Gastkommentar: Europa und die Dienstleistungen
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Es hat ein neues Tauziehen um die EU-Dienstleistungsrichtlinie gegeben, und jetzt liegt ein Kompromiss vor, der offensichtlich tragfähig ist.
Es geht um große Teile der Wirtschaft in den nunmehr
25 Ländern des vereinten Europas, und entsprechend heftig wurde um einen gemeinsamen Weg gerungen. Rund 70 % unseres Brutto-Sozialprodukts wird auf dem Dienstleistungssektor erwirtschaftet, der so genannte tertiäre Bereich nach Urproduktion und industrieller Fertigung. Dazu gehören allerdings nicht nur Handwerker, der GaLaBau und der Einzelhandel, sondern auch große Bereiche wie der Personen- und Gütertransport, das Telekommunikationswesen und der Geldverkehr einschließlich Versicherungen. Dies alles hat mit der Richtlinie nichts zu tun.
Der bisherige Streit entzündete sich am „Herkunftslandprinzip“. Danach sollten für Dienstleistungsunternehmen überall auf dem EU-Binnenmarkt nur die Regeln des jeweiligen Heimatlands gelten. Der nun von den Wirtschaftsministern der EU-Staaten gefundene Kompromiss soll zwar die grenzüberschreitenden Dienstleistungen erleichtern, sieht aber nur eine Teilöffnung des Markts vor und schützt vor „Billig-Konkurrenz“ aus Osteuropa. Noch passiert aber nichts: Das Europaparlament, das den jetzigen Kompromiss angestoßen hatte, muss im Herbst 2006 der Richtlinie abschließend zustimmen. Danach muss sie in allen 25 EU-Ländern in nationales Recht umgesetzt werden, sodass sie frühestens Anfang 2009 in Kraft treten kann.
Der ganze Vorgang offenbart ein Problem der europäischen Union: Gegen einen über alle EU-Länder hinweg freizügigen Dienstleistungsmarkt wäre idealtypischer Weise nichts einzuwenden, wenn auch die anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen vereinheitlicht werden könnten. Es geht aber nicht, nur an einer Stellschraube kräftig zu drehen und alles andere beim Alten zu lassen. Solange nicht Steuersätze und Sozialabgaben vereinheitlicht sind, werden solche wohlgemeinten Richtlinien in ihrer Auswirkung für einzelne EU-Länder und ihre Bürger ungerecht. Auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt wurden, mit diesem Kompromiss kann man leben. Bleibt nur zu hoffen, dass auch die Politiker in Berlin bei der nationalen Umsetzung bei dieser Linie bleiben.
www.dega.de, 7. Juni 2006
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