Der Spieler vom Niederrhein
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Was treibt einen Unternehmer dazu, mehr als 600 km von seinem Betrieb entfernt einen 500 000 Euro teuren Messestand aufzubauen? Das war die erste Frage an Reinhold Borsch, als wir ihn 2015 auf der Giardina trafen. Borsch stand etwas abgekämpft, aber zufrieden in seinem 250 m² großen Garten mit Koiteich, der in drei Lastzügen von Kempen nach Zürich gekarrt worden war.
Wer die Giardina kennt, ist große Auftritte gewohnt. Doch Borsch‘ Garten war auch für schweizerische Verhältnisse eine Ansage. Die Frage also, was den Unternehmer zu dieser Höchstleistung getrieben hatte, lag auf der Hand.
Umso erstaunlicher war die Antwort des 47-Jährigen: „Wir bauen in erster Linie für deutsche Kunden, die hier zur Messe nach Zürich kommen."
Doch wer nach der Messe und dieser Antwort gedacht hatte, Borsch würde scheitern und sich geläutert vom Ergebnis nie wieder auf ein solches Experiment einlassen, wurde eines Besseren belehrt. 2017 war er wieder auf der Giardina, vielleicht sogar noch ein Stück eindrucksvoller.
Auf der Suche nach der besonderen Stecknadel
Unsere Neugier war schon beim ersten Mal geweckt. Borsch hatte einen Japanischen Ahorn in einem riesigen Pflanzgefäß mit in die Schweiz gebracht, Wert: 70 000 Euro . Natürlich wollten wir wissen, wie der Solitär die sechs Messetage überstanden und, was der ganze Auftritt mit ihm und seinen Nerven gemacht hatte. Doch der Unternehmer wirkte ziemlich entspannt. Der Ahorn, erzählte er uns seinerzeit, habe die Messe gut überstanden und sei an einen Kunden in Deutschland verkauft worden.
Danach hat es zwei weitere Giardinas gebraucht, bis wir einen gemeinsamen Termin in Kempen am Niederrhein hinbekommen haben. Denn Borsch sitzt 100 000 km im Jahr im Auto, besucht Kunden und Projekte, besichtigt außergewöhnliche Gehölze und Steine oder betreut die über die gesamte Republik verstreuten Baustellen. Das sind zwar manchmal nur ein bis zwei pro Jahr – die sind aber in der Regel weit weg von zu Hause und dauern entsprechend lange.
Das klingt nach einem ungewöhnlichen Geschäftsmodell, und das ist es auch: Das Konzept des Rheinländers besteht darin, nach Kunden zu suchen, die sich diese Art von Anlagen, auf die er sich spezialisiert hat, leisten wollen. Das ist eine ziemlich aufwendige Suche nach ziemlich exklusiven Stecknadeln in dem Heuhaufen namens Deutschland und Borsch nimmt dafür exorbitante Auftragsgewinnungskosten in Kauf.
Ganz normal angefangen
Aufgewachsen ist Borsch mit Erdbeeren und Champignons. Kempen und die weitere Umgebung bilden Deutschlands Speisekammer. In der fruchtbaren Ebene wachsen neben Zierpflanzen, für die der Niederrhein berühmt ist, vor allen Dingen Obst und Gemüse. Doch Borsch hatte keine Lust auf Feldfrüchte und darauf, den elterlichen Betrieb weiterzuführen. Er lernte Landschaftsgärtner und machte sich kurz nach der Zeugnisübergabe selbstständig. Das war 1992 und war immerhin schon mal ein unternehmerisches Wagnis, wenn auch eines, wie es im GaLaBau häufig vorkommt. Viele stürzen sich nach der Ausbildung in das Abenteuer Selbstständigkeit; nicht wenige ohne eine klare Vorstellung, auf was sie sich einlassen.
Borsch hatte eine Vorstellung und verdiente ein paar Jahre gutes Geld mit ganz normalen landschaftsgärtnerischen Leistungen. Dann ging er das erste Großrisiko ein: Nach dem Kontakt mit einem Garten für Kois gab er alle klassischen Aufträge an einen Mitarbeiter ab und spezialisierte sich. Dabei verengte er das Kundenspektrum auf die sehr spezielle Zielgruppe. Dem gewagten Schritt folgten weitere. 2003 entschied er sich für einen Schaugarten in Kempen und verschuldete sich bis über beide Ohren – ein Schritt, der ihn und seine Frau echt Nerven gekostet hat. Heute sagt er: „Ohne den Schaugarten würden wir hier nicht sitzen, wären wir nie da, wo wir jetzt sind."
