Bei der Pflege die Artenvielfalt schützen
Birgit Helbig bietet mit ihrem „Eine-Frau-Betrieb“ Beratung, Planung und Baubetreuung für naturnahes Grün an. Für DEGA hat sie die wichtigsten Grundsätze für eine biodiversitätsfördernde Pflege zusammengestellt. Sie lassen sich gut verinnerlichen und leicht anwenden. Die gute Nachricht für Kunden: Die Garten-Eigenschaft „pflegeleicht“ stellt sich dann automatisch ein.
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Einer der drängendsten Ansprüche vieler Kunden an ihren Garten scheint heute zu sein, dass er auch „pflegeleicht“ sei. Die daraus resultierenden Auswüchse sind bekannt. Interessanterweise herrscht ja oft eine eigentümliche Vorstellung vom Begriff Pflege: Während das Unkrautjäten und der Schnitt von Gehölzen meist als lästige Aufgaben wahrgenommen werden, wird die wöchentliche Mahd des Rasens in vielen Köpfen eher als schicksalsgegebene Pflicht im gärtnerischen Dasein denn als Gartenpflege eingeordnet – zumal man sie heutzutage ja auch einem Automower anvertrauen kann.
Auf der anderen Seite stehen „NaturgärtnerInnen“ mit dem Credo „Die Natur braucht uns Menschen nicht, wir lassen alles einfach wachsen, wie es will“. Das ist aber für die Entwicklung artenreicher und ästhetisch ansprechender, naturnaher Anlagen keineswegs zielführend. Leider bringen derartige Negativbeispiele die biodiversitätsfördernde Naturgartenidee, die zudem attraktive Räume schafft, in der öffentlichen Wahrnehmung bei vielen Menschen in Misskredit.
Warum pflegen wir naturnahe Flächen?
Letztlich ahmen wir die Abläufe nach, die in der freien Natur ablaufen würden, im Garten aber nicht. Mähen wir eine Blumenwiese, imitieren wir die kleinbäuerliche Wiesenbewirtschaftung präindustrieller Landwirtschaft, welche die Entwicklung der Kulturlandschaft „Blumenwiese“ erst möglich gemacht hat. Das Idealbild ist hier der Kleinbauer, der täglich eine Grünfutterration für sein Vieh mit der Sense mäht. Ähnliche Auswirkungen hatte schon vor der menschlichen Landschaftsnutzung die extensive Beweidung durch einstmals umherziehende Herden von Pflanzenfressern (Auerochsen, Wildpferde oder Büffel). Die sind heute aber im Garten eher selten anzutreffen. Die Pflege im Naturgarten zielt auf ein dynamisches Gleichgewicht bei bestmöglicher Schonung der in den Flächen lebenden Tierwelt ab. Zudem können durch die Pflege erwünschte Zielarten begünstigt werden.
Dynamik als Prinzip und Herausforderung
Der naturnahe Garten ist prinzipiell auch deshalb pflegeleicht, da er nicht als statische Anlage verstanden wird, deren Zustand 1:1 erhalten werden soll. Vielmehr beziehen naturnah Planende die Entwicklung und Dynamik mit in die Gestaltung ein und füllen zum Beispiel Lücken in Staudenpflanzungen oder bei Hecken-Neuanlagen mit kurzlebigen Ansaaten, bis eine geschlossene Pflanzendecke unerwünschten Beikraut-Einflug weitgehend verhindert. Werden unkrautfreie mineralische Substrate in Kombination mit sterilen organischen Bestandteilen (RAL-gütegesicherter Grünschnittkompost) verwendet, ist das in der späteren Pflege von immensem Vorteil.
Besonders in der Etablierungsphase neuer Pflanzungen und vor allem der – im Naturgarten häufig eingesetzten – Ansaaten in den ersten zwei bis drei Jahren muss ihre Entwicklung kontrolliert und gegebenenfalls regulierend eingegriffen werden. Dazu ist eine gewisse Pflanzenkenntnis (möglichst schon im Keimlingsstadium) unabdingbar, um unerwünschte Beikräuter ebenso sicher zu erkennen, wie auch das Verdrängungspotenzial bestimmter Arten am jeweiligen Standort einzuschätzen. Qualifizierte Naturgarten-Fachbetriebe begleiten daher ihre Projekte in der Regel mindestens zwei Jahre lang bei der Entwicklungspflege, erläutern den Nutzern oder den beauftragten Dienstleistern die Pflegekonzepte und machen sie mit den – oft noch wenig bekannten – Wildpflanzen vertraut. Diese erste Zeit schafft die Voraussetzungen für ein stabiles, pflegereduziertes Gefüge im Garten.
