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Unternehmensnachfolge bei Wragge

So kann man es auch machen

Die Unternehmensnachfolge ist im Mittelstand gerade ein großes Thema. Oft stehen Nachfolger nicht zur Verfügung. Petra Reidel beschreibt ein Beispiel aus dem Südwesten, wo es mithilfe von professioneller Beratung gelungen ist, eine gute Lösung zu finden.

von Petra Reidel, Unlingen erschienen am 10.10.2024
Hannes Straß und Matthias Kaiser von Wragge Gärten © Petra Reidel
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An einen Investor verkaufen, Investoren mit ins Boot holen, Übergabe an interessierte Mitbewerber oder Mitarbeitende als Käufer – das sind verschiedene Möglichkeiten, wie sich das eigene oder das Familien-Lebenswerk erhalten lässt, wenn der Nachwuchs andere Wege geht oder fehlt. Nicht immer ist die Entscheidungsfindung ein geradliniger Prozess, wie das Beispiel der Wragge Gärten GmbH in Backnang zeigt, das gleich zwei der genannten Möglichkeiten als Lösungsidee umsetzte.

Der erste Übergabeversuch

Carl Krauch, ehemaliger Geschäftsführer der Jürgen Wragge GmbH (siehe DEGA-Porträt), kommunizierte bereits im Jahr 2017 seinen geplanten Ausstieg aus dem Unternehmen. Er erwarb das 1965 von Jürgen Wragge gegründete Unternehmen erst mit 55 Jahren und sein Plan war schon damals, den Betrieb nach 10 bis maximal 15 Jahren in andere Hände weiterzugeben. Somit begab er sich auf die Suche nach Menschen, die Lust an einer Weiterführung haben könnten. Grundsätzlich interessiert zeigten sich von Anfang an Landschaftsarchitekt Matthias Kaiser sowie Hannes Straß, Meister im Garten- und Landschaftsbau, zwei der heutigen Anteilseigner, die gemeinsam im September 2004 bei Jürgen Wragge zu arbeiten anfingen. „In einer der ersten Interessentenrunden waren wir zu viert, erarbeiteten den ersten Businessplan und führten erste Bankgespräche“, erinnert sich Kaiser. Doch zwei der Mitarbeiter bekamen wegen des Kaufpreises kalte Füße und stiegen nicht nur aus diesem Szenario, sondern gleich ganz aus dem Unternehmen aus und warben noch einige Kollegen ab. „In der Not zogen wir Hannes Straß von der Baustellenleitung ab. Er übernahm den plötzlich verwaisten Pflegebereich zusammen mit unseren Azubis und stellte einen exzellenten Trupp auf die Beine. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wir machen seit dieser zwangsläufigen Umstrukturierung den doppelten Umsatz als vor vier Jahren. Der neue Leiter der Pflegeabteilung und zwei aus Togo stammende Landschaftsgärtner betreuen nun die Pflege“, schildert Kaiser die Wellen, die der erste Übernahmeversuch auslöste. „Nach diesem Cut waren Matthias und ich doch ziemlich desillusioniert“, kommentiert Straß, der durch diesen Einsatz die Defizite der Abteilung erfasste und gleichzeitig behob. Allein im Winterschnitt sind 12 bis 15 Mitarbeitende in gewerblichen Anlagen sowie Privatgärten tätig, hinzu kommt ein jährlicher Großauftrag über 10.000 m2 Rasenflächen, was ganzjährig motivierte Mitarbeitende und eine gute Planung benötigt.

Die Kombi-Lösung

Carl Krauch lernte im Zuge seiner Übernahme-Recherchen einen Schweizer Unternehmer kennen, der seine Firma an Mitarbeitende verkauft hatte, was in der Schweiz aufgrund der dort üblichen Rechtsform AG um einiges einfacher ist. Dort stieg zu Anfang ein Kunde als Investor mit ein und ein Mitarbeiter nach dem anderen kam über die Jahre hinzu, oder kaufte sich ein. Der Investor stieg nach 10 Jahren aus.