Borsch riskierte weiter – etwa mit den beiden Giardina-Auftritten oder dem Kauf der Zulieferfirma 2015, die für Borsch die Trommelfilter gebaut hat. Und schließlich sind jetzt Erneuerung und Erweiterung des Schaugartens ein weiteres Risiko.
Dass er dabei noch nicht so richtig auf die Nase gefallen ist, lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Er muss ein gutes Gespür für das haben, was möglich ist. Denn so viel Glück kann niemand haben.
Jeder Arbeitstag ein Wagnis
Denn in Wirklichkeit ist jeder Arbeitstag ein Wagnis: Borsch reist durch Europa und reserviert Pflanzen, die mehre Jahrzehnte, manchmal Hunderte von Jahren alt sind und sechsstellige Beträge kosten. Er zahlt Scouts in der polnischen Braunkohle für tonnenschwere Findlinge, die er vorfinanziert und anschließend mit Schwertransportern nach Kempen oder zur Baustelle fahren lässt. Er gibt Planungen für mehrere Tausend Euro in Auftrag, von denen er nicht weiß, ob er sie bezahlt bekommen wird. Und er baut Gärten für Millionen per Handschlag – also ohne schriftlichen Auftrag oder Vertrag und ist damit allein auf seine Menschenkenntnis angewiesen. Eigentlich macht er alles das, von dem jeder Unternehmensberater dringlich mahnen würde, die Finger zu lassen. Und er lebt gut damit.
Wir stehen auf der Schaugartenbaustelle in Kempen. Die alte Anlage hat Borsch gerade verkauft. Es war Zeit, wieder zu investieren. Jetzt baut er Stück für Stück an einem neuen Garten, dessen Kosten er nicht an die große Glocke hängen will. Während die Mitarbeiter im Hintergrund per Hubsteiger eine 12 m hohe Kasten-Hainbuche schneiden, werfen wir einen Blick in die Anlage, die ein wichtiger Baustein im Konzept ist – und natürlich auch nach dem Bau noch immer ein Wagnis darstellt. Denn allein der Unterhalt verschlingt eine erkleckliche Summe. Aber dafür schafft Borsch einen Ort, an dem Kunden, die bereit sind, sehr viel Geld für eine repräsentative Anlage auf den Tisch zu legen, sich ein sehr lebendiges Bild davon machen können, wie der Garten später aussehen könnte.
Im nächsten Sommer will er fertig sein. Derzeit wartet der Unternehmer noch auf einige Gehölze, die erst im Herbst versetzt werden können. Mit Holz verschindelte Mauern, 6 bis 7 m hohe Hecken, 35 t schwere Findlinge und ein 3 m hoher, mit Kieseln verkleideter, feuerspeiender Vulkan gehören dann ebenso zur Ausstellung wie eine 200 Jahre alte Kiefer, die Borsch in der Schweiz aufgetrieben hat. Der Bachlauf mit Wasserfall wurde als Relikt des Vorgängergartens in die neue Anlage integriert. Auch einige Beetflächen und Steinlaternen waren zum Teil bereits vorher vorhanden.
Die Akquise der Zutaten ist das Hauptproblem
„Wissen Sie, wie viele Bäume wir aus der Schweiz holen?", fragt Borsch. „Wir zahlen den sechsfachen Preis. Nur um den zu haben", erklärt er. Er würden demjenigen 10 000 Euro Prämie zahlen, der ihm so einen 200 Jahre alten Baum mit Drehwuchs besorgt. „So etwas musst du finden, kriegen, haben", beschreibt er die Leidenschaft für das Besondere. Manchmal fliegt er nur in die Schweiz, um sich einen bestimmten Baum anzusehen. Und man versteht, worum es geht. Borsch fahndet nach Raritäten und baut darum seine Gärten auf. Ein, zwei, drei Gehölze von unfassbarem Wert, kombiniert mit ebensolchen Steinen. Dazu kommen das Betriebsgeheimnis der klaren Koiteiche und einige nette bautechnische Spielereien in guter handwerklicher Ausführung. Der Rest sind die Geschichte und das guten Verkaufen dieser Geschichte.
