Die Stimmung ist schlechter als die Lage
Für unser Regional-Magazin campos regional ost haben wir sehr unterschiedliche Bundesländer zusammengeführt. Susanne Wannags hat sich bei den Verbänden dort umgehört und festgestellt – so unterschiedlich auch die Struktur ist, die Stimmung ist schlechter als die Lage.
von Susanne Wannags, Nesselwang erschienen am 19.06.2024
In Sachsen-Anhalt, Sachsen, Berlin-Brandenburg und Hessen-Thüringen gibt es für die meisten GaLaBau-Betriebe ausreichend Aufträge. Dennoch machen die Geschäftsführungen dieser Verbände aktuell die Erfahrung, dass die Stimmung in den Betrieben oft deutlich pessimistischer ist als die tatsächliche wirtschaftliche Lage.
„Stimmungstief“, „Stagnation statt Aufbruch“, „Konjunktur nach wie vor angeschlagen“, „Die deutsche Wirtschaft kommt nicht auf die Beine“ – diese Sätze waren in den diesjährigen Konjunkturumfragen zu lesen, die von der IHK in den verschiedenen Kammerbezirken regelmäßig durchgeführt werden. Das ifo-Institut bezeichnete die deutsche Wirtschaft im Frühjahr 2024 in seiner Konjunkturprognose als „gelähmt“, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) spricht im Mai erstmals von einer zumindest leichten Belebung der konjunkturellen Entwicklung. Diese Aussagen tragen nicht dazu bei, als Unternehmer optimistisch in die Zukunft zu schauen. Doch es gibt Unterschiede zwischen gefühlter und tatsächlicher Konjunktur, zumindest im GaLaBau.
1„Wir reden seit zwei bis drei Jahren von einer Krise“, sagt Michael Stein, Geschäftsführer des VGL Sachsen-Anhalt. „Auf der GaLaBau 2022 hat der damalige BGL-Präsident Lutze von Wurmb vor Wolken gewarnt, die am Horizont aufziehen. Ja, es sind ein paar Wolken da, aber es ist immer noch so, dass Unternehmer, die clever wirtschaften, gut über die Runde kommen.“ Es gäbe zwar eine Delle bei den privaten Kunden, ebenso hätten sich Industrie und Wohnungsbau bei Investitionen ein wenig zurückgehalten, allerdings dürfe man auch eines nicht vergessen: „In den Jahren 2020 und 2021 wurde durch Corona den Firmen das Geld hinterhergeworfen.“ Lässt man die Ausnahmesituation dieser Jahre außer acht, sind die Umsätze im GaLaBau in Sachsen-Anhalt seit der Jahrtausendwende kontinuierlich gestiegen. Allerdings gab es immer wieder Zeiten, in denen von den Umsätzen weniger Gewinn übrigblieb. Nach der aktuellen Geschäftslage gefragt, bewerteten die Betriebe in Sachsen-Anhalt seit Herbst 2022 die Zukunftsaussichten immer schlechter als ihre aktuelle Situation, um dann in der nächsten Umfrage festzustellen, dass doch alles besser war als erwartet.
Tatsächlich zum Problem werden könnte allerdings die demografische Entwicklung. „Die Überalterung in Betrieben und Behörden und die langwierigen Prozesse im öffentlichen Bereich führen beispielsweise dazu, dass Mittel, die für die blau-grüne Infrastruktur zur Verfügung stehen, nicht in dem Maße abgerufen werden, wie das der Fall sein könnte“, sagt Stein. Auch der Arbeits- und Fachkräftemangel macht den GaLaBau-Unternehmen zu schaffen „Die Konkurrenz aus der Industrie und dem Dienstleistungsgewerbe ist hoch.“ Gleichzeitig bringt die Ansiedlung von Firmen wie Intel in Magdeburg natürlich zahlungskräftige Privatkundschaft für den GaLaBau.