Wenn nötig eingreifen
Um die erwünschten artenreichen Bilder mit hohem ökologischen Potenzial zu erhalten und auch den zarteren Pflänzchen eine Chance zu geben, müssen verdrängende Arten konsequent kontrolliert und wenn nötig herausgenommen werden. Gemäß der EU-Liste als invasiv eingestufte Neophyten werden dabei rigoros entfernt. Mitunter massenhaft auftretende, schnelllebige ein- und zweijährige Beikräuter, die sich gerne in frischen Ansaaten ausbreiten, müssen bereits reguliert werden, bevor sie sich Versamen können. Ein einziges übersehenes Berufkraut bringt zigtausende Samen hervor!
Schröpfschnitte im ersten Vegetationsjahr müssen daher zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt werden. Der richtet sich nach den äußeren Umständen (Unkrautdruck von außen, Nährstoffgehalt und Art des verwendeten Substrates, Witterung) und vor allem dem individuellen Wachstum der Pflanzen. Daher sind die zwei bis drei nötigen Pflegetermine im ersten Jahr nach Neuanlage nur sehr flexibel planbar.
Gut planbar – die Erhaltungspflege
In gut eingewachsenen Beständen reduziert sich in der Erhaltungspflege der Arbeitsaufwand dann auf einige wenige Eingriffe im Jahresverlauf, je nach Art der Anlagen und der äußeren Verhältnisse. Die Erhaltungspflege wirkt dann sanft lenkend und regulierend. Bei guten Anlagen kann nun der Überfluss verwaltet und gelenkt werden. Nach den jeweiligen Vorlieben der Kunden können wir bestimmte Arten fördern, während wir andere etwas in ihre Schranken weisen, sei es durch gezieltes Jäten oder einen Rückschnitt vor der Samenreife. Für die Entwicklungspflege sind – mit Ausnahme der Kräuterrasen- und Wiesenflächen – zwei Pflegegänge pro Jahr (ein umfangreicherer im Frühjahr und einer zur letzten Wiesenpflege im Spätherbst) einzuplanen.
Die gestaffelte Pflege
Jede Pflegemaßnahme ist ein schwerwiegender Eingriff in einen Lebensraum. Für die in einer Wiese lebenden Insekten und Kleintiere ist deren Mahd immer eine Katastrophe. Und es wird auch bei der schonendsten Mahd mit der Sense immer Verluste geben. Das lässt sich nicht vermeiden. Kleinflächige Verluste werden aus den angrenzenden Flächen wieder aufgefüllt und wettgemacht, wenn wir es zulassen. Daher niemals alle Flächen im Garten an einem Termin mähen oder zurückschneiden, egal, ob es um Wiesen, Teichvegetation oder Heckenverjüngung geht.
Wiesen und Kräuterrasen
Bei Blumenwiesen empfiehlt sich eine Teilmahd von 30 bis 50 % der Flächen im Abstand von circa drei bis sechs Wochen. So ist das zuerst gemähte Teilstück schon wieder nachgewachsen, wenn die nächste Mahd ansteht. Auch die klimaresilienten und daher immer beliebter werdenden Blumen-Kräuter-Rasen, die mit hoch eingestelltem Rasenmäher auf mindestens 5 bis 10 cm Länge eingekürzt werden können, sollten möglichst immer in mehreren Teilabschnitten gemäht werden. Sind weniger Pflegegänge bei der Mahd gefordert, lässt man 10 bis 30 % der Fläche als Rückzugsorte für die Tierwelt die ganze Vegetationsperiode über stehen.
In der Erhaltungspflege einer Blumenwiese fällt der erste Mähtermin auf die ausgehende Margeritenblüte. Bei sehr nährstoffreichen Flächen oder guten Wachstumsbedingungen kann eine weitere Mahd im August sinnvoll sein, damit die Wiese nicht umfällt und verfilzt. Günstig ist ein Mahdzeitpunkt nicht zu früh am Morgen an einem warmen, eher sonnigen Tag, wenn die Insekten bereits mobil sind und sich vor dem Gerät in Sicherheit bringen können. Bei größeren Flächen zudem immer von innen nach außen oder in Streifen mähen, um den in der Fläche lebenden Tieren die Flucht zu ermöglichen.
Ein Messerbalken ist bei der Mahd immer einem kreisenden Mähwerk vorzuziehen – ebenso wie manuelles Zusammenrechen der Aufnahme mit einem Fangkorb –, da hier die Verluste an Insekten oder Kleintieren durch die Mahd deutlich geringer sind. Bei kleineren oder ungünstig geformten Wiesenflächen hat sich der Freischneider mit Grasmesser bewährt (nicht zu tief mähen). Kleine Flächen kann man auch ganz gut mit einer Motor-Heckenschere (am besten mit umgedrehtem Teleskoparm) mähen. Die besonders insektenschonende Sensenmahd wird wohl eher den engagierten Privatleuten vorbehalten bleiben – wobei sich Sensenkurse zunehmender Beliebtheit erfreuen.