Für Krauch war eine neue Idee geboren: Zusammen mit Matthias Kaiser und Hannes Straß überlegte er, welche Kunden sie ansprechen wollten. Bereits die beiden ersten Gespräche verliefen erfolgreich und so stiegen zwei private Investoren mit insgesamt 49 % der Unternehmensanteile ein. Matthias Kaiser und Hannes Straß halten zu gleichen Teilen 51 % der Unternehmensanteile. „Beide Investoren besitzen als Gartenliebhaber auch eine emotionale Bindung zum Unternehmen, was sich auf die vier bis fünf Gesellschafterrunden im Jahr sehr positiv auswirkt“, beschreibt Straß. Neben der mittlerweile auf Wragge Gärten umfirmierten Garten- und Landschaftsbau GmbH in Backnang existiert noch eine Immobilien GbR. Hier halten Straß und Kaiser ebenfalls 51 %, aber neben den beiden bereits genannten Investoren stieg noch ein weiterer Kunde von Wragge ein, was gleichzeitig steuerliche Vorteile für das gesamte Konstrukt bietet. Der zum Übernahmezeitpunkt noch existente Pflanzenhandel wurde aus der bestehenden Immobiliengesellschaft herausgelöst und bis Ende des Jahres 2023 komplett abgewickelt, da eine Rentabilität nicht mehr gegeben war. Der Schaugarten am Firmengebäude hingegen bleibt erhalten, da er ein wichtiges Werkzeug bei der Kundengewinnung darstellt, denn immer weniger Menschen können sich vorstellen, wie sich Garten anfühlt. Genau das aber lässt sich hier erfahren und das macht bei der Beratung besonders viel Freude, hierin sind sich Kaiser und Straß einig, die mittlerweile auch Mitglied einer bundesweiten Erfa-Gruppe sind. „Alle zwei Jahre gibt es ein großes Treffen bei einem Mitgliedsunternehmen und wir freuen uns schon jetzt, wenn im Jahr 2025 der Austausch bei uns in Backnang stattfindet“, sagt Kaiser.

Neue Unternehmensführung

„Nach der Zusage der Investoren entwickelte Unternehmensberater Alexander Tockuss (damals noch Geschäftsführer der RWT Unternehmensberatung GmbH in Reutlingen, ab Januar 2025 selbstständiger Unternehmensberater in Tübingen) als insgesamt dritter in der Linie der involvierten und hinzugezogenen Berater zusammen mit der Steuerberaterin das für die Banken notwendige Zahlenmaterial zur Finanzierung“, erläutert Kaiser. Die Volksbank bot gute Konditionen, der dortige Vorstand kannte sowohl den Gründer Jürgen Wragge als auch Carl Krauch und sprang vor Jahren, als die Sparkasse bei einem Zahlungsausfall als Hausbank ausstieg, für deren Position ein. Die ab Frühsommer 2022 extrem dynamische Zinsentwicklung bescherte den beiden neuen Unternehmern allerdings innerhalb weniger Stunden abweichende Zinskonditionen. Der für Matthias Kaiser bewilligte Kredit um 18 Uhr lag bereits um 1 % höher als das Angebot von Hannes Straß, um 16 Uhr desselben Tages. „Wir haben dann erfolgreich nachverhandelt“, verraten Straß und Kaiser. Am 4. Oktober 2022 wurde die Übernahme durch alle vier Gesellschafter beim Notar offiziell besiegelt.

Alexander Tockuss hat die Nachfolger und Investoren beraten.
Alexander Tockuss hat die Nachfolger und Investoren beraten. © RWT Reutlingen

Erheblicher Beratungsaufwand

„Die größte Herausforderung dieses hochkomplexen Prozesses war die betriebliche und daran anschließend die steuerliche und rechtliche Optimierung für alle Beteiligten“, beschreibt Tockuss, der diese nicht alltägliche Übernahme erst ab Februar 2022 moderierte und fachlich begleitete. Tockuss wurde mit Unterstützung des Verbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg ins Boot geholt. Die Interessen des Verkäufers, die Belange der Käufer sowie der beiden Privatinvestoren mussten unter einen Hut gebracht werden. „Für die beiden Existenzgründer Matthias Kaiser und Hannes Straß waren aufgrund der nicht vorhandenen Übernahmeerfahrung ganz andere Informationen essenziell und wichtig als für die Investoren, die beide über eine hochkarätige Professionalität in diesem Bereich verfügen“, erläutert Tockuss. Zu Anfang waren weder die Beteiligungsform noch die Höhe der Anteile festgelegt. Unterschiedliche Möglichkeiten, von der Gewährung eines Darlehens, bis hin zu einer stillen oder auch direkten Beteiligung wären denkbar gewesen. „Auch ein alleiniges Investment der Privatinvestoren in die Immobilien wurde anfangs erörtert. Aus diesem Puzzle entwickelten wir dann in der recht kurzen Zeit von einem halben Jahr ein für alle stimmiges Gesamtkonzept“, skizziert Tockuss. Der Umfang dieser Beratung wurde anfangs von allen Beteiligten unterschätzt. Zudem war für den Immobilien- und Pflegebereich eine neue steuerliche Strukturierung notwendig. Die Ertragsentwicklung und die Liquiditätsflüsse der Jahre vor dem Verkauf zeigten ein durchaus lohnendes Investment auf, was vor allem für Straß und Kaiser die notwendige Sicherheit bezüglich der Tilgungsleistung bot. Tockuss vergleicht diesen vielschichtigen Beratungsprozess gerne mit dem Kundenwunsch einer Gartenumgestaltung. Hier geht der Kunde für die Umsetzung seiner vielfältigen Ideen meist nur von einigen Tausend Euro aus, was dem Realitätscheck und der gewünschten Qualität nicht standhält. „Weder im Garten noch bei der Unternehmensberatung ist Stückwerk erwünscht, das häufig Folgekosten und Streitigkeiten nach sich zieht und deshalb immer eine durchdachte Planung und Umsetzung rechtfertigt“, argumentiert Tockuss. Die Anteile der Wragge Gärten GmbH werden heute überwiegend über eigene Beteiligungsgesellschaften der einzelnen Gesellschafter gehalten.

