Wie praxisnah sind Absolventen ausgebildet?
Fehlende Praxisnähe und Führungstauglichkeit von Absolventen der Hochschulen und Meisterschulen werden von GaLaBau-Unternehmern und Führungskräften häufig kritisiert. Auch das Verhältnis zwischen Verantwortungsbereitschaft und Gehaltserwartungen wird oft kritisch gesehen. Welche Erfahrungen machen Sie mit jungen Absolventen? Wenn Sie selbst solch einen Abschluss haben: Wie sehen Sie die Situation im Vergleich zu Ihnen, als Sie frisch in ein Unternehmen kamen? Was wünschen Sie sich von Hoch- und Meisterschulen hinsichtlich der Studieninhalte?
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Bettina Engelstädter
Kundenberatung kommt zu kurz
Aus eigener Erfahrung, ich bin staatlich geprüfte Technikerin GaLaBau, kann ich sagen, dass mehr in den Bereich der kundenorientierten Arbeit, also Beratung und allgemeiner Umgang mit dem Kunden, investiert werden muss. Vielen fehlen die sogenannten „soft skills“. Auch der Bereich Abwicklungen, der außerhalb der eigentlichen Baustelle stattfindet, kommt häufig zu kurz. Wann beteilige ich welche Behörde? Wer ist überhaupt zuständig? Welche Formblätter gibt es und wie sind diese auszufüllen? Viele Kunden erwarten mittlerweile, dass im Rahmen des allgemeinen Service eben auch Behördengänge erledigt werden. Auch das Thema Mitarbeiterführung und -Entwicklung kann durchaus erweitert werden.
Bettina Engelstädter ist Gartenbautechnikerin bei GartenBildt in Michendorf bei Berlin.
Eckart Wrede
Kenntnisse stärker an Praxis ausrichten
Ich war selbst zwei Jahre Mitarbeiter an der Hochschule Weihenstephan und war sehr beeindruckt, wie gut ausgebildet und zum Teil sehr engagiert und lösungsorientiert die Studenten in den höheren Semestern arbeiten. Ich denke, dass eine Optimierung zum einen möglich wäre, wenn die Studenten zielgerichteter das lernen würden, was sie für ihre spätere Tätigkeit benötigen. Es ist schade, dass durch die Einführung des Bachelor hier das zweite Praxissemester verloren gegangen ist. Zum anderen halte ich im Zuge der Digitalisierung das Arbeiten mit Datenbanken für unerlässlich. Allerdings ist die realitätsnahe Lehre sehr aufwendig in der Vorbereitung und Betreuung. Ich bin mir sicher, dass die Wichtigkeit der Hochschul-, Meister- und Technikerabsolventen oft erst „on the job" erkannt wird.
Eckart Wrede ist Landschaftsarchitekt in Erding.
Peter Berg
Erfahrung und Praxiszeiten
Grundsätzlich kann man sagen, Erfahrung und Praxiswissen kann man nie genug haben und deren Wert wird von Studenten und Meister- oder Technikerschülern in der Regel immer noch unterschätzt. Nicht nur, dass man Praxisjahre braucht, man sollte auch frei arbeiten können. Das heißt, eigenverantwortlich gestalterische Aufgaben übernehmen. Dies ist in den wenigsten Betrieben möglich. Da die Trennung von Planung und Ausführung gestalterische Entscheidungen in der Praxis nicht ermöglicht. Erst die Durchgängigkeit von Planung, Ausführung und Pflege lässt einen erkennen, worauf es ankommt.
Wie kann jemand planen, wenn er nicht weiß, wie es gebaut wird? Wie kann jemand pflanzen, wenn er nicht weiß, wie es sich entwickelt? Wie kann ein Garten dauerhaft funktionieren, wenn man nicht gekonnt entwickelnd und regulierend eingreift?
