Was macht der Landschaftsbau, Herr Henne?
Seit 2009 findet die Avela-Tagung an der Hochschule für Wirtschaft- und Umwelt in Nürtingen statt. Avela steht dabei für Akademie für Vegetationsplanung und Landschaftsbau. Ins Leben gerufen als praxisnahe Tagung, wird hier jährlich ein Mix an Themen von Vegetationsplanung, Vegetationspflege, Landschaftsbau, Materialien und Technologien diskutiert. David Zimmerling hat für uns mit Prof. Dipl.-Ing. Sigurd Henne, dem Leiter der Akademie, gesprochen.
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10 Jahre Avela-Tagung
DEGA: 10 Jahre Avela-Tagung: Hat man da nicht schon alles diskutiert?
Henne: Ich glaube nicht. Es gibt immer wieder neue Aufgaben und Aspekte. Einerseits Themen, die sich durch die aktuellen Veränderungen der Städte ergeben. Aber auch die Grundlagen von Planen und Bauen von Freiräumen sind aktuell starken Veränderungen unterworfen. Die Themen werden uns nicht ausgehen.
DEGA: Genehmigen wir uns einen kurzen nostalgischen Rückblick: Erinnern Sie sich noch an die erste Avela-Tagung?
Henne: Ja, ich erinnere mich sehr gut an den großen Saal im Tagungszentrum K3N und das Thema Dauerhaftigkeit, das heute mit dem Begriff der Lebenszykluskosten ja sehr aktuell geworden ist. Damals war auch noch nicht klar, ob wir den Erwartungen der Partner und der Hochschule gerecht werden können. Die steigenden Teilnehmerzahlen haben gezeigt, dass wir die Ansprüche der Hochschule und Partner und vor allem der meisten Teilnehmer mehr als erfüllen konnten. Avela ist wirklich ein Verbindungsglied zwischen Hochschule und der Praxis geworden und ein Treffpunkt der Fachleute der Branche.
DEGA: Was waren Ihre Highlights in den letzten zehn Tagungen?
Henne: Für mich waren es neben den besten Vorträgen auch immer die fachlichen Diskussionen mit den Teilnehmern und den Vortragenden. Gerade die Frage- und Antwortrunden haben die Themen immer zugespitzt und die gegensätzlichen Positionen klar gelegt. Auch die Teilnehmer haben mit ihrer Kenntnis sehr viel zur fachlichen Breite der Tagungen beigetragen.
DEGA: Die Avela-Tagung fand auch mal in der Stadthalle in Nürtingen statt. Das war doch eher ein festlicherer Rahmen für eine Fachtagung als das Foyer der Hochschule. Auch hat man eine Zeit lang die Teilnehmer für zwei Tage nach Nürtingen eingeladen. Ist die Avela-Tagung auf Rückzugskurs?
Henne: Nein. Wir haben durch unsere Umfragen bei den Teilnehmern festgestellt, dass der intensive fachliche Austausch und die Darstellung der Pflanzungen in den Gärten besser funktionieren. Zudem konnten wir die Beiträge der Teilnehmer dadurch niedriger halten.Den zweiten Avelatag konnten wir nicht erhalten, weil die Fahrten zu den Besuchsorten durch die Verkehrssituation in der Region faktisch unkalkulierbar geworden sind. Dafür haben wir dieses Jahr Avela-Praxistag speziell für den Galabau neu geschaffen. Das Signal ist: Avela entwickelt sich weiter und bietet zielgenaue Angebote. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der DEULA tut uns dabei sehr gut.
Themen der Avela-Tagung
DEGA: Avela steht für Akademie für Vegetationsplanung und Landschaftsbau. Es wird also bewusst die Vegetation vor die weiteren Aufgaben des Landschaftsbaus gesetzt. Klingt das nur besser, da „grüner“ oder steckt da eine Botschaft dahinter?
Henne: Nein, beide Aspekte werden durch Avela gleichgewichtig vertreten. Manche Jahre sind bei unseren Tagungen die Themen „grüner“, manchmal „baulicher“. Ich glaube wir haben in den letzten Zehn Jahren ein breites Spektrum abgedeckt und sind auch für andere Themen offener geworden.
DEGA: Nach welchem Prinzip suchen Sie die Themen für die Tagung aus? Die Avela hat sechs Akademiepartnern aus der Industrie. Bekommen Sie manchmal einen Anrufen der Firmen mit Themen wünschen?
