Mehr Wert auf die Ausbildung
Christine Andres sieht als Sachverständige viele Fehlleistungen auf der Baustellen. Auch die in Foren gestellten Fragen lassen auf Defizite im Wissenstand schließen. Sie meint: Wenn wir weniger über fehlende Fachkräfte jammern wollen, müssen wir mehr und besser ausbilden.
von Christine Andres, Dettingen u.Teck erschienen am 26.06.2024Es ist Mittwochvormittag, 25 Auszubildende sitzen in einer Berufsschule und haben mal wieder Zeichenunterricht. Heute geht es um perspektivisches Zeichnen. Sie befassen sich mit Isometrien, mit der Vogelperspektive, der Zentralperspektive und vielem mehr. Damit die zukünftigen Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtner das auch gleich am praktischen Beispiel lernen, sollen sie die unterschiedlichen Perspektiven anhand von Mauerscheiben darstellen.
Nun sind Mauerscheiben ja ein Baustoff, der im Garten- und Landschaftsbau ganz häufig verwendet wird. Daher ist hier ein Bezug zur Praxis gegeben. Das ist durchaus ein erfreulicher Ansatz. Allerdings stellten sich mir dennoch gleich mehrere Fragen.
Welche Fähigkeiten und welches Wissen brauchen Gesellen heutzutage tatsächlich auf der Baustelle? Ist es wirklich das Wissen um verschiedene perspektivische Darstellungen? Und muss ein Geselle heute so etwas unbedingt von Hand zeichnen können, wo es inzwischen doch gute Softwarelösungen gibt? Und gehören solche Ausbildungsinhalte nicht vielmehr in eine Technikerausbildung oder in ein Studium? Und sollte man die wenigen Ausbildungsjahre nicht sinnvollerweise für andere Lerninhalte nutzen?
Auf Facebook gibt es eine wunderbare Gruppe, die GalaBau Profis (siehe S. , mit rund 10.000 Mitgliedern. Hier tauscht man sich außerordentlich kollegial zu allen möglichen Themen rund um den GaLaBau aus. Eine wirklich tolle Sache! Denn keine Frage bleibt unbeantwortet oder unkommentiert.Ich lese dort gerne mit und beteilige mich auch immer wieder selbst daran. Und bin trotzdem immer wieder mal erstaunt, was ich dort mitunter so zu lesen bekomme. Denn teilweise geht es um ganz einfaches Grundlagenwissen, das eigentlich jedem gelernten Gesellen bekannt sein müsste. Gelegentlich führt das dazu, Kollegen zu ermahnen und liebevoll daran zu erinnern, dass es sich um eine Profi-Gruppe handelt und sie solche Posts hier nicht erwarten würden. Trotzdem erhalten auch solche Fragesteller hilfreiche Antworten und Unterstützung. Das Engagement ist wirklich bemerkenswert und löblich, dass man hier eine solche Plattform geschaffen hat, die einen offenen und ehrlichen Austausch fördert und unterstützt.
Bei aller Begeisterung für diese Gruppe, muss man sich trotzdem fragen, warum teils wirklich simple Normen oder Ausführungsregeln nicht bekannt sind und man hier auf Facebook danach fragen muss. Wo liegt hier der Fehler? In den Lehrplänen? In den Ausbildungsinhalten generell oder bei den jeweiligen Ausbildungsbetrieben? Oder liegt er wo ganz anders?
Die Pflanze kommt kaum vor
Meine Tochter befindet sich gerade in den letzten Wochen ihrer Ausbildung. Im September wird sie ihre Abschlussprüfung haben. Sie hatte das Glück, in einem tollen Betrieb zu lernen. Ihr Chef ermöglichte ihr vieles. Auch bereits eigene Baustellen zu übernehmen. Oder einen Pflasterkurs außerhalb des üblichen Lehrplanes. Es ist ein Betrieb, der im hochpreisigen Segment tätig ist und hochwertige Gärten baut. Vegetationstechnische Arbeiten werden dagegen eher weniger durchgeführt, so dass man, übertrieben formuliert, 3 Jahre lernen kann, ohne auch nur einer einzigen Pflanze zu begegnen. Kein Einzelfall, wie ich weiß.
Bei meinem Sohn liegt die Ausbildung bereits ein paar Jahre zurück. Er wechselte damals nach einem Jahr den Ausbildungsbetrieb, weil die Quote von gut 10 Lehrlingen auf einen einzigen Gelernten einfach nicht passte und er so die Abschlussprüfung niemals geschafft hätte.
Ich weiß von einem anderen Fall, wo man einen Lehrling zu Ausbildungszwecken alleine auf dem Bauhof pflastern ließ. Mosaikpflaster im Reihenverband. Und weil er dies nicht auf Anhieb hinbekam, ließ man ihn eben so lange alleine pflastern, bis das Ergebnis nach geschlagenen 2 Tagen passte. Zumindest aus Sicht des Ausbildungsbetriebes.
