Steril im Kopf
Die Angst vor dem, was die Nachbarn denken könnten, beeinflusst die Gartenkultur mehr als das eigene Wohlbefinden – und bestimmt die Investitionsbereitschaft, meint Tjards Wendebourg im aktuellen Kommentar.
von Tjards Wendebourg erschienen am 29.04.2025Ich habe mich letztes Wochenende ehrenamtlich in einem Verein betätigt und in einem Teil der Gemeinde eine Vereinszeitung ausgetragen. Das war wirklich anstrengend – und zwar nicht wegen der Strecken, sondern wegen der Optik. Ich habe so viel Garten- und Immobilien-Elend gesehen, dass ich am Ende innere Einkehr in meinem eigenen Garten brauchte.
Das Schlimme ist, dass solche Flächen auch die Stimmung derer negativ beeinflussen, die das gar nicht merken. So wie ich depressive Anwandlungen bekomme, wenn ich über überdimensionierte Auffahrten und sterile Grundstücke gehe, dürften auch die Bewohner dieser Immobilien wenig Anlass zur Freude finden. Kein Wunder, dass das ganze Land voll missmutiger Zeitgenossen ist und jeder Konflikt mittlerweile eskaliert. Der Mensch ist ein Teil der Natur. Da kann er sein Zuhause so steril halten, wie er mag. Glücklich wird er davon seltenst.
Und hier kommt der Profi ins Spiel: Natürlich kann man sich als Erfüllungsgehilfe betätigen und die Folgen des Herdentriebs exekutieren. Wie oft das passiert, zeigen Kies-, Schotter- oder Rollrasen-Einöden. Aber jeder Psychologe wird Ihnen bestätigen, dass das, was die Menschen sagen, nicht unbedingt das ist, was sie wollen und bräuchten. Welche Chance bieten sich da für empathische Gestalterinnen und Gestalter, die nicht nur Notizen umsetzen, sondern sich in ihren Kunden hineinversetzen und ihnen am Ende etwas schaffen, das auch ihrer mentalen Gesundheit zuträglich ist. Manchmal braucht es dafür aber nicht nur gärtnerische und bautechnische Kompetenz, sondern Einfühlungs- und Abstraktionsvermögen. Denn die wenigsten Wünsche sind offensichtlich. Oft ist es nur das, was die Leute glauben, tun zu müssen, weil sie Angst haben, aus der Reihe zu tanzen. Denn nichts ist größer als die Angst, von den Mitmenschen ausgegrenzt zu werden. Also wird geputzt, geschrubbt, geschnitten und gereinigt, was das Zeug hält.
Haben Sie sich schon mal gefragt, weshalb noch vor der Frage zu den Kosten jene kommt, ob das Vorgeschlagene denn auch pflegeleicht ist? Denn je mehr die Leute sich in ihrem Alltag von Natur entfernen und je weniger Zeit sie zu haben glauben, desto mehr wird das da draußen zum Feind. Wilde Tiere (zum Beispiel Zecken), giftige Pflanzen und kaum einschätzbares Wachstum drohen den Garten zum gefährlichen Ort zu machen. Um den Gefahren zu entgehen und die soziale Anerkennung in der Siedlung nicht zu gefährden, wird die Gestaltung reduziert – im schlimmsten Fall auf null. Das ist nicht nur ein ökologischer GAU, sondern auf Dauer auch kein gutes Geschäft. Wer die Außenanlagen nur als Belastung empfindet, wird auch nur so viel investieren, wie unbedingt nötig.
Nachdem ich eine halbe Stunde den Vögeln zugehört und den Bienen zugeschaut hatte, die in einem Meer von Frühjahrsblumen Pollen und Nektar sammelten, hatte ich wieder ausreichend Kraft getankt, um mich einer weiteren Runde zu stellen. Was könnte man als Landschaftsgärtner Geld verdienen, wenn es gelänge, solche Oasen zu vervielfältigen.
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