Ausgleichende Gerechtigkeit
Haben Gartenpflanzen nicht auch ein Recht darauf, mal hässlich sein zu dürfen? Haben sie, meint DEGA-Kolumnist Stefan Leszko: ganz besonders, wenn ihre Eigentümer sie in der Disziplin noch übertrumpfen. Eine bitterböse Betrachtung.
- Veröffentlicht am
Die Anforderungen an das Erscheinungsbild des eigenen Wohnumfelds sind in den letzten Jahren zunehmend strenger geworden. Vorbei sind die Zeiten g‘schlamperter Gemütlichkeit, heute muss alles makellos durchgestylt sein, klinisch perfekt und steril wie ein Kreißsaal.
Das bekommt auch der Garten zu spüren. Für so profane Dinge wie Regentonnen oder Komposthaufen ist schon lange kein Platz mehr, und auch die pflanzlichen Bewohner haben ganzjährig habtacht zu stehen. Wehe dem, der sich Nachlässigkeiten wie abgeblühte Blütenstände oder welke Blätter erlaubt! Derartige Insubordinationen werden umgehend durch den Mähroboter geahndet, der wie weiland die innerdeutschen Grenzer ganztägig durch das grüne Glück patrouilliert.
Sucht man dann als Gärtner vorsichtig das Beratungsgespräch und gibt der obersten Heeresleitung zu bedenken, dass auch Vergänglichkeit zum natürlichen Kreislauf gehört und kein Lebewesen immer nur blühen kann, so bekommt man brüsk zu hören, Hässliches sei im Garten unerwünscht. Ja, mein Gott noch mal, frage ich mich da, wann haben denn alle diese Zeitgenossen zum letzten Mal in den Spiegel geschaut? Meiner Ansicht nach ist der moderne Zivilisationsmensch das zweithässlichste Säugetier auf diesem Planeten. Noch hässlicher sind nur Walrosse, aber die zählen hierzulande nicht, denn das bundesdeutsche Walross dümpelt kommod bei Hagenbeck im Eismeerbecken und macht keine Gärten unsicher. Womit der homo sapiens in puncto Hässlichkeit zumindest im Gartenbereich auf Platz eins aufrückt. Was sagen Sie? Das gefällt Ihnen nicht? Ja, Herrschaften, wenn Sie die Wahrheit hier nicht vertragen können!
Sofern Sie, anstatt rumzunörgeln, sich Ihre Kundschaft einmal aufmerksam ansehen, werden Sie mir recht geben müssen. All diese unförmigen Fettlawinen, die an den unpassendsten Stellen umherwabbeln, all diese wammenhaften Doppelkinne, die sich bei plötzlichem Nicken nochmals multiplizieren, all diese Ausgeburten des ewigen Fernsehsessels, die, wie man im Rheinland so treffend zu sagen pflegt, wie ein „hinjeschissenes Fragezeichen“ dahertapern und schon im mittleren Lebensalter prädestiniert für den Rollator sind.
Und erst die Auswüchse, die der sogenannten Mode geschuldet sind! Diese grotesken Riesenhornbrillen unter Frisuren, deren Urheber man spontan anzeigen möchte, diese „Trendklamotten“, die Teile der Speckrollen wie Wurstpellen umschnüren und andernorts wieder den Blick auf graffitiartige Flächentattoos, grell kontrastierend auf milchfarbener, mit Piercings garnierter Orangenhaut freigeben – nein, also wirklich, alles, was recht ist: Wer selbst so viel Mut zur Hässlichkeit aufbringt, der sollte seinen Gartenpflanzen wenigstens ein paar gelbe Blätter gönnen.
- Noch mehr Stefan Leszko gibt es übrigens in seinen beiden Büchlein "Gärtner - der schönste Beruf der Welt" (nur noch als E-Book) und "Was Sie schon immer über Gärtner wissen wollten, aber sich bisher nicht zu fragen wagten"
Barrierefreiheit Menü
Hier können Sie Ihre Einstellungen anpassen:
Schriftgröße
Kontrast
100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot
Als Abonnent:in von DEGA GALABAU erhalten Sie pro Kalenderjahr 100 Euro Rabatt auf Ihr Stellenangebot im Grünen Stellenmarkt.
mehr erfahrenNoch kein Abo? Jetzt abonnieren und Rabatt für 2025 sichern.
zum DEGA GALABAU-Abo
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.