Gleich auch die Abläufe verändert

Seit März 2024 läuft bei der Wragge GmbH das Berichtswesen digital, was wesentlich verlässlichere Daten für Detailpositionen in den Einzelprojekten bringt. Eine kurzfristige Erfolgsrechnung ging aber bereits seit der Übernahme monatlich an alle Gesellschafter und gibt bis heute Aufschluss darüber, wo die aktuellen Projekte aus Rentabilitätssicht stehen. „Jetzt läuft auch keine Baustelle mehr aus dem Ruder“, berichten Straß und Kaiser.

Auch beim Vertragswesen gab es einige Veränderungen: Der im Voraus mit den Kunden abgeschlossene Bauvertrag enthält eine Widerrufsbelehrung und alle rechtlich notwendigen Standards. Bevor unter dem Vertrag keine Unterschrift von Seiten der Bauherrschaft geleistet ist, erfolgt keine Baustelleneinrichtung. Ebenfalls im Vorfeld werden die Pflegeanleitungen für Rasen, Holz, Beläge usw. versendet, damit man auch bei diesen Positionen auf der sicheren Seite steht, berichten die beiden Geschäftsführer. Sicherlich eine Besonderheit bei Wragge ist die Position des Lageristen. „Eine lohnende Stelle“, betont Straß. Zum Aufgabengebiet von Gottfried Hess gehört der tägliche Anruf gegen 16 Uhr bei allen Vorarbeitern, um die Materialien für den nächsten Tag zu kommissionieren. „Abgeladen werden die Autos von den Kolonnen, beladen werden sie von unserem Lageristen, der auch für den Einkauf der Schüttgüter sowie Kleinmaterialien und Werkzeuge zuständig ist“, erklärt Kaiser. Größere Investitionen werden gemeinsam mit der Geschäftsleitung besprochen. Innerhalb der Unternehmensführung unterliegen Hannes Straß der gesamte Pflegebereich sowie die Bauleitung der Projekte. Matthias Kaiser ist für die Akquise, die Gartenplanungen sowie die Betriebsführung zuständig.

Besonderheit Geomantie

Die Geomantie – das Erspüren der Identität eines Ortes, um diesem durch Planung und Gestaltung einen noch tieferen Ausdruck zu verleihen – war eine Leidenschaft von Carl Krauch, die sich durch das gesamte Unternehmen zog. „Ich lasse dieses Thema in meinen Erstgesprächen und Kundenberatungen anklingen, verfolge es aber ohne entsprechende Kundenresonanz nicht weiter“, erläutert Kaiser sein heutiges Vorgehen. Dennoch tut es dem gesamten Team gut, dass im Betriebsgebäude baubiologisches Wissen mit geomantischer Kunst vereint ist und die Räume mit den Menschen für ein harmonisches Arbeiten in Einklang bringt.