Es braucht gute Lehrer und Dozenten, aber auch die besten Trainer für die Praxis. Wir bieten einen offenen Gedankenaustausch und Praxiszeiten studium- und schulbegleitend an. Dies gibt die Sicherheit, dass man während des Studiums die richtigen Schwerpunkte setzt und ein Feedback bekommt, wie man es anwenden kann. Außerdem erhält man so die Sicherheit zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Für uns ist Beruf noch Berufung, und Gleichgesinnten, die mehr als einen bequemen Job suchen, helfen wir weiter.
Peter Berg ist Chef von GartenLandschaft Berg & Co. in Sinzig-Westum.
Julia Schenkenberger
Praxis kommt zu kurz
Fehlende Praxisnähe ist ein Problem vieler Absolventen. Gerade in der Landschaftsarchitektur kommt der Praxisbezug oft zu kurz, der Fokus liegt zu sehr auf der Gestaltung oder auch auf rechtlichen Gegebenheiten. Natürlich müssen auch diese Inhalte vermittelt werden, das steht gar nicht zur Debatte. Aber wenn die frischgebackenen Bachelor-Absolventen dann nach sechs Semestern Regelstudienzeit plötzlich eigenständig arbeiten sollen, kann das natürlich nicht funktionieren. Meiner Erfahrung nach bieten dabei Hochschulen meist noch mehr Praxisbezüge als Universitäten. Trotzdem gestaltet sich der Berufseinstieg auch hier schwierig. Der Betrieb muss die Absolventen also erst „anlernen“. Für beide Seiten ein nervenaufreibender Prozess. Erleichtert werden kann dieser Einstieg aber durch Praxissemester, die in das Studium integriert sind, und/oder ein duales Studium. Wenn die Studierenden schon während ihres Studiums reale Betriebsabläufe zumindest in Teilen kennenlernen, fällt der Brückenschlag danach wesentlich leichter. Daher befürworte ich die Entscheidung einiger Hochschulen, die Bachelorstudiengänge wieder auf sieben oder acht Semester zu verlängern, dafür aber wertvolle Praxissemester in die Struktur aufzunehmen.
Julia Schenkenberger ist Masterstudentin Landschaftsarchitektur aus Grebenstein.
Carsten Ludowig
Berufserfahrung unbedingt notwendig
Ich habe in meinem Unternehmen Absolventen der Meisterschule beschäftigt. Die Absolventen hatten nach der Ausbildung zwei Gesellenjahre und dann die Meisterschule absolviert. Hierin liegt das Problem. Den Absolventen fehlt die Berufserfahrung. Ein Meister mit Ausbildung und zweijähriger Gesellenpraxis hat in der Regel mehr Fragen als Antworten. Dazu kommen die vielfältigen Einzelgewerke des Garten-und Landschaftsbaus, die er beherrschen sollte. Ebenso verhält es sich mit Absolventen der Hochschulen. Ohne die Erfahrungen der Praxis brauchen diese länger, um sich in der Praxis orientieren zu können. Um Mitarbeiter nicht von oben herab zu führen, sollte man einmal selbst am untersten Ende der „Befehlskette“ gestanden haben, um ein Gefühl für diejenigen zu entwickeln, die täglich bei Wind und Wetter Großartiges leisten. Praktische Erfahrungen sammelt man aber nur im beruflichen Alltag auf der Baustelle. Die Gehaltsforderungen sind meiner Meinung nach berechtigt und auch nicht überzogen. Die Leistungsbereitschaft der Absolventen ist in der Regel hoch, die fachliche Kompetenz mangels Erfahrung meistens niedrig und nicht ausreichend.
Carsten Ludowig leitet einen GaLaBau-Betrieb in Seelze.