Bei allen Mahden wird unbedingt das Mähgut aufgenommen. Der Nährstoffeintrag und die zusätzlich schattierende Mulchauflage würden sonst das Gräserwachstum zu Lasten der blühenden Kräuter fördern. Das Schnittgut der Sommermahd soll – wenn möglich – bei trockenem Wetter zwei bis drei Tage flächig oder in Schwaden auf der Fläche liegen bleiben. So können überlebende Tiere abwandern und Samen ausfallen. Ist der Grasanteil (noch) sehr hoch, räumt man allerdings zeitnah ab, um die Grasaussaat zu verringern und Blühkräuter zu fördern.
Sehr magere Standorte kommen mit einer Herbstmahd aus, da die Pflanzen hier nur einen geringen Aufwuchs zeigen. Gesetzt ist der Mahdtermin vor dem Kälteeinbruch, um die Wiesen (und Kräuterrasen) mit 5 bis 10?cm Höhe kurz in den Winter gehen zu lassen. Das gibt zumindest einem Teil der bodennah lebenden Tiere Überlebenschancen. Wird nicht gemäht, fault das durch Wind, Regen und Schnee niedergedrückte abgestorbene Gras im Winter und erstickt den Neuaufwuchs. Auch Insekten und ihre Larven überleben in so einer faulig-feuchten, verfilzten Fläche nicht. Sind auf der Anlage sonst keine geeigneten Überwinterungsstrukturen (Säume, Hochstauden) vorhanden, dürfen circa 10 bis 20?% der stengelreichsten Bereiche als Überwinterungshabitat in Streifen oder als Inseln stehen bleiben. Sie werden dann bei der Frühjahrspflege nur mit einem Metallrechen scharf ausgeharkt und erst bei der nächsten Sommermahd wieder mitgemäht.
Eine schöne und ökologisch sinnvolle Alternative zur flächigen Staffelmahd sind kleinteilige Mosaik- oder Kreativmahden, die auch als optische Bereicherung wahrgenommen werden. Auch versetztes Mähen von Wiesenwegen wirkt sich biodiversitätsfördernd aus. Dabei wird der Weg in der Fläche immer wieder verlegt und an neuer Stelle gemäht.
Stauden und Säume
Verholzende Stauden und Hochstaudenfluren werden idealerweise erst mit Beginn der wärmeren Tage im Frühjahr zurückgeschnitten. Bei größeren Säumen ist eine alternierende Pflege mit Rückschnitt nur eines Teilbereiches von 30 bis 50?% im jährlichen Wechsel förderlich, das heißt, ein Teil der Stengel bleibt über den Winter mindestens bis zum Frühjahr, vielleicht in Teilen sogar die ganze folgende Saison stehen. Nur nach Frosteinwirkung matschig werdende Pflanzenreste werden entfernt.
Die Samenstände bilden attraktive Winterstrukturen und bieten Winterfutter für Vögel und Kleintiere. Zudem ist ihre Selbstaussaat zum Strukturerhalt erwünscht. Ist das Stehenlassen aus ästhetischen Gründen nicht erwünscht, kann im Herbst zurückgeschnitten und das Schnittgut zu Garben aufgestellt werden, die erst im wärmeren Frühjahr abgetragen und am besten in eine Totholzstruktur verbracht werden. Prinzipiell wird das Schnittgut im Ganzen oder manuell zerkleinert abgeräumt. Häckseln des Schnittguts bedeutet den sicheren Tod aller eventuell noch im Material ruhenden Insekten(larven). Natürlich kann auch im Naturgarten der Flor durch einen Chelsea Chop (Vorblüteschnitt) verlängert werden.
Teichanlagen
Bei der Teichpflege ist es tierschonend, einen Teil des Rückschnitts schon im September zu erledigen (da ist das Wasser auch noch angenehmer), den Rest dann im Frühling vor der Laichzeitder Amphibien Ende Februar/Anfang März. Idealerweise legt man entnommenes Material 24 h lang locker am schattigen Ufer aus, um Kleintieren die Rückkehr ins Wasser zu ermöglichen. Eine eventuell nötige Entschlammung im September sollte – je nach Gewässergröße – möglichst gestaffelt über mindestens zwei Jahre erfolgen.
