
Biodiversität im Stundenplan – in Österreich und der Schweiz läuft’s
Während man in Deutschland noch darüber diskutiert, ob und wie sich Themen wie naturnahe Gartengestaltung und der Erhalt der Artenvielfalt in die Ausbildung zum Landschaftsgärtner integrieren lassen, ist man in Österreich schon weiter. Hier gibt es seit Juli 2024 den neuen Ausbildungsberuf „Klimagärtner“. In der der benachbarten Schweiz hat es seit mehr als zwei Jahren die Weiterbildung zur Fachperson Biodiversität.
von Susanne Wannags erschienen am 11.11.2025In der Liste der „Green Jobs“, die das österreichischen Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) herausgibt, ist der Landschaftsgärtner ein „Green Job im weiteren Sinne“. „Dass der Solartechniker und der Heizungsinstallateur zu den Green Jobs zählt, der Gärtner aber nicht, konnten wir als Branchenvertreter so nicht stehen lassen“, sagt Rudi Tautermann, Geschäftsführer von „Die Grünraum-Oase“ in Schwarzach im Pongau. Gärtnerkollege Herbert Eipeldauer III., Innungsmeister der Wiener Innung für Gärtner und Floristen und Geschäftsführer der GaLaBau-Firma Eipeldauer in Wien war derselben Meinung.
Knapp ein Jahr dauerte es, bis nach vielen Gesprächen die Gesetzesvorlage für den Lehrberuf des Klimagärtners im Juli 2024 den Nationalrat passierte. Der erste Lehrgang in der Berufsschule hat im Januar dieses Jahres begonnen. Rudi Tautermann war einer der ersten, der mit der Ausbildung zum Klimagärtner in seinem Betrieb startete. Aktuell ist die Berufsschulklasse der Klimagärtner noch klein - das wird sich nach Tautermanns Ansicht schnell ändern. „Die Ausbildung zum Klimagärtner spricht junge Menschen an. Viele haben ein großes Interesse an einem Beruf, in dem sie Natur erhalten können. Sie möchten der Erde die Natur zurückgeben - und zwar besser, als sie sie von unserer Generation bekommen haben.“
Basiswissen plus ökologische Schwerpunkte
Während sich die Inhalte der Ausbildungsordnung zur „Garten- und Grünflächengestaltung“ eher techniklastig lesen, wird beim Klimagärtner explizit auf die Auswirkung seiner Tätigkeit auf Natur und Umwelt eingegangen. Pflanzen sind nicht mehr „nur“ Baustoff, sondern eine wichtige Grundlage für die Klimawandelanpassung. Die Ausbildung zum Klimagärtner dauert drei Jahre. Die Inhalte basieren auf dem Beruf des Landschaftsgärtners mit der Vertiefung von Themen wie Pflanzenkunde, Be- und Entwässerung sowie Dach- und Fassadenbegrünung.
„Eine wichtige Rolle spielt auch die Kommunikation“, sagt Tautermann. „Schließlich ist es wichtig, dass man dem Kunden sowohl die ökologischen Zusammenhänge als auch die eigenen Leistungen erklären kann.“ Dass es für den Beruf auch von Seiten der Auftraggeber eine große Nachfrage geben wird, daran besteht für Tautermann kein Zweifel. „Gesetzliche Vorgaben, aber auch der Klimawandel lassen Grün immer wichtiger werden.“ Hitze- und Lärmreduktion in der Stadt, Entsiegelung von Flächen, Regenwassermanagement, Bauwerksbegrünung und der Einsatz von Pflanzen, die mit Hitze und immer länger anhaltenden Trockenphasen klarkommen - das alles gehört zur nachhaltigen Stadtentwicklung, bei der der Klimagärtner eine entscheidende Rolle spielen wird.
Eine Weiterbildung, die allen nutzt
Die Nachfrage nach fachkundigem Personal, das sich mit der Anlage naturnaher Gärten auskennt, steigt. Das hat man auch beim Verband der Schweizer Gärtnermeister, Jardin Suisse, festgestellt und 2022 den Lehrgang „Fachperson Biodiversität“ ins Leben gerufen. Petra Hausch ist Leiterin Kommunikation und Marketing bei Jardin Suisse und weiß um die Nöte der Betriebe. „Einerseits haben wir Fachkräftemangel, andererseits haben wir unter den jungen Leuten viele, die sich für die Natur stark machen. Daher wollten wir eine Weiterbildung anbieten, die allen Anspruchsgruppen nutzt.“ Gerade mal ein halbes Jahr hat es gedauert, bis der Lehrgang konzipiert war. „Wir haben dazu bestehende Module aus der höheren Berufsbildung entsprechend angepasst.“
Der Kurs besteht aus drei Pflicht- und einem Vertiefungsmodul. Pflicht ist ein Modul, das sich mit Bodenpflege, Pflanzenschutz sowie Pflege und Ernährung der Pflanzen befasst. In einem weiteren Modul geht es um den Unterhalt naturnaher Lebensräume im Siedlungsraum. Das dritte Pflichtmodul sind die „Green Power Days“, bei denen die Teilnehmer sich mit Akteuren aus der Grünen Branche, aber auch zukünftigen Kunden vernetzen können und in immer wichtiger werdenden Themen wie ganzheitliche Grünflächenbeurteilung, Potenzialermittlung, Begleitung von nachhaltigem Unterhalt und ökologischer Aufwertung sowie Qualitätsmonitoring geschult werden. Ziel ist es, aus Fachpersonen echte Fachpersönlichkeiten zu machen.