In meinen Augen sind das Methoden, die längst nicht mehr angewendet werden dürften. Auch oder erst recht nicht im Rahmen einer Ausbildung. Dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind, wie ich es mir während meiner Lehrzeit beinahe täglich anhören musste. dürfte inzwischen doch längst überholt sein. Zumal sich die Rahmenbedingungen extrem verändert haben.
Der Arbeitnehmermarkt lässt grüßen
Denn egal, wohin man schaut, überall stößt man auf Stellengebote, in denen händeringend nach Mitarbeitern gesucht werden. Von Gesellen, über Fahrer, bis hin zu Bauleitern und Vorarbeitern. Dem Arbeitswilligen stehen unglaublich viele Möglichkeiten und Angebote offen. Er hat schlichtweg die freie Wahl, weil es deutlich mehr freie Stellen als Fachkräfte gibt.
Wir haben in den letzten Jahren immer mehr Quereinsteiger erlebt, die einen völlig anderen Beruf gelernt haben, sich aber später ganz bewusst für den GaLaBau entscheiden und diesen Schritt nicht bereut haben. So unattraktiv kann das Berufsbild also nicht sein. Dann muss der Grund für die vielen freien Stellen doch auch mit in der Ausbildung zu suchen sein. Müssen wir hier dann nicht unseren besonderen Augenmerk darauf legen, diese noch besser und attraktiver zu gestalten? Damit junge Leute wirklich gerne in den GaLaBau kommen und dort auch bleiben? Weil sie erkennen, dass wir als Grüne Branche bereits jetzt einen ganz wichtigen Auftrag und Job haben? Einen, der sogar in der Zukunft noch bedeutsamer werden wird?
Weil es eine Arbeit mit einem tieferen Sinn ist, wie ihn andere Branchen sicherlich ganz lange vergeblich suchen werden? Das ist doch das, was zukünftig im Zuge von New Work noch mehr an Bedeutung gewinnen wird, weil es in der jüngeren Generation schon lange nicht mehr darum geht, zu arbeiten, nur um Geld zu verdienen.
Ausbildung braucht Raum
Junge Menschen erwarten heute mehr von Arbeit und vom Leben. Da könnte der GaLaBau etwas bieten. Aber anstatt bei ihnen die Leidenschaft für unseren schönen Gärtnerberuf zu entfachen, vergessen wir ihnen Pflanzenkenntnisse zu vermitteln, lassen sie lieber Mauerscheiben aus Beton in mindestens fünf verschiedenen Perspektiven zeichnen und erwarten allen Ernstes, dass sie jeden Tag motiviert in die Berufsschule kommen.
Eine zwei- oder dreijährige Ausbildung kostet die Betriebe richtig viel Geld. Ich kann gut verstehen, dass sie versuchen, die Auszubildenden möglichst wirtschaftlich und effizient einzusetzen. Ich stelle aber immer wieder fest, dass mit diesem Vorgehen in vielen Betrieben ein ganz großer Teil der Ausbildung auf der Strecke bleibt. Weil man sich auf der Baustelle oftmals nicht die Zeit nimmt oder nehmen kann, ihnen Dinge wirklich in aller Ruhe zu erklären.
Allerdings ist auch nicht jeder Vorarbeiter ein begnadeter Ausbilder, dem man ohne Weiteres einfach ein paar Lehrlinge mitschicken kann. Und trotzdem werden sie nicht selten ausgerechnet dem wortkargen Einzelkämpfer mitgegeben, der mit Ausbildung so gar nichts am Hut hat.
Ja, ich weiß, eine gute Ausbildung fordert von den Betrieben extrem viel! Nicht nur an Organisation, sondern auch Engagement und vielem mehr. Und ganz viele Unternehmen machen da eine ganz vorzügliche Arbeit!
Wollen wir aber dem permanenten Fachkräftemangel großflächig entgegenwirken und uns nicht länger beschweren, dass die Auszubildenden von heute nichts mehr taugen, kommen wir nicht umhin, uns intensiv Gedanken zu machen, wie Ausbildung in der Branche so verbessert werden kann, dass sie die täglichen Herausforderungen auf der Baustelle wirklich abbildet und ein solches Fachwissen vermittelt, dass Facebook-Gruppen nur noch zum Austausch von ganz besonderen Problemstellungen gebraucht werden. Und wenn wir uns als Grüne Branche gegenüber anderen Gewerken weiterhin unverwechselbar und unaustauschbar machen wollen, wird es höchste Zeit, dass wir auf Pflanzen und alles, was damit zusammenhängt, einen ganz besonderen Augenmerk legen. Dazu braucht es allerdings auch viel mehr Menschen, die nicht nur Freude am Ausbilden haben, sondern es auch von ihrem Fachwissen und vor allem von ihrer Führungspersönlichkeit her können. Train the trainier quasi. Fangen wir doch hier als allererstes an.
Zwischen Januar 2021 und Februar 2024 hat Florian Lau für uns die Serie „Wissen für Ausbildende“ in 39 Teilen geschrieben, die wir hier immer noch für Sie vorhalten. Darin wird mit dem Ausbildungsrahmenplan als Leitfaden erklärt, wie man die einzelnen Themenbereiche im Ausbildungsalltag organisiert und Lust auf Wissensdurst macht.
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