Hecken
Formschnitthecken gehören mit zu den pflegeintensivsten Elementen im Garten. Wo Schnitthecken aus Platz-, oder ästhetischen Gründen erwünscht sind, wird man auch im Naturgarten auf sie zurückgreifen. Vorzugsweise sollten Gehölze ihrer Natur entsprechend aber frei wachsen können. Bereits bei der Pflanzung ist zu bedenken, wie viel Raum eine Pflanze ausgewachsen einmal einnehmen wird. Das spart dem Pflegenden Arbeit und den Pflanzen Verletzungen. Denn der beste Schnitt ist der, der nicht nötig ist. Dies gilt insbesondere auch für Baumpflanzungen.
Die meisten der in Naturgärten verwendeten heimischen Wildgehölze lassen sich durch Auf-den-Stock-setzen sehr gut verjüngen. Dabei werden sie alle 10 bis 20 Jahre komplett während der Vegetationsruhe circa 10 bis 30 cm über dem Boden abgeschnitten – auch hier möglichst gestaffelt immer nur einzelne Gehölze schneiden und im folgenden Jahr die nächsten, bei sehr langen Hecken auch abschnittsweise. Das Schnittgut kann zu dekorativen und biodiversitätsfördernden Totholzstrukturen (Haufen, Wälle, Sichtschutzelemente) verbaut werden. Von 1. März bis 1. Oktober – während der Brutzeit der Vögel – sind solche Schnittmaßnahmen bekanntermaßen verboten. Will man nicht die ganze Pflanze abschneiden, kann auch ein gestaffelter Erhaltungsschnitt über zwei bis drei Jahre erfolgen.
Umgang mit Falllaub
Anfallendes Laub wird nur von Wiesen, Kräuterrasen und Magerflächen entfernt und unter Gehölzen oder als Mulchschicht auf nährstoffreichen (Schatten-)beeten verteilt. Oder es wird zu Haufen geschichtet – und eventuell mit Astwerk fixiert – in denen Igel und Co. überwintern können.
Teiche in Gehölznähe werden am besten – mit einem sehr engmaschigen, vogelsicheren Netz oder Vlies überspannt – von circa Mitte Oktober bis Mitte November vor Laubeintrag geschützt.
Keinen Laubsauger verwenden, kein Laub oder Staudenschnitt häckseln! Die darin lebenden Tiere würden mitgeschreddert werden. Holzige Abschnitte kann man gut in Totholzwälle oder -haufen einbauen, wo sie wertvollen Lebensraum darstellen.
Den Umgang mit Laub erläutert auch unsere Checkliste „Herbstlaub“ (Webcode: dega11347)
Text: Birgit Helbig, Abenberg
Birgit Helbig
Jahrgang 1966, ist Dipl.-Designerin (FH). Bei ihr hat sich nach langjähriger hauptamtlicher Arbeit bei einem Naturschutzverband der Blick auf die Natur geändert. So wurde sie zur Naturgärtnerin, las sich Wissen an und bildete sich weiter, zuletzt 2019 bei der Naturgartenakademie. Daneben war sie als freie Autorin für Garten- und Naturzeitschriften tätig und bietet Vorträge an. Im Juni 2021 erfolgte die Zertifizierung ihres Unternehmens zum Naturgarten-Fachbetrieb – empfohlen von Bioland (www.natur-garten-helbig.de).
Naturnahe Pflege
Kurze Checkliste
- Naturnahe Pflege erfolgt nicht nach Stundenplan, sondern nach Bedarf – abhängig vom Wachstum und der Witterung, daher sind die Termine recht variabel, manchmal muss spontan reagiert werden.
- Größere Pflegeeingriffe (Mahd, Gehölzschnitt, Teichpflege) sind immer in mehreren Etappen gestaffelt, mit zeitlichem Abstand voneinander durchzuführen, um den Tieren nicht den gesamten Lebensraum auf einmal zu entziehen und einen Wechsel auf anliegende Flächen zu ermöglichen.
- Mäh- und Schnittgut immer abführen und bevorzugt in Habitat-Strukturen einbauen oder für den Nutzgarten kompostieren
- Laub in nährstoffbetonten Gartenbereichen verwerten
- möglichst auf das Häckseln verzichten
- wo immer möglich auf Motorwerkzeuge verzichten
- Messerbalken sind tierschonender als Kreiselmäher
- nicht zu tief mähen (mindestens 5 bis 10?cm Höhe)
- keine Mähroboter oder Mulchmäher verwenden
- in der Entwicklungspflege auf Beikräuter achten, bei Bedarf jäten oder Schröpfschnitte vor deren Samenreife durchführen (auch bei zu hohem Grasanteil).
BH
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