Karin Nonnenmann
Gehaltserwartungen nicht zu hoch
Eine Ausbildung und daran anschließende eigene Berufserfahrung ist meiner Meinung nach durch nichts zu ersetzen. Auch nicht durch Studieninhalte oder kurzzeitige Praktika. Ich würde mir wünschen, dass Abiturienten zunächst eine Ausbildung machen und erst danach das Studium aufnehmen. Ich finde, dass dann ein Studium auch mehr Spaß macht und deutlich leichter fällt, als wenn man den Lehrstoff nicht aus dem Buch trocken lernen muss, sondern schon mit eigener praktischer Erfahrung verknüpfen kann. Für die Meister- und Technikerschüler wünsche ich mir, dass sie nicht nur die mindestens vorausgesetzte Berufserfahrung haben, sondern gerne ein paar Jahre mehr. Ich sehe nicht das Problem, dass junge Bauleiter zu hohe Gehaltserwartungen hätten. Ich sehe eher das Problem, dass gerade bei kleineren Betrieben die Techniker eine große Verantwortung tragen und schon kleine Fehlentscheidungen eine große Kostenauswirkung nach sich ziehen können. Das kann für den Betrieb sehr teuer werden und das Gehalt schnell um ein Vielfaches übersteigen. Hier ist meines Erachtens eine langfristige und sorgfältige Einarbeitung wichtig.
Karin Nonnenmann führt mit ihrem Mann einen GaLaBau-Betrieb in Mühlacker.
Stephan Osten
Ausbildung vor Studium sinnvoll
In meiner eigenen Studentenzeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass Studenten mit einer abgeschlossenen Ausbildung und Berufserfahrung Lehrinhalte mit ganz anderen Augen betrachtet haben, als solche die frisch von der Schule gekommen sind. Jedoch spielt die Lebenserfahrung hier natürlich auch eine Rolle. Schlussendlich ist wahrscheinlich für den Absolventen entscheidend, welche Laufbahn er nach dem Studium anstrebt. Im Baubetrieb sollte eine vorherige praxisnahe Berufsausbildung jedoch Voraussetzung sein, damit die alten Hasen sich über den frischgebackenen Hochschulabsolventen nicht kaputtlachen. Mir kommt meine Ausbildung heute noch zugute, etwa 50% meiner Arbeitszeit verbringe ich in der Regel selbst auf der Baustelle.
Stephan Osten ist Inhaber von Eschweiler+Osten Gartendesign in Mönchengladbach.
Britta Weiss
Praxisnaher Unterricht fehlt
Praxisnaher Unterricht wird nicht vermittelt, das ist sehr aufwendig und zeitintensiv. Die Absolventen bringen oft im Vorfeld zu wenig Praxis mit. Die jungen Menschen heute glauben alles muss furchtbar schnell gehen. Schnell fertig sein mit dem Studium bringt aber gar nichts, wenn keine Praxis-Substanz vorhanden ist. Und im Unternehmen soll dann für einen Anfänger viel Geld bezahlt werden, oder es wird zu viel gefordert. Adaptieren kann auch keiner, woher auch. Wie soll einer Normen auswendig lernen ohne zu wissen, wo die dazugehören?
Ich selbst habe sehr lange auf der Baustelle gestanden und viel Lehrgeld bezahlt. Ich empfehle jedem jungen Gesellen, dass er so lange wie möglich auf der Baustelle bleiben soll, bevor er eine Weiterbildung anstrebt. Meister und Techniker werden derzeit mehr gebraucht als Studienabsolventen, die noch nicht einmal eine Lehre gemacht haben, oder denken, dass dies ausreicht.
Das Gärtnerleben ist verdammt groß und irre umfangreich und theoretisch nicht zu lernen. Meine Erfahrungen mit jungen Absolventen sind zu überwiegendem Teil wenig erfreulich. Aber Ausnahmen gibt es immer wieder.
Britta Weiss ist Garten- und Landschaftsbautechnikerin und Sachverständige aus Aspach.
Nina Scholz
Zwei Praxissemester sinnvoll
Ich habe vor zehn Jahren Landschaftsbau- und Management in Freising an der FH-Weihenstephan studiert und habe noch zwei Praxissemester absolvieren dürfen. Jetzt ist es nur noch eines. Man bekommt viel theoretisches Fachwissen mit, muss sich aber erst beim Berufseinstieg seinen Standpunkt erarbeiten, was ja auch positiv ist. Die Praxisnähe im Studium und vor allem praxisbezogene Projekte sind das wichtigste, davon kann man einiges übertragen.
Nina Scholz ist Projektleiterin bei Pohl Gartenwelten in Willmering.
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