
Die Oase der anderen
Je mehr sich die Menschen von der Natur entfernen, desto schwieriger wird es, sie für naturnahe Gärten zu begeistern, meint Tjards Wendebourg im aktuellen Kommentar. Denn die Angst vor den Nachbarn bleibt für das soziale Wesen Mensch ein starkes Motiv.
von Tjards Wendebourg, Redaktion DEGA GALABAU erschienen am 28.10.2025„Wir schaffen Gartenoasen für Vögel, Bienen und ihre Familie“, heißt es auf einem der neuen Motive der PR- und Imagekampagne. Doch was ist, wenn die Damen und Herren da draußen gar keine Oasen für Vögel und Bienen wollen? Ein Blick in jedes beliebige Neubaugebiet zwischen Flensburg und Bozen lässt jedenfalls nicht vermuten, dass dort paradiesische Zustände angestrebt werden. Vielmehr scheinen viele Grundstücke – das Wort „Gartengrundstücke“ kommt einem da oft gar nicht mehr in den Sinn – den Zustand von Sterilität pointieren zu wollen.
Dass sich die Menschen in so einer Umgebung wohlfühlen, ist kaum anzunehmen. Nun wird man den zunehmend aggressiveren Ton in der Gesellschaft nicht nur auf das sterile häusliche Umfeld zurückführen können. Schließlich haben ja viele Menschen gar kein eigenes Stückchen Erde. Aber, so weiß ich aus jahreslanger Erfahrung als Gartenberater, das Grundstück spiegelt oft die innere Verfassung ihrer Eigentümer wider. Die Weisheit, dass der Vorgarten (den es oft ja ohnehin gar nicht mehr gibt), die Visitenkarte der Hausbesitzer ist, gilt eben auch für hässliche Anlagen und Garagenvorplätze.
Die Frage ist ja, weshalb alle Welt von Klimawandel und Artensterben spricht, während die Grundstücke immer steriler werden. Und die Antwort lautet wahrscheinlich, dass Unwissenheit, vermeintliche Zeitnot (unter anderem durch Freizeit- und Fitnessstress) und die tief verwurzelte Angst vor dem, was die Nachbarn über möglicherweise als Unordnung empfundene Abweichungen von der angenommenen Norm denken, sich zu einer starken Motivation vereinigen. Die Angst ausgegrenzt zu werden, führt zu einer Sollübererfüllung, zum Versuch, jedes Risiko der Unordnung auszuschließen. Während die grünberankte Mauer im Urlaubsort als ebenso schön empfunden wird, wie die buntblühende Alm in den Bergen, lösen solche Bilder in den eigenen Garten importiert Phantomschmerzen aus. Aus einem einfachen Grund: Für die grüne Mauer und die dynamische Wiese trägt man außerhalb des eigenen Reiches keine Verantwortung. Zuhause macht Dynamik, gefühlte Unberechenbarkeit dagegen Angst. „Was könnten die Nachbarn denken.“
Schon in der Vergangenheit konnten Kunden selten klar formulieren, was sie sich wirklich wünschen. Es war Aufgabe guter Beratung, das Innere der Kundinnen und Kunden in umsetzbare Form zu fassen. Je weniger Vorstellungsvermögen vorhanden ist – und das schwindet automatisch mit der Art heutiger Sozialisation – desto schwerer wird der Job. Denn mittlerweile muss man nicht nur überzeugen, sondern gleichzeitig auch das Selbstbewusstsein stützen und Argumente für die Auseinandersetzungen mit Dritten liefern. Denn die liebste Gartenoase ist die der anderen; jene, für die man nicht die Verantwortung trägt.


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