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Checkliste: Regenwasserrückhaltung in der Kommune

So lässt sich die Schwammstadt realisieren

Stark- und Dauerregenereignisse werden durch den Klimawandel ebenso häufiger, wie Hitze- und Dürreperioden. Für die Kommunen heißt das, Strategien für beide Extremsituationen zu entwickeln. Daraus ist die Idee der „Schwammstadt“ entstanden. Wir haben eine Checkliste aufgestellt, welche Elemente zur Umsetzung der Schwammstadtidee beitragen können.

von Tjards Wendebourg/Daniela Bock erschienen am 30.06.2025
In der Bahnstadt Heidelberg dienen Kanäle der Retention und sind zugleich attraktive Gestaltungselemente. © Tjards Wendebourg, Redaktion DEGA GALABAU
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Was ist eine Schwammstadt?

Eine Schwammstadt („Sponge City“)  ist ein stadtplanerisches Konzept, das in Kommunen jeder Größe darauf abzielt, Niederschlagswasser nicht einfach in die Vorflut abzuleiten, sondern lokal aufzunehmen, zu speichern und zu nutzen, um es den vorhandenen Pflanzen und dem Wasserkreislauf zuzuführen. Entsprechende Gemeinden sollen wie ein Schwamm wirken, der Wasser aufsaugt und bei Bedarf wieder abgibt, um Überflutungen zu reduzieren, Trockenperioden zu mildern und das Stadtklima zu verbessern.“

Vorbemerkungen

  • In jeder Stadt ist es anders: Aufgrund unterschiedlicher Niederschlagsmengen, Bodenbeschaffenheiten und Siedlungsstrukturen sieht die Schwammstadt an jedem Ort anders aus und hat unterschiedliche Schwerpunkte („Arbeiten mit dem Ort“)
  • Weg von der Philosophie „ableiten um jeden Preis“: In der Vergangenheit bestand die Priorität darin, dass Wasser von der Fläche zu bekommen. Doch mit gleichzeitig zunehmenden Starkniederschlägen sowie Dürreperioden besteht die Aufgabe darin, das Wasser auf der Fläche zu managen. Möglichst viel Wasser muss möglichst lange in der Fläche gehalten, versickert, verdunstet oder zeitverzögert abgeleitet werden.
  • Die Ausnahme steht im Vordergrund: Konzepte müssen immer vom Extremfall (Dürre und Sturz-/Dauerregen) gedacht werden: die vielen ‚normalen‘ Tage können unsere Infrastruktur und unsere Formelwerke problemlos bewältigen.
  • Kleine Schritte führen auch zum Ziel: Jeder Quadratmeter Entsiegelung und jedes abgehängte Regenrohr sind eine Entlastung für die Gesamtheit – niemand sollte sich von scheinbar ‚kleinen Lösungen‘ entmutigen lassen.
  • Alle Flächen gemeinsam denken: Überhaupt sollte „Schwammstadt“ kleinteilig und individuell gedacht werden! Alle – auch private - Flächen sollten mit einbezogen werden!
  • Dauerhafte Nutzungen einplanen: Das Sammeln/Nutzen von Regenwasser funktioniert nur, wenn man auch regelmäßigen, jahreszeitunabhängigen Durchsatz hat (z.B. Toilettenspülung) - nur für den Einsatz als Lösch- oder Gießwasser funktioniert das Konzept eher nicht
  • Auf den Freiraum kommt es an: Schwammstadt ist kein bauliches Konzept – denn gerade das Bauen vergrößert ja die Probleme – sondern es ist das Kümmern um den Stadtraum, also die belebte Oberfläche einer Stadt.
  • Das Schwammstadt-Konzept ist hochindividuell und dynamisch: Die Schwammstadt ist kein fertiges Produkt, dass man kaufen könnte, sondern ein individuell für die eigene Kommune entwickeltes Konzept in ständiger Weiterentwicklung . Es funktioniert eher durch das Weglassen von Technik, das Ertüchtigen des Freiraums und das Mitwirken aller.
  • Schwammstadt und Schwammlandschaft gehören zusammen: Nicht nur in der Stadt sollten alle Flächen in das Konzept einfließen – gerade in Bezug auf den Hochwasserschutz muss die Stadt in Zusammenhang mit der umgebenden Landschaft gedacht werden. Denn gerade die Hochwassergefahr fällt bereits quellnah an und muss auch bereits dort minimiert werden. (Checkliste Schwammlandschaft)