Henne: Wir erarbeiten die Themen der jährlichen Tagung gemeinsam mit allen Avela-Partnern. Alle können Themen und Inhalte zu Vorträgen vorschlagen. Wir diskutieren dann schon im Herbst alle zusammen über die Themen und Vorträge des folgenden Jahres. Vielfach geht es bei der Themenfindung um Aktualität, aber auch um unseren Anspruch Zukunftsthemen anzuschneiden. Es gibt darüber immer eine - wie ich finde - sehr fundierte Abstimmung. Ich unterstütze dabei u.a. bei der Ideenfindung und Qualitätssicherung.
DEGA: Jede einzelne Avela-Tagung deckt ein weites Spektrum an Themen ab. Worin sehen Sie den Vorteil verglichen zu themenbezogenen Tagungen?
Henne: Durch dieses Konzept können wir Bezüge zwischen verschiedenen Fachsparten zu einer Fragestellung herstellen. Für die Teilnehmer besteht der Vorteil, dass sie auch Themen und Aspekte mitbekommen, deren Bedeutung Sie zunächst nicht überschauen konnten.Zudem wird der Teilnehmerkreis dadurch durchmischter. Das ist uns wichtiger, weil sich so ganz unterschiedliche Gruppen treffen und miteinander diskutieren können.
DEGA: Haben Sie eine Verschiebung der Themen verspürt, in denen die Landschaftsgärtner interessiert sind?
Henne: Ich glaube, auch beim Galabau ist das Interesse an allen Aspekten der Pflanzplanung und Pflege gewachsen. Wie schon gesagt haben wir seit diesem Jahr auch den Avela-Praxistag erfolgreich eingeführt. Ziel des Praxistages ist es, hochwertige praktische Umsetzung und neuartige Bauweisen in den Mittelpunkt zu stellen und konkret vorzuführen. Damit kommen wir gezielt den Erwartungen von Landschaftsgärtnern und Entscheider im Galabau entgegen.
Zukunft des Landschaftsbaus
DEGA: Die Begriffe Nachhaltig und Wertigkeit sind allgegenwertig. Und „Lebenszykluskosten“ vielleicht der nächste In-Begriff. Wie sehen Sie den Landschaftsbau aufgestellt, Planung und Pflege zu verbinden?
Henne: Eigentlich hat der Landschaftsbau alle Voraussetzungen, um die Themen, die mit der Nachhaltigkeit verbunden sind, in der Zukunft noch besser zu besetzen. Gute Ansätze sehe ich schon, wenn man zum Beispiel das Interesse an insektenfreundlichen Pflanzungen denkt. An einigen Stellen fehlen aus meiner Perspektive aber noch das Know-how bei komplexeren technischen Themen und manchmal auch die planerischen Grundlagen. Trotz der vollen Auftragsbücher rate ich den Betrieben, sich jetzt schon für diese Zukunftsaspekte noch besser aufzustellen.
DEGA: Brauchen wir vielleicht einen neuen Bachelor-Studiengang oder einen Dualen Studiengang, der die Verbindung zwischen Planung, Ausführung und vor allem Unterhaltung enger knüpft?
Henne: Ich glaube, die landschaftsbaulich orientierten Studiengänge und Vertiefungen bieten schon eine gute Grundlage. Wir haben in unserem Studienschwerpunkt Planen und Bauen unter anderem das Fach Baupraxis geschaffen. Mit Unterstützung des Verbandes Galabau BW analysieren unsere Studieren dabei Bauablauf und Baustellenmanagement von realen Projekten in intensiver Zusammenarbeit mit den Baufirmen. Ich kann mir vorstellen, diese Ansätze in Zukunft weiter zu vertiefen. Ob ein dualer Studiengang Verbesserungen zu den aktuellen Angeboten bringen würde, kann ich nicht beurteilen.
DEGA: Oder muss es vielleicht sogar eine neue Landschaftsgärtner-Berufsausbildung geben? Einen Pflegegärtner, der den Weitblick für die Entwicklung von Anlagen hat und auch mit Management Aufgaben vertraut ist und nicht nur Unkraut zieht?
Henne: Ich glaube, dass für den Anfang zumindest eine Zusatzqualifikation Pflege/Pflegemanagement Sinn machen würde. Wenn man sich die Pflegprobleme im öffentlichen Raum ansieht, ist auf jeden Fall die Notwenigkeit für mehr Fachleute in diesem Bereich da.
DEGA: 10 Jahre Avela-Tagung, 20 Jahre Silbersommer-Mischpflanzung. Sind wir im Zeitalter der Systemlösungen für den Landschaftsbau? Verlieren wir dadurch das „Handwerk“ des Landschaftsgärtners und regionale Baukunst?