„Für unsere Teamentwicklung und auch für unsere eigene Entwicklung als Führungspersönlichkeiten haben wir fünf Mal im Jahr unseren Coach Franz Leckel im Haus“, verrät Kaiser. Nach der Übernahme im Oktober 2022 wurden die beiden Geschäftsführer ab Januar 2023 mit ersten konkreten Führungsaufgaben hinsichtlich ihres Personals konfrontiert. „Unsere Mitarbeitenden hatten selbstständig begonnen, ihre Tätigkeitsfelder neu abzustecken, es gab nur noch ein Nebeneinander oder Gegeneinander und kein Miteinander oder Füreinander mehr, das war erschreckend“, erinnert sich Straß. Franz Leckel ermöglichte durch seine Erfahrung eine neue Teamfindung und erschloss vielen Mitarbeitenden, aber auch den Chefs selbst eine persönliche Weiterentwicklung. Feedback, Selbstreflexion und eine ehrliche offene Kommunikation sind der Schlüssel zu einem erfolgreichen Miteinander im Team, was in der Umsetzung nicht immer einfach ist. Zwei Mitarbeiter trennten sich vom Unternehmen, alle anderen sind geblieben. „Für mich war dieser Schritt von der Bauleitung in die Geschäftsleitung enorm. Plötzlich war ich selbst der Chef, fand mich bei den Veranstaltungen des Verbands und auch in der beim Verband angeschlossenen Erfa-Gruppe unter anderen Unternehmerinnen und Unternehmern wieder. Ich pendelte anfänglich zwischen Euphorie und Ernüchterung, hatte einiges an Lehrgeld auf meinem persönlichen Konto zu verbuchen und bin nach zwei Jahren Weiterentwicklung auf dem richtigen Kurs“, beschreibt Straß seine Erfahrungen.

Aktuelle Ausrichtung

Außergewöhnliche Privatgärten und deren Pflege bleiben fest im Fokus der Wragge Gärten GmbH. Die Ausführung mit fast ausschließlich heimischem Naturstein, wie zum Beispiel Muschelkalk oder bayerischem Granit sowie Pflanzen aus nahegelegenen Baumschulen, deren Quartiere und Baumparks sich auch für Besuche mit Kunden eignen, stehen dabei ebenso auf der Agenda wie eine nachhaltig orientierte Beratung. „Wir fragen beispielsweise bei Pools exakt die Nutzungsintensität ab und informieren, wie viel Energieeinsatz hinter solchen Wünschen steckt, um die Sinnhaftigkeit aufzuzeigen“, beschreibt Kaiser. „Die Nachfrage nach hochwertiger Gartenpflege ist bei uns nach wie vor ungebrochen. Hier wird nicht über Preise diskutiert, sondern unsere Arbeit hoch geschätzt und in der Regel bekommen wir komplett freie Hand. Unsere Stammkunden wollen ihre Gärten vor allem genießen“, ergänzt Straß. Die Investition in eine eigene Hackschnitzelanlage, Solarthermie auf dem Dach und eine 80.000 Liter Zisterne lassen auch den Betriebshof samt Betriebsgebäude in einem nachhaltigen Licht erstrahlen. Eine kleine Dreingabe ist der großzügige Nutzgartenbereich mit Gewächshaus, den die Azubis mit einer Mitarbeiterin gemeinsam bewirtschaften und der alle, die Lust darauf haben, mit ehrlichen Lebensmitteln versorgt, die ab und an auch gemeinsam auf dem Firmengrill zubereitet werden.

Und manchmal findet man bei seinen Gartenprojekten sogar neue Mitarbeiterinnen, wie beispielsweise die Landschaftsarchitektin Giya Elisabeth George, die Untermieterin einer Kundin war. Jetzt ist sie bei Wragge für das digitale Aufmaß, die 3-D-Visualisierung der Gärten und die Social-Media-Kanäle zuständig.

Betriebsdaten
  • Firmengründung: 1965
  • Gesellschaftsform: GmbH
  • Geschäftsführer: Matthias Kaiser und Hannes Straß
  • Umsatz: 4,4 Mio. € (2023)
  • Gewinn: 300.000 € (2023)
  • Materialkostenanteil: 32 % (2023)
  • Betriebsmittellohn: 21,08 € (2023)
  • Kalkulator. Stundenlohn: 39 € (2023)
  • Durchschnittl. Verrechnungssatz: 61,50 € (2023)
  • Mitarbeiter: 38, davon 3 Ingenieure, 1 Techniker, 1 Meister, 6 Gesellen, 4 Azubis, 7 Ungelernte, 7 Verwaltungsangestellte
  • Mitarbeiter Büro: 7
  • Bauleiter: 2,5
  • Baustellenleiter: 7
  • Kolonnen: 8
  • Fuhrpark/Maschinen: 4 Pkw, 6 Lkw/4 Pritschen, 2 Bagger/Minibagger, 5 Radlader
  • Auftraggeberstruktur: Privat (95  %), Gewerbe (5 %)
  • Umsatz nach einzelnen Leistungsbereichen: Hausgarten (88 %), Gewerbebegrünung (2 %), Schwimmteichbau (5 %), Dachbegrünung (5 %)
  • Mitgliedschaften: VGL BW, BuGG
  • EDV-Lösungen: KS21, KER Plus, Vektorworks, GalaWork
Kontakt

Wragge Gärten

Donaustraße 5, D-71522 Backnang Telefon 07191/900 81 30 info@wragge-gaerten.de www.wragge-gaerten.de

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