Allgemeine Maßnahmen

  • Eigentümerunabhängiges Flächenkataster aufstellen: Hier können die Stati aller Flächen gepflegt und die Potenziale hinterlegt werden. So lassen sich sowohl das Versickerungs- und Rententionspotenzial, als auch drohende Abflüsse bei (Stark)Regenereignissen kartieren und mit Ansprechpartnern hinterlegen. Daraus können die Maßnahmen zur Realisierung der Schwammstadt abgeleitet werden.
  • Klare Planung für die Maßnahmenkoordination zwischen den Akteuren in der Verwaltung sowie mit Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz (Aufstellen von Stakeholder-Listen/-Datenbanken): Zahlreiche Akteure verfolgen zum Teil gegensätzliche Ziele beim Management des Wassers. Hier gilt es Prioritäten zu setzen, Bewusstsein zu schaffen und alle Akteure mit dem Ziel „Schwammstadt“ zusammenzubringen.
  • Wassersensible Planung und Vorgabenbelegung aller neuen Bau- und Gewerbegebiete: Jede neue für Bebauung und Infrastruktur vorgesehene Fläche sollte so geplant werden, dass möglichst wenig Niederschlagswasser von der Fläche in den Kanal gelangt und möglichst viel genutzt werden kann. Entsprechende Vorgaben sind bereits von Seiten der Kommune zu hinterlegen (und im Bebauungsplan festzusetzen).
  • Förderung und Subvention aller Maßnahmen, die Wasser in der Stadt halten: Kommunale Fördermittel können helfen, Entsiegelungs-, Retentions- oder Speichermaßnahmen in Bürgerschaft und Gewerbe umzusetzen. Sie können Grundstückseigentümer dazu angeregt werden, wassersensibler zu gestalten.
  • Ausgabe von Gestaltungsfibeln zur wassersensiblen Grundstückgestaltung (z.B. unversiegelte Infrastrukturflächen, Gartenteiche mit Retentionsbereichen, Muldenstrukturen): Begleitend zu kommunalen Auflagen im Hinblick auf wassersensible Gestaltung, helfen Kommunikationsmittel, für entsprechende Gestaltung zu sensibilisieren. Die Auflagen/Vorgaben steigern dann die Effizenz.
  • Vorbildfunktion auf den eigenen Flächen wahrnehmen: Kommunen - und andere öffentliche Körperschaften (z.B. die Wohnungswirtschaft)- sollten in ihrer Funktion als Vorbilder und Schrittmachen auf den eigenen Flächen mit gutem Beispiel vorangehen und die zuvor beschrieben Maßnahmen umsetzen.
  • Unterstützung aller Maßnahmen Dritter (Kommunikation, finanzielle Förderung, Fördermittelmanagement, Unterstützung der Umsetzung): Selbst wenn die Kommune selbst nicht aktiv werden kann/will, kann sie engagierten Akteuren helfen, wassersensibel zu gestalten und damit auch Vorbild sein.
  • Kommunikationsmaßnahmen zur Bewusstseinsbildung innerhalb der Bürgerschaft: Viele Maßnahme stehen und fallen mit der Kommunikation. Gute Kommunikation, die alle mitnimmt, schlüssig erklärt und Sinnhaftigkeit vermittelt, erleichtert es, möglichst viele mitzunehmen und möglichst viel für die Schwammstadt zu erreichen.
  • Aufklärung von und über Bodengutachter / -gutachten: Viel zu oft äußern sich Baugrundgutachten auch en passant über die Versickerungsfähigkeit von Böden. Auf die spezifischen Unterschiede verschiedener Möglichkeiten von Regenwassermanagement wird nicht eingegangen, sondern sehr häufig pauschal eine Versickerung für ‚unmöglich‘ erklärt. Das bringt Kommunen und Investoren völlig unnötig in Haftungssorgen. Verantwortungsvolle, kompetente Planung findet eigentlich immer einen Weg
  • Einleitungsverbot durchsetzen: Nicht vergessen – das Einleiten von Niederschlagswasser in die Vorflut ist gesetzlich untersagt. Deshalb ist konsequentes Durchsetzen aller Maßnahmen zum Management des Regenwassers auf der Fläche gefragt.