Netzwerken mit grüner Power
Die sechs Vertiefungsmodule reichen von Gebäudebegrünung über die Permakultur und Baumkontrolle bis zu Trockenmauern, je nachdem, welche Kenntnisse die Teilnehmer mitbringen oder erwerben wollen. Während jedes der Module von Interessenten auch separat gebucht werden kann, sind die Green Power Days ausschließlich Teilnehmern vorbehalten, die die gesamte Weiterbildung absolvieren. Dabei handelt sich um fünf einzelne Tage, in denen die Absolventen sowohl weiteres Fachwissen als auch soziale Kompetenzen erwerben. Die Teilnehmenden erhalten außerdem einen Praxisauftrag, dessen Ergebnisse am letzten Tag präsentiert werden.
Barbara Willi ist Baumpflegerin und eine der ersten Absolventinnen des Lehrgangs „Fachperson Biodiversität“. „In der Baumpflege räumen wir oft das ab, was für die Natur eigentlich wertvoll ist“, sagt Willi. „Ich empfehle beispielsweise wo möglich, das Totholz liegen zu lassen beziehungsweise im Garten einen Totholzhaufen anzulegen.“ Als Vertiefungsmodul im Kurs wählte die Baumpflegerin aufgrund ihrer Vorkenntnisse das Modul Baumkontrolle und Obstbaumschnitt. Was ihr am Lehrgang besonders gefallen hat waren die Pflanzenkenntnisse, die sie sich aneignen konnte, auch wenn dabei natürlich viel Eigeninitiative gefragt war. „In der kurzen Zeit kann man fachlich nicht in die Tiefe gehen. Allerdings bekommt man viele Informationen darüber, wo man sein Wissen vertiefen kann, wenn man das will.“ Eine ihrer Leidenschaften ist die Unterpflanzung von Bäumen mit Wildstauden. Das kommt dem Baum zugute, dessen Wurzelraum so vor Begehung geschützt ist.
Soziale Kompetenz: so wichtig wie Fachwissen
Die Green Power Days sind Barbara Willi ebenfalls in guter Erinnerung. Ebenso wichtig wie das Zertifikat zum Abschluss sind sowohl das Netzwerk als auch die soziale Kompetenz, die sich während dieses Moduls entwickeln. „Wir haben dort sehr viel über Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation erfahren. Es waren einige intensive Tage mit dem Coach Cristian Moro, die uns auch auf unsere Präsentation vorbereitet haben.“ Für ihre Abschlussarbeit gestaltete Willi den 800 m2 großen Garten der Nachbarn naturnah um – ein Glücksfall. „Ich war die Einzige, die Vorher-Nachher-Bilder präsentieren konnte.“ Die Vorstellung des Abschlussprojekts fand vor Publikum statt – geladen waren beispielsweise GaLaBau-Unternehmer, potenzielle Auftraggeber aus Industrie und Gewerbe sowie Vertreter von Verbänden, Vereinen, Kantonen und Kommunen. „Die Präsentation war schon anspruchsvoll für Menschen wie mich, die sich ansonsten in Baumkronen verstecken“, schmunzelt Willi.

Bis jetzt haben 35 Teilnehmer den Lehrgang abgeschlossen, aktuell befinden sich 50 Personen in der Ausbildung – und die Nachfrage steigt. „Das liegt auch daran, dass wir mit unseren Modulen sehr praxisorientiert ausbilden“, ist Petra Hausch überzeugt. Die empfohlenen Voraussetzungen für den Kurs sind eine fundierte Grundausbildung in der Grünen Branche oder Erfahrung in der Grünflächenpflege. Selbständige und Angestellte, Landschaftsgärtner, Produktionsgärtner oder Hauswarte - woher die Teilnehmer kommen ist völlig unterschiedlich. Was Hausch allerdings besonders freut: „Einige unserer Teilnehme, die eine Ausbildung und Berufserfahrung haben, haben im Anschluss schon Stellen bekommen, für die eigentlich ein Hochschulabschluss gefordert war.“ Das zeigt zum einen, wie fundiert die Weiterbildung ist, zum anderen, wie groß der Bedarf an kompetenten Fachpersonen ist.





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