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KOMMENTAR | TJARDS WENDEBOURG

Es sind unsere Kinder

Das ständige Gejammer über den Zustand der Folgegenerationen ist weder zielführend noch gerecht, meint Tjards Wendebourg im aktuellen Kommentar. Besser wäre, wenn wir bei uns selbst anfingen.

von Tjards Wendebourg erschienen am 17.06.2025
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© Barbara Sommer

In der Debatte um die Nachfolge in Unternehmen hört man es ebenso wie in Vereinen, Ämtern und generell auf dem Arbeitsmarkt: Die junge Generation scheue die Verantwortung, sei wenig belastbar und in erster Linie an Freizeit interessiert. Nun ist das Jammern über die Folgegeneration wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Trotzdem hat sich in unserer Welt signifikant etwas verändert, und das sollten wir ernst nehmen, statt die Klagen litaneienhaft zu wiederholen.

Unsere Kinder sind in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass hierzulande niemand hungern muss, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt und Geld entweder immer vorhanden oder leicht zu besorgen ist. Zugleich haben sie mitbekommen, dass Ressourcen zwar scheinbar unendlich vorhanden sind, sich aber trotzdem viele Rahmenbedingungen verschlechtern. Sie haben auch erlebt, dass Geld nie glücklich macht, keine seelischen Wunden heilt – schon gar nicht langfristig. An jeder Ecke bekommen sie Werte vermittelt, die so offensichtlich zweifelhaft sind, dass sie unweigerlich zu Wahrnehmungsdiskrepanzen führen müssen. Unsere Kinder merken intuitiv: Da stimmt was nicht.

Was erwarten wir also von Kindern, denen wir den Leidensdruck genommen haben, wo immer wir konnten, die sich das Wort „Entbehrungen“ erst erklären lassen müssten und die zugleich an immer mehr Stellen die Welt brennen sehen? Welche Ziele setzt man sich, wenn man fast alles hat und vieles unschlüssig erscheint? Auf was arbeitet man hin, wenn viele Werte und Positionen der Erwachsenen fragwürdig erscheinen? Was macht man also? Richtig: Man chillt erst mal. Manche tun das so lange, dass sie aus dem Chillprozess gar nicht mehr rauskommen. Für uns nicht schön – aber ist es deshalb unverständlich?

Bevor wir anfangen, an denen rumzunörgeln, die zu großem Anteil Produkte unserer Erziehung, unserer Gene und der von uns definierten äußeren Umstände sind, sollten wir bei uns selbst beginnen. Das fängt mit einer Analyse ihrer Situation an und reicht zu einer Strategie, die nicht auf Jammern basiert, sondern auf der Frage, was Menschen dazu motivieren kann, sich für Ziele einzusetzen, die wir gesteckt haben. Wenn ich meinen Kindern vorlebe, dass ich fünfmal die Woche im Fitnessstudio bin und es nur um meinen Körper geht – muss ich mich wundern, dass sie den Weg zum Sportwagen zu verkürzen versuchen und lieber Instagramer, YouTuber oder Tiktoker werden wollen? Wo sind die Werte, für die es sich lohnt, viel Risiko zu tragen, viel Verantwortung zu übernehmen und 60 Stunden in der Woche zu arbeiten? Für was? Für wen?

Ich halte es nicht nur für viel zu simpel, sich über folgende Generationen zu echauffieren, sondern vor allen Dingen für zweckfrei. Nicht die wollen was von uns, sondern wir wollen was von denen. Wir wollen, dass sie unsere Projekte fortführen und unseren Ruhestand finanzieren, während wir aus dem Vollen geschöpft haben. Da ist es verdammt noch mal zu erwarten, dass wir wenigstens das notwendige Verständnis aufbringen, die eigenen Werte überdenken, Motivation vermitteln und Perspektiven aufzeigen. Denn es sind und bleiben unsere Kinder – und damit auch unsere Defizite.

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