Gebaut wird schlüsselfertig und mit fünf Jahren Garantie auf jeden Baum. „Der Kunde kriegt den Garten mit dem letzten Lämpchen. Ich will auch keinen anderen Handwerker haben", erklärt der Unternehmer. „Ich brauche deshalb unheimlich viele verschiedene Leute, weil das so viele Gewerke sind." Das, was die eigenen Leute nicht können, liefern Firmen zu, mit denen Borsch eng zusammenarbeitet. Aber immer im Namen des Generalunternehmers. Nur bei den Kois vermittelt er an zwei vertrauensvolle Lieferanten.
Die Kois als Schlüsselmoment
Vielleicht wäre auch alles anders gekommen, wäre der erste Auftrag mit den Kois nicht gewesen. Borsch war fasziniert von der Technik und dem Ergebnis. „Das Problem war – keiner konnte das zu der Zeit so richtig bauen", erzählt er. Denn das Geheimnis eines erfolgreichen Koiteichs besteht darin, die Tiere in klarem Wasser gesund zu halten. Also begann er zu tüfteln. „Wir haben Jahre gebraucht und waren oft auch in Japan, um zu gucken, wie wir das hinkriegen", beschreibt Borsch den Weg. Die eigene Anlage habe er 10- bis 20-mal umgebaut, bis er den Trick raushatte. Das Herzstück ist eine besondere Filteranlage mit Trommelfilter, die Borsch gemeinsam mit dem Betrieb entwickelt hat, der ihm nun auch gehört.
Aber seine Leidenschaft sind nicht die Fische. Die gehören dazu, wie Steinlaternen auch. Seine Leidenschaft sind die Komposition des Besonderen, das Organisieren einmaliger Gehölze und Steine, die später den Garten ausmachen, die Herausforderung des Projekts an sich, der Umgang mit den ungewöhnlichen Kunden sowie das Zusammenspiel von Technik und Natur. Denn das alles macht seine Anlagen aus. Dafür braucht er den Mustergarten, um seinen Kunden die Wirkung der Einzelkomponenten im Kontext der Gestaltung vorführen zu können. Der Aufwand für diesen Effekt ist riesig. „Und dann kommen da fünf Leute im Jahr rein. Das ist krass, oder?" Auch nach gut 25 Jahren staunt Borsch manchmal selbst über sein Geschäftsmodell.
Wieder eine Giardina in Deutschland?
Und dann gibt es noch eine Vision, die den Mann umtreibt: Es will ihm nicht so recht einleuchten, weshalb er nach Zürich fahren muss, um für seine Leistung zu werben. Es gebe hier doch ausreichend Kunden, um so eine Messe zu bespielen, ist der 47-Jährige überzeugt. „Enzo Enea hat auch die Giardina erst auf den Weg gebracht", sagt er und meint damit, dass er die Sache vielleicht selbst in die Hand nehmen muss. Nun gab es ja schon zwei Versuche, das schweizerische Konzept nach Deutschland zu exportieren. Doch es funktionierte weder in Karlsruhe noch in Hamburg; vielleicht auch, weil die deutschen Partner nicht das nötige Kaliber hatten. Borsch kann sich gut vorstellen, einen weiteren Anlauf zu wagen. Für Mitstreiter mit Visionen ist er deshalb offen. Dabei sei ihm der Ort der Veranstaltung gar nicht so wichtig. Hauptsache ist, man könne sie mitgestalten und schaffe das notwendige Umfeld. Denn das braucht er, damit seine Kunden kommen.
Das nächste Ziel ist denn vielleicht auch gar nicht Zürich. Das nächste Ziel könnte London sein. Borsch hat das schon im Kopf durchgespielt. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen auf der Chelsea Flower Show 2019.
Und noch ein wirklich großes Ding hat er im Kopf. Es geht um eine Art virtuellen Spaziergang durch den Schaugarten. Dafür wäre Borsch noch einmal bereit, eine Menge Geld in die Hand zu nehmen. Mehr will er dazu aber noch nicht verraten. Auf jeden Fall würde dabei der Webseite, die schon jetzt ein wichtiges Akquisewerkzeug ist und in die die Firma kräftig investiert, noch größere Bedeutung zukommen. Die tollen Bilder dort lässt Borsch übrigens von dem prämierten Gartenfotografen Jürgen Becker in seinen Gärten machen. Das kostet ihn auch einiges an Geld, aber mit Beckers Bildern lässt sich gutes Marketing machen.
