Automatisch bewässern ohne Strom und Internet
Was ist, wenn es weder Strom noch Internet für den Betrieb einer Bewässerungsanlage gibt? Der badische Tüftler Matthias Krügel hat ein so genanntes Off-Grid-System entwickelt – eine Anlage, die über Batterien und Funk betrieben wird. Jens Gieseler erklärt das Projekt.
von Jens Gieseler, Tübingen erschienen am 26.06.2024Robin Peter schaut sich auf der Reitsportanlage um – geschätzte 3000m² soll er anlegen mit Bäumen, Sträuchern, Hecken und rund 800m² Rasenfläche. Viel Gelände mit einem unterschiedlichen Wasserbedarf, vom alten Olivenbaum bis zu den frisch gepflanzten Hecken und es gibt nur eine einzige Wasserpumpe. „Da müssten wir ein paar Stunden gießen“, lacht der 29-jährige Bautechniker und Bauzeichner. Im Büro liegen Angebote über diverse Bewässerungssysteme, letztlich entscheidet er sich für Fluid Systems & Automation (FSA).
„Zum einen ist das ein Existenzgründer wie ich“, argumentiert Peter, der sein Unternehmen Peter Tief- und Landschaftsbau (www.bau-peter.de) Ende 2020 gründete und seit Mitte 2021 Vollzeit in seinem achtköpfigen Betrieb arbeitet. Er fühlt sich mit dem FSA-Inhaber Matthias Krügel auf Augenhöhe und erhält in den Wochen nach der Beauftragung tatsächlich die versprochene Betreuung sowie den vereinbarten Service. „Ich war von Anfang an total begeistert, weil er hinter seinem Produkt steht und alles individuell programmiert“.
Batterien für Steuerung und Sensoren
Zum anderen überzeugte Peter die Technologie: Ein batteriebetriebenes Bewässerungssystem, das ohne Stromanschluss und Internetanbindung zentral gesteuert werden kann. Ein sogenanntes Off-grid System, erstmals für Bewässerung entwickelt. Batterien steuern die Ventile und Sensoren. Diese funktionieren wie chemische Energiezellen, haben deshalb eine extrem geringe Selbstentladung von lediglich 0,5 Prozent und halten zwischen sieben und 15 Jahren. Sie funktionieren bei -30 Grad genauso wie bei +80 Grad. Außerdem sie sind gut recycelbar. Die Magnetventile, Kugelhähne und Drucksensoren arbeiten präzise und stromarm. Sie melden ein Leck in der Leitung oder eine Verstopfung. Zudem steuern und kontrollieren sie den Durchfluss unterschiedlicher Düngemittel.
2Das Bewässerungssystem wird dann vom Handy aus gesteuert. Krügel und seine Mitstreiter programmieren die Software kundenspezifisch und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse. So ist die Reitsportanlage in 25 verschiedene Zone eingeteilt, die individuell und automatisch bewässert werden. Zudem sind auch Wetterdaten hinterlegt, sodass etwa um vier Uhr morgens gezielt mehr Wasser eingesetzt wird, wenn ein besonders heißer Tag prognostiziert wurde. Die Kommunikation des gesamten Systems wird über Funk gesteuert. „Auf einer freien Fläche mit rund 300 Meter Reichweite“, so der 35-jährige Wirtschaftsingenieur. Wegen der Bäume und Sträucher sind es in der Praxis dann zwischen 150 bis 200 Meter, weiß Krügel. Was etwa 15 Hektar abdeckt, ehe man einen zweiten Getaway-Repeater benötigt. Damit ist das System von FSA das erste Off-Grid-System in der Bewässerung, eine netzunabhängige Inselanlage.