Henne: Auf keinen Fall. Ich glaube sogar, dass neben Systemlösungen immer mehr kompetente und breiter ausgebildete Handwerker für die vielen Themen des Landschaftsbaus notwendig sind. Individuelle und innovative Lösungen sind für die neuen Herausforderungen und für lebenswerte Städte unabdingbar. Ohne kompetenten Handwerker als Partner auf den verschiedenen Gebieten können wir Landschaftsarchitekten so viel planen wie wir wollen. Eine hochwertige und dauerhafte Umsetzung kann nie gelingen.
DEGA: Was sehen Sie als größere Herausforderung für die Zukunft des Landschaftsbaus? Den Klimawandel oder den Fachkräftewandel?
Henne: Den Fachkräftemangel. Ich denke, wir sollten alle noch viel mehr Anstrengungen unternehmen, um junge Leute, Umsteiger und Zuwanderer für dieses Handwerk zu gewinnen. Ich sehe auch noch viel Potenzial, die fehlenden Bewerber in Europa zu finden.Dazu ist aber eine tragfähige Struktur aufzubauen, um sie nicht nur beruflich zu integrieren.
Wie reagiert die Avela auf die Zukunft des Landschaftsbaus?
DEGA: „Wer schreibt, der bleibt“. Eng verbunden mit Management und Controlling sind Nachweispflichten, Gutachtenwesen, und weitere rechtliche Grundlagen. Ein Thema, was vom Landschaftsbau noch versucht wird zu umschiffen. Sehen Sie Bedarf, die Avela-Tagung mehr auf diese Themen auszurichten?
Henne: Im Prinzip ja. Bei manchen Fragstellungen sind wir aber sehr schnell bei sehr speziellen Themen. Ich sehe da bei einer Hochschule für Wirtschaft und Umwelt aber durchaus Ansatzpunkte. Die Frage ist, ob es uns gelingt, speziell an den Galabau angepasste Angebote zu entwickeln.
DEGA: Dieses Jahr wurde zum ersten Mal der Avela-Praxistag in Zusammenarbeit mit der DEULA Baden-Württemberg veranstaltet. Neben Informationen über Gehölz- und Staudenpflanzungen gab es Input zu Ansaaten sowie das Arbeiten mit Pflegehandbüchern. Wie groß war die Resonanz auf die Veranstaltung? Sehen Sie in solchen kurzen, praktischen Formaten die Zukunft der Weiterbildung von Landschaftsgärtnern und Planern?
Henne: Wir hatten von allen Seiten eine sehr positive Resonanz und werden das Format weiterführen und weiterentwickeln. Zusammen mit den Angeboten des Verbandes kann der Avela-Praxistag ein guter Baustein für die Zukunft sein. Ich hoffe, wir können auch die Angebote zur Vertiefung der Pflanzenkenntnisse für die Landschaftsgärtner/Innen in den Lehr- und Versuchsgärten weiter ausbauen.
DEGA: In den letzten Jahren sind spürbar mehr Studierende in der Ausrichtung der Tagung involviert und auch in den Reihen sieht man mehr. Genießen Sie die Anwesenheit der Studenten?
Henne: Ich freue mich sehr über die Resonanz und das Engagement der Studierenden. Sei es die vielen studentischen Helfer oder die Beiträge des Studenten-Cafés. Es sind meistens die Guten und Motivierten, die sich engagieren. Sie tragen viel zur guten und entspannten Atmosphäre der Tagung bei. Ich glaube, dass auch die Studierenden spüren, dass Tagung auch für sie gemacht ist. Ein Baustein ist sicher auch der Avelapreis der Partner für die Studierenden. Zudem spricht sich auch langsam bei den Planern und Landschaftsbauern herum, dass die Tagung ein gutes Event ist, den Nachwuchs kennen zu lernen.
DEGA: Gibt es Pläne, die Avela-Tagung noch attraktiver für Studierenden zu machen?
Henne: Ja, und die haben was mit einem konkreten Bauprojekt zu tun. Näheres muss aus Strategiegründen leider noch geheim bleiben (lacht).
Letzte Frage:
DEGA: Wenn Sie frei wählen dürften, welchen Redner würden Sie gerne einmal nach Nürtingen einladen?
Henne: Angesichts der allgemeinen politischen Lage - Barack Obama. Nein, Scherz beiseite. Wir sind schon seit Jahren an Piet Oudolf dran. Wir würden ihn gerne hören und ihm neugierige Fragen zu seinen Planergeheimnissen stellen (lacht).
Den Link zur Avela-Tagung finden Sie hier.
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