Ich bin es leid ...
... hat DEGA-Chefredakteur Tjards Wendebourg seinen aktuellen Kommentar überschrieben. Statt uns mit der Lösung von Problemen beschäftigen zu können, verpufft viel Energie mit der Beseitigung des Sands im Getriebe.
Aber lesen Sie selbst.
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Als ich für den Aktuellteil dieser Ausgabe recherchiert habe, traf ich auf einen frustrierten Landschaftsgärtner, der einen Flüchtling ausbildet und sich alleingelassen fühlt: Nicht nur von der Politik, sondern auch von seiner Berufsständischen Vertretung, der Verwaltung und allen, mit denen er rund um diese Ausbildung zu tun hatte.
Er bedankte sich für das GaLaBau-Bilder-Wörterbuch, das eine der wenigen Hilfen auf dem Weg gewesen sei, ihm aber beim Umgang mit Ämtern und Kommunikation irgendwann auch nicht mehr geholfen habe.
Nun sind wir nie davon ausgegangen, dass das Buch jedes mit der Integration einhergehende Problem löst. Wir haben es seinerzeit konzipiert, um nur eines der Probleme anzugehen: die Vermittlung von Fachsprache. Aber bereits als es darum ging, das Werk zu finanzieren, ist uns schnell klargeworden, woran dieses Land wirklich krankt: Es fehlt schlichtweg an Menschen, die Lust darauf haben, Probleme zu lösen. Es ist bequemer, sich zwischen den Leitplanken der vorgegebenen Regeln und Abläufe zu bewegen, als die Augen aufzumachen, die Probleme zu erkennen und sich zu überlegen, wie man sie lösen kann. Und dabei bin ich weit davon entfernt, das beliebte Politikbashing zu betreiben. Ich meine uns alle; also mehr oder weniger uns alle.
Ich hatte seinerzeit vorgeschlagen, das Buch anderen Branchen vorzustellen. Wir hätten das Konzept kostenlos zur Verfügung gestellt (obwohl es viel Zeit verschlungen hat – in erste Linie meine Zeit). Ich habe mit Ministerien gesprochen, mit der Arbeitsagentur, mit dem Bundesamt für Migration. Es gab Lob, es gab Interesse, aber es gab nie jemanden, der verantwortlich war. So blieb es beim GaLaBau-Bilder-Wörterbuch. Keine Version für Kommunen, für die Gastro, für die Pflege. Es bleibt allein auf weiter Flur.
Das GaLaBau-Bilder-Wörterbuch ist nur ein kleiner Indikator für unser nationales Dilemma. Vieles wäre gar nicht so schwer zu lösen, wenn es ausreichend Leute wollten oder bereit wären, die Lösungen zu sehen. Das Buch steht stellvertretend für die vielen ungelösten Probleme dieses Landes, um die lieber Schlammschlachten geführt werden, statt sich der Lösung zu widmen.
Wer, wie ich, auf das abgelaufene Jahr aus dem Blickwinkel eines lösungsorientierten Mitmenschen zurückblickt, hat es schwer, sich nicht frustrieren zu lassen. Und ehrlich gesagt, bin auch ich es manchmal leid. Ich bin es leid, dass Kompetenz durch Lautstärke und Anstand durch Skrupellosigkeit ersetzt wird. Ich bin die Sonntagsreden ebenso leid wie die stumpfsinnigen Parolen von denen, die eh noch nie etwas Konstruktives zur Gesellschaft beigetragen haben. Ich bin das dumpfe Nachgeplapper hohler Phrasen genauso leid wie die Bequemlichkeit derjenigen, die einfach nur ungestört bleiben wollen. Ich bin die politischen Ränkespiele leid, die nie Gesellschaft und Zukunft im Sinn haben, sondern immer nur den eigenen Machterhalt. Ich bin das Gejammer leid um jede wegfallende Subvention, als sei es selbstverständlich, dass der Staat bestimmte (und zum Teil sehr fragwürdige) Privilegien protegiert. Ich bin noch vieles mehr von dem leid, was uns davon abhält, unsere Zukunft konstruktiv zu gestalten.
Aber ich werde mich trotzdem nicht entmutigen lassen. Ich hoffe, Sie auch nicht. Wir haben in der Blitzumfrage für diese Ausgabe nach Ihren Vorsätzen gefragt. Ich habe welche. Und ich würde mir wünschen, dass wir uns in diesem Jahr wieder auf unsere Stärken besinnen. Dass wir weniger auf andere zeigen und uns stattdessen fragen, was wir selbst tun können. Dass wir um Lösungen ringen, statt uns zu beschimpfen. Dass wir aufhören, alles als selbstverständlich anzunehmen, nur weil es zufällig da ist. Es ist nichts selbstverständlich. Es geht uns verdammt gut. Und wenn das so bleiben soll, müssen wir endlich den Arsch hochkriegen und etwas dafür tun.