Der Badener aus Sasbach war bereits als 16-Jähriger neben der Schule als Selbständiger in der IT tätig. Nach dem Wirtschaftsingenieur-Studium am Karlsruher KIT hat er im technischen Vertrieb von Gas- und Flüssigkeitssystemen gearbeitet. Parallel entwickelte er zusammen mit seinem Vater schon seit 2015 nebenberuflich kleine Projekte im Anlagenbau, die sich vornehmlich mit Flüssigkeitssystemen mit geringem Stromverbrauch beschäftigten. 2019 gründete er dann mit seinem Vater das Unternehmen und beschäftigte bereits vier Angestellte. Aber als Vater von zwei Kindern blieb er sicherheitshalber noch zwei Jahre bei seinem alten Arbeitgeber angestellt.
Mit Förderung in die Selbstständigkeit
Entscheidend für seinen Wechsel in die Unternehmerrolle war ein Telefonat Anfang 2021 mit Vanessa Senger. Die promovierte Physikerin ist Senior Innovation Consultant bei Partner für Innovation und Förderung (PFIF), einem Dienstleister, der innovative KMUs berät und sich seit 30 Jahren in der Förderszene auskennt. „Vanessa Senger hat schnell detaillierte Fragen gestellt und das Konzept sowie die Marktchancen von FSA verstanden“, erzählt Krügel. Damit fühlte er sich abgeholt und gut aufgehoben. Eine intensive Recherche vor drei Jahren ergab, dass bis dahin nichts Vergleichbares auf dem Markt war und damit gute Chancen auf eine finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand bestehen. Diese Unterstützung in Höhe von knapp 250.000 Euro bekam das Unternehmen Mitte 2021 über das Förderprogramm ZIM. Krügel konnte nicht nur seinen Job kündigen und sich voll auf die Geschäftsführung seines jungen Unternehmens konzentrieren. Zusätzlich stellte er noch zwei weitere Ingenieure gezielt für die Forschung und Entwicklung ein. „Das hat uns entscheidend voran gebracht“, urteilt der junge Unternehmer, der inzwischen Arbeitsplätze für zehn Mitarbeiter geschaffen hat.
„Während des gesamten Projektes war die Zusammenarbeit mit PFIF und Vanessa Senger unkompliziert und hilfreich“, sagt Krügel. Zum einen konnte sich der Gründer auf seine Produkt- und Marketingentwicklung konzentrieren, während die Förderexpertin ihm wesentliche administrative Arbeiten abnahm und vor allem das Projekt erfolgreich beantragte. Zum anderen verläuft ein Projekt nie so, wie es der Businessplan vorsieht: Der Aufbau der Entwicklungsabteilung funktionierte nicht problemlos, denn fachkundige Ingenieure sind für ein Startup nicht leicht zu rekrutieren. Für die notwendigen Berichte gab es keine eingespielten Prozesse. In diesen und anderen Punkten konnte PFIF aufgrund seiner Erfahrung unterstützen, so dass das Produkt wie geplant nach zwei Jahren auf den Markt kam. Inzwischen hat FSA ein zweites Innovationsprojekt mit der Begleitung von PFIF beantragt.
Zu den Kunden von FSA gehörte unter anderem ein Projekt auf der Mannheimer Landesgartenschau mit einem Vertikalgarten. Der Materialeinsatz war mit FSA deutlich geringer und die Bewässerung sehr effektiv. „Durch die intensive Sonneneinstrahlung muss die Bepflanzung im Sommer manchmal dreimal pro Tag gegossen werden“, erzählt Matthias Krügel. Durch die gezielt gesteuerte Bewässerung war zum einen der Verbrauch geringer und damit zum anderen auch die typische Pilz- und Moosbildung.
Ein großes Projekt wickelte FSA im Kloster Erlenbad direkt am Firmensitz in Sasbach ab: Für 47.000m² war die Bewässerung zu organisieren. „Das System ist beliebig skalierbar“, so der Badener, „das bedeutet, wir können extrem viele Zonen mit unterschiedlichsten Anforderungen in einem Projekt anlegen.“ Das eröffnet auch die Möglichkeit für Hausverwaltungen, weil von einem Handy aus 20, 30 Objekte einzeln angesteuert werden können.
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