Ein Leben als Energiewunder
Wie er das alles macht, muss für Außenstehende ein Rätsel sein. Mit jedem neuen Garten bekommt Borsch eine Anlaufstelle mehr, die er zwischen März und Oktober drei- bis sechsmal ansteuern muss, um nach der Technik, dem Wasser, den Fischen und den Pflanzen zu sehen. Das ist manchmal nur eine Viertelstunde, die reicht, Präsenz zu zeigen, die Lage zu checken und nach Hause zu funken, was es zu tun gibt. Aber zwischen den einzelnen Anlaufstellen können halt ein paar Hundert Kilometer liegen. Dazwischen muss alles das koordiniert werden, was der Chef selbst übernehmen muss. Um alles andere kümmert sich Sonja Borsch, die ihren Mann so gut abschirmt, wie das in dem Geschäft mit Kunden, die einen auch am Ostersonntag oder an Heiligabend anrufen, wenn was schiefläuft, eben möglich ist. Sie macht die Termine und schickt die Pflegekolonne oder die Koi-Veterinärin los, wenn das notwendig wird. Die Checks kosten den Kunden nichts – oder besser: Er hat sie schon bezahlt oder bezahlt sie mit den Pflegeeinsätzen beziehungsweise den Serviceleistungen, die Borsch sich gut bezahlen lässt. Das Geld ist aber auch notwendig, um den aufwendigen Ablauf wirtschaftlich zu halten. Und den Wagnisanteil kalkuliert er auch deutlich anders als der Durchschnitt; eben in Korrelation zum Wagnis.
Ganz nebenbei zahlt er seine Leute richtig gut. Schließlich ist das auch ein Leben, das man lieben muss, so die meiste Zeit über auf Montage zu sein. „Dat muss man wollen", sagt der Unternehmen im Kempener Dialekt. Die meisten Leute kommen aus der Gegend und sind selbst Freaks – wohl eine Grundbedingung, um bei Borsch zu arbeiten. Dafür sind sie an extrem spannenden Projekten beteiligt, kommen viel rum und werden gut umsorgt. „Die kriegen von uns alles. Die brauchen sich um nichts zu kümmern. Die müssen nur montags ne Tasche mitnehmen", sagt Sonja Borsch.
Was Borsch noch bräuchte, wäre einer wie er selbst – einen Oberfreak, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, der mit den Kunden umgehen kann und am Ende auch das Fachliche beherrscht. „Das Problem ist, einen zu finden, der diese vier Sachen kann – Technik, Wasser, Fische, Pflanzen", meint der Unternehmer. „Mein Mann macht das mit einem Blick", ergänzt seine Frau. „Du siehst ja sofort, was da ist. Andere brauchen dafür zehn Jahre", wirft sie ihm zu. Die Hoffnungen ruhen auf den Söhnen. Der eine ist noch weit davon weg. Aber der andere ist 18, macht gerade eine Ausbildung und arbeitet im Unternehmen mit. Da kann also schon noch etwas draus werden. Aber auch dann ist für einen abenteuerlustigen, fleißigen Vorarbeiter, der gut verdienen möchte, bei Borsch immer noch ein Platz frei.
Fragen bleiben auch nach unserem Besuch. Aber zwischen dem ersten Treffen auf der Giardina und der Verabschiedung in Kempen hat sich viel getan. Wir haben einen Mann kennengelernt, der seine Ziele mit Begeisterung verfolgt, der über ein riskantes, aber in sich schlüssiges Konzept verfügt und der eine Frau hat, die Beraterin und Anker ist, den Weg durch dick und dünn mitverfolgt hat. Man muss weder Kois noch Japangärten mögen, um für die Lebensleistung und den Wagemut der beiden einiges an Bewunderung aufzubringen.
Schwarze und Partner www.schwarzeundpartner.de
Jürgen Becker (Gartenfotograf) www.gartenfotografen.de
Honnendorp 46a, 47906 Kempen
Telefon: +49 21 52/8 02 62, Fax 89 33 39
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