In der Hauptstadtregion ganz ähnlich
Auch beim FGL Berlin-Brandenburg stellt Geschäftsführer Oliver Hoch fest, dass es ebenso viel Angst wie Aufträge gibt. „Es gibt keinen Grund zu jammern, aber die gesamtgesellschaftliche Unzufriedenheit schlägt auf die Betriebe durch.“ Seiner Ansicht nach ist es für Unternehmer sinnvoll, zu reflektieren, ob die wirtschaftliche Lage tatsächlich problematisch ist, oder ob einem nicht eher die Wahrnehmung einer allgemein gereizteren gesellschaftlichen Stimmung einen Streich spielt. „Die tatsächlichen Wachstumsquoten sind eine gute Basis, um optimistisch zu sein.“ Sowohl die Umsätze als auch die Azubizahlen in der Branche steigen in Berlin-Brandenburg weiterhin. Natürlich ist das immer auch ein wenig abhängig von der Region, in der ein Betrieb seinen Sitz hat. „Viel Dynamik und Wachstum gibt es rund um die Berliner Stadtgrenze.“ Wer die gewerbliche Entwicklung in Berlin-Brandenburg verfolgt – vom Flughafen bis zur Gigafactory von Tesla – wird feststellen, dass es für den GaLaBau auch zukünftig gut aussieht. Dazu kommt das Berliner Konzept der Schwammstadt – das geht nicht ohne blau-grüne Infrastruktur. „Wir haben hier eine exorbitante Zunahme von Baumschäden und gleichzeitig steigt der Druck, Bäume zu pflanzen.“ Allein der Austausch und die Pflege von Bäumen sei in den kommenden Jahren ein gigantischer Aufgabenbereich und Fachkräfte dort dringend gefragt. „Selbst wenn der Neubau einbrechen sollte, ist für den GaLaBau immer noch genug Arbeit da“, ist Hoch überzeugt.
Was GaLaBau-Unternehmern das (Über-)Leben tatsächlich schwerer macht, sind ganz andere Dinge. „Mehr als ein Drittel unserer Betriebe steht in den nächsten Jahren vor der Aufgabe, Nachfolger zu finden – und von diesen Betrieben haben erst etwa ein Viertel diese Frage schon geklärt“, sagt Hoch. Er sieht es daher auch als eine Aufgabe des Verbandes, die Firmen in diesen Fragen zu unterstützen. Sollten Betriebe schließen müssen, weil es niemanden gibt, der sie weiterführt, wirkt sich das letztlich auch auf den Verband aus. Mitgliederwerbung ist daher ein wichtiger Punkt auf der To-do-Liste. Während bisher die Sozialen Medien vor allem für die Nachwuchswerbung genutzt wurden, wird darüber nachgedacht, bestimmte Kanäle zukünftig auch für die Mitgliederwerbung zu bespielen.
Die Suche nach Fachkräften hält an
„Leicht besorgt, aber optimistisch“, so beschreibt Silvio Michael, stellvertretender Geschäftsführer des FGL Hessen-Thüringen, die Stimmung in den Mitgliedsunternehmen. „Der GaLaBau zeigt sich gegenüber den Schwankungen im Hoch- und Tiefbau wesentlich stabiler.“ Durch die stetige Platzierung des Themas „Grün in der Stadt“ bemüht man sich sowohl im Bundes- als auch in den Landesverbänden, Potenzial für die Mitgliedsbetriebe aufzumachen.
Bei der Konjunkturumfrage im Herbst 2023 erwarteten immer noch 65?% der Verbandsmitglieder eine zumindest gleichbleibende Geschäftslage in den kommenden Monaten. Damals bewerteten 27?% der Betriebe die Zukunftsaussichten der Branche in Hessen-Thüringen immerhin noch als „sehr gut“ bis „gut“, 45?% vergaben ein „befriedigend“.
Ein Indikator, dass die Auftragslage im GaLaBau weiterhin gut ist, ist für Michael die Tatsache, dass immer noch Fachkräfte gesucht werden. „Solange die Firmen nach Arbeitskräften rufen, gibt es auch Aufträge.“ Natürlich gebe es regionale Unterschiede, was die Auslastung, aber auch die Arbeitskräftesituation angehe. „In Thüringen, aber auch in Kassel oder Gießen ist die Situation eine andere als beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet.“ Während sich Firmen in den Ballungsräumen eher spezialisieren würden, hätten die Betriebe in den anderen Regionen häufig ein breiteres Dienstleistungsspektrum.
Regionale Unterschiede machen sich auch bei der Ausbildung bemerkbar. Einerseits konkurriert man in einem Umfeld, in dem sich viele Arbeitgeber angesiedelt haben, mit Global Playern um den Nachwuchs, andererseits sind diese Gebiete für Nachwuchskräfte natürlich ebenfalls attraktiv. Beim FGL Hessen-Thüringen legt man daher mit einer Projektstelle Nachwuchswerbung, die im Rahmen der Förderinitiative Ländliche Entwicklung in Thüringen geschaffen wurde, verstärktes Augenmerk auf den ländlichen Raum. Luis Zimmermann, Referent für Nachwuchswerbung in Thüringen, kümmert sich darum, dass die grüne Branche bei Schulveranstaltungen und auf Ausbildungsmessen präsent ist. „Unserer Branche spielen die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit in die Karten, vor allem bei Abiturienten“, sagt Michael. „Vor allem die Nachfrage nach einem dualen Studium steigt.“ Zum 60-jährigen Verbandsjubiläum hat man sich zudem etwas besonderes einfallen lassen: Unter dem Motto „Aus Grau mach Grün“ sollen bis Jahresende 60 Grünprojekte an Schulen und Kindergärten in Hessen und Thüringen realisiert werden.
