elemente vorstellen. Eine Gartenmauer konnte er dem Publikum bereits vorstellen.
Ingmar Bergmann von Baumotor aus Stuttgart zeigte, was mittlerweile mit Robotern auf dem Bau möglich ist. Auf die Firma war Thieme-Hack über einen DEGA-Artikel aufmerksam geworden. Die Geräte können zum Beispiel Baustoffe und Geräte transportieren, Markierungen setzen oder Fotodokumentation leisten, Stahlmatten binden und Pflanzen gießen. In den USA und in Australien sei die Hardware schon so günstig, und spare so viele Leute ein, dass es sich lohne, die Technik einzusetzen. „Es dauert noch ein paar Jahre, bis der Bagger autonom fährt“, zeigte sich Bergmann überzeugt.
Den Abschluss machte Lucas Winkler, von Winkler Garten- und Landschaftsbau aus Groß-Zimmern. Der Unternehmer, der auch bei der Landschaftsbautagung in Freising auftreten wird, hat seine Abschlussarbeit zum GaLaBau 4.0 geschrieben und auch bereits ein Buch dazu veröffentlicht. Er sieht uns durch IoT, Netzwerke und Cyberphysikalische Systeme in der 4. Industriellen Revolution angekommen. Um dem gerecht zu werden und einen Wandel im Unternehmen zu erreichen, brauche es gleichzeitig Bedarf, Fähigkeiten und Willen zur Veränderung. „Der Baum wird auch in 100 Jahren noch analog gepflanzt – die Frage ist, ob man dann ohne Digitalisierung noch konkurrenzfähig ist“, meinte Winkler. Ein Wettbewerbsvorteil lasse sich auf jeden Fall durch KI-gesteuertes Datamining erzielen.
Die Osnabrücker Baubetriebstage und der Baubetriebstreff in der Hausbrauerei Rampendahl lockten auch dieses Mal wieder über 400 Besucherinnen und Besucher nach Osnabrück.
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