Retention/Versickerung

  • Entsiegelung versiegelter Flächen: In der Vergangenheit wurde oft ohne Rücksicht auf Verluste versiegelt und an das Netz angeschlossen. Gerade in Wohnstraßen, auf Stellflächen und Parkplätzen (lassen sich oft extensivere Lösung für die Flächenbefestigung finden Schotterrasen, Rasenpflaster, Wassergebundene Decke, Kies- und Schotterflächen, Rasen etc.).
  • Minimierung weiterer Flächenversiegelung: Je weniger Fläche neu versiegelt wird, desto mehr steht für die Versickerung zur Verfügung. Jede Neubebauung sollte daraufhin bewertet werden. Bei jeder Straßen-, Park- oder Wegefläche ist zu überlegen, wie stark der Grad der Versiegelung wirklich ausgeführt werden muss (Erhöhung des Fugenanteils, nicht-versiegeln von Überhangstreifen in Parkplätzen etc.).
  • Bau von Regenrückhalteeinrichtungen/Modellierung von Flächen: Überall, wo es die Topografie ermöglicht, sollten Retentionsflächen zum Rückhalt von Niederschlagswasser eingeplant werden. Das hält nicht nur das Wasser in der Fläche, sondern erhöht auf auch den Anteil an Biotopen – wenn richtig gepflegt wird.
  • Konzeption von Flächenversickerung über Senken und Mulden: je besser die Versickerungsleistung des Bodens ist, desto weniger komplex muss die Versickerungseinrichtung ausfallen. Bei Sand- oder Humusböden können auch flächige Mulden und flache Senken viel Wasser zurückhalten. Wassersensible Bodenmodellierung ist bei Maßnahmen im Sinne der Schwammstadt ein wichtiger Faktor.
  • Bau straßenbegleitender Versickerungsmulden: Gerade der Straßenraum eignet sich oft, um Wasser (auch kurzfristig) zu speichern. In Kombination mit Ansaaten und Pflanzungen (z.B. angepasste Staudenpflanzungen) wird nicht nur die Versickerungsleistung gesteigert (Lockerung des Bodens), sondern auch die Attraktivität der Schwammstadt gefördert.
  • Planung überflugungsfähiger Bereiche: Größere Fläche können so konzipiert werden, dass sie einer kurzzeitigen Überflutung durch Starkregen oder Überschwemmung standhalten. Multifunktional gestaltete Stadtbereiche – zum Beispiel für Spiel, Sport, Erholung und Biodiverrsität - können nicht nur die Retentionskapazität fördern, sondern erhöhen oft Aufenthaltsqualität und ökologischen Wert der Stadt. Eines der besten Beispiele ist die Flutmulde in Landshut, die die Stadt vor Überschwemmungen in Folge von Starkniederschlägen schützt und den Rest des Jahres als Grüngürtel dient (» siehe Film).
  • Nutzung von Baumstandorten als Retentionsbereich (Baumrigolen): innerstädtische Baumstandorte lassen sich auf die Retentionsleistung optimieren. Allerdings sollte das Wohl der Bäume als Regulatoren des Innenstadtlklimas im Fokus stehen.
  • Renaturierung der kommunalen Gewässer und Gewässerränder (mehr Raum für Bäche und Flüsse, Reaktivierung von Mäanderstrukturen, Auwäldern und Mooren): Je mehr Raum besonders die Fließgewässer bekommen, desto größer ist ihre Pufferwirkung. Naturnahe Gewässer und Ufer sind ein guter Hochwasserschutz. Gerade bei den kleineren Gewässern gibt es zahlreiche Maßnahmen der Renaturierung. Hierfür stehen den Kommunen auch allerlei Fördertöpfe zur Verfügung. Solche Maßnahmen verbessern nicht nur die Wasserrückhaltung, sondern sind gleichzeitig biodiversitätsfördernd und verbessern zudem oft die Aufenthaltsqualität
  • Förderung von Dachbegrünung: Dachbegrünung verringert nicht nur die Aufheizung und bietet besondere Lebensräume. Das Gründach speichert auch Wasser zwischen. Entsprechende Substrate vergrößern die Wirkung. Die Lasten müssen nur rechtzeitig in das statische Konzept eingespeist werden. Gründächer sind wichtige Bausteine des Schwammstadt-Konzeptes.
  • Bau unterirdischer Retentionsbereiche /z.B. Staumraumkanäle/Rigolen) auf Ausbahmen beschränken: Nur dort, wo sich die Retention nicht (vollständig) oberflächlich gewährleisten lässt, können – gerade im Zuge von Baumaßnahmen – auch unterirdische technische Lösungen zur Zurückhaltung des Regenwassers realisiert werden; gerade, wenn es um die Bevorratung mit Lösch- oder Gießwasser geht. Sie sollten aber die absolute Ultima Ratio sein.
  • Die Pflege hat Auswirkungen auf die Retention: Extensiv gepflegte Bereiche mit höherer Vegetation nehmen mehr Wasser auf und geben es durch Verdunstung wieder langsam ab, als kurzgeschorene Vegetationsbereiche, in denen der Boden auszutrocknen droht und die Wiedervernässungshemmnisse die Versickerung erschweren.

Speicherung/Nutzung

  • Bau von Zisternen/Speichern: Soll Niederschlagswasser in größerem Maßstab genutzt werden, bietet sich der Bau von Speicherlösungen an – das können Zisternen oder Becken sein. Meist wird aber das Verhältnis von benötigtem zu speicherbarem Wasseraufkommen ernüchternd sein.
  • Aufbau von Konzepten zur systematischen Regenwassernutzung: Werden Speicherlösungen geplant, wird auch ein Konzept für die Nutzung notwendig, das in enger Beziehung zum Speichervolumen und zur jährlichen Niederschlagsmenge steht.

Diese Checkliste entstand in Zusammenarbeit mit Dipl.-Ing. Daniela Bock MBA, Geschäftsführerin, Landschaftsarchitektin, Stadtplanerin GSP (www.grosser-seeger.de)

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