Erfolgreich beim Nachwuchs
Kitas und Schulen – das sind Orte, an denen der VGL Sachsen mit Baumpflanzaktionen schon länger präsent ist. Die Aktionen, bei denen auch immer ein Vertreter der Gemeinde vor Ort ist, sorgen für mediales Interesse, zeigen schon den Kleinsten, was ein Landschaftsgärtner alles macht und stärken sowohl den Berufsstand als auch das Signum. Die Stärkung des Zeichens als Qualitätssiegel und Marke hält Geschäftsführer Axel Keul für wesentlich, um für die Mitgliedsbetriebe auch zukünftig Aufträge zu sichern.
Bisher hätten steigende Bauzinsen, ein sinkender Auftragseingang im Wohnungs- und Hochbau sowie ein Rückgang der Baugenehmigungen in Sachsen zwar noch nicht zu einem Auftragsrückgang im GaLaBau geführt. Allerdings registrierten Betriebe Anfragerückgänge. „Aktuell sind es vor allem die Unsicherheit, die Ungewissheit und die Unplanbarkeit der Kostenstruktur, die die Lage erschweren“, sagt Keul. Er wünscht sich Planungssicherheit bezüglich der Investitionen in Grün, zeitnah und zuverlässig gelieferte Materialien und Baustoffe, mittelfristig kalkulierbare Bedingungen im Bereich der Entsorgung sowie weitere Entbürokratisierung. „Unsere Unternehmen hatten in der Vergangenheit eine Vielzahl von Herausforderungen zu meistern, angefangen von steigenden Rohstoffpreisen über Lieferengpässe bis zu teuren Arbeitsschutzmaßnahmen während der Corona-Zeit. Bei weiter steigenden Preisen fällt es manchmal schwer, den Sorgen der Beschäftigten mit Optimismus zu begegnen.“ Wie die Kollegen der anderen Landesverbände ist er sich allerdings auch sicher: „Die Lage in vielen Bereichen der sächsischen Wirtschaft ist auch über unsere Branche hinaus wesentlich besser als die Stimmung.“ So hat sich auch in seinem Verband die Stimmung zwischen Herbst- und Frühjahrsumfrage verbessert. Bewerteten im Herbst nur gut 58% der Mitglieder ihre Geschäftslage als gut, waren es im Frühjahr gut 70%.
In unsicheren Zeiten ist es wichtig, einen Partner zu haben, auf den man sich verlassen kann. Das möchte Keul mit seinem Team für die Mitgliedsbetriebe in Sachsen sein. „Ein Verband lebt durch seine Mitglieder.“ Er sieht den VGL Sachsen einerseits als Dienstleister, der die Betriebe unterstützt, aber auch als Gemeinschaft, in der persönliche Kontakte gestärkt und gepflegt werden. Als Keul im August 2021 Nachfolger des langjährigen Geschäftsführers Horst Bergmann wurde, nahm er sich die Zeit, alle Mitgliedsbetriebe zu besuchen. Und er hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Kontakt der Betriebe untereinander zu fördern. Das passiert beispielsweise bei gemeinsamen Freizeitaktivitäten, wie dem Adventure Walk durch die Sächsische Schweiz. Mittlerweile ist fast die Hälfte der Mitglieder einer von Keul initiierten WhatsApp-Gruppe beigetreten und tauscht sich regelmäßig über verschiedenste Themen aus. „Mein Ziel ist es, mehr Menschen zu animieren, im VGL aktiv mitzuarbeiten. Wir haben in allen Landesverbänden die gleichen Themen, aber es ist ein Unterschied, ob ich über tausend Mitglieder habe oder 163.“ Das kleine Team in der Geschäftsstelle versucht, die Anliegen der Mitglieder möglichst zeitnah zu bearbeiten. Das Engagement zahlt sich aus. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder im VGL ist im vergangenen Jahr um 3?% gestiegen. Rechnet man die Fördermitglieder und Anwärter dazu, erhöhte sich die Zahl sogar von 232 auf 272 (+17?%).
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