Im Einsatz für die gute Sache
Livio Coduri ist ein Tausendsassa der schweizerischen Pflästererzunft. Der gelernte Pflasterer führt ein eigenes Unternehmen, ist Geschäftsführer des Mörtelherstellers Acosim und sitzt im Vorstand seines Verbandes. Sein Ziel ist es, die Qualität von Natursteinarbeiten zu steigern.
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Der Mann steht für schweizerisches Understatement. Das Büro der Firma Ammann & Coduri liegt im Keller seines Privathauses in einer Wohnsiedlung in Sichtweite des Zürichsees. Der 48-jährige Unternehmer führt mit seinem Kompagnon ein 8-Mann-Unternehmen, das sich auf Pflasteranlagen im Privatbereich spezialisiert hat. Aber Coduri ist nicht irgendein Handwerksunternehmer. Der Schweizer mit italienischen Vorfahren hat das Pflasterhandwerk mit dem Sandkastenspiel aufgesogen, sich für sein Bestehen und seine Entwicklung eingesetzt. Bereits der Onkel hatte in Zürich ein kleines Pflasterer-unternehmen, in dem der Neffe das Handwerk von der Pieke auf gelernt hat.
1991 übernahm Coduri nach sieben Jahr-en Akkordpflastern die Filiale seines vormaligen Arbeitgebers und gründete 1992 mit Lukas Ammann die heutige Firma. Bis 1994 wuchs das gemeinsame Unternehmen auf 15 Mitarbeiter, bis die beiden Inhaber feststellten, dass es in dieser Betriebsgröße keinen Spaß mehr macht. „Das spricht sich rum, dass du mit 15 Mann eine entsprechende Auslastung brauchst, und dann stehst du unter Preisdruck“, sagt Coduri heute. Von da an reduzierte das Unternehmen den Mitarbeiterstamm und verlegte sich auf das Privatkundengeschäft, mit Schwerpunkt kleinteilige Pflasterungen, wie Familienwappen, Ornamente und Pflasterbilder. „Die Schweizer sind keine Heimwerker, die wollen, dass die Sachen gemacht werden, und zwar fachlich richtig“, ist die Erfahrung des Unternehmers. Dabei läuft das Geschäft ganz stark über die Beratung: „Zeit, die du dir am Anfang nimmst, sparst du am Ende ein,“ sagt Coduri. Oder andersherum: Wer am Anfang Zeit einspare, müsse sie am Ende drauflegen. Dabei sei der Wert der Arbeit für die Wertsteigerung der Immobilie ein wichtiger Teil der Beratung und oft muss Coduri auch erklären, weshalb er teurer ist als ein Gartenbauer, denn ähnlich wie in Deutschland sind die Pflästerer, so heißt die Zunft in der Schweiz, dem Bauwesen zugeordnet und fallen unter dessen teureren Tarifvertrag, während die Landschaftsgärtner mit ihren Tarifen unter das Landwirtschaftsgesetz fallen.
Ausbildung ist Chefsache
Zwanzig Azubis hat der Betrieb im Laufe seiner Existenz durch die Ausbildung geschleust. Diese Zahl ist umso beeindruckender, wenn man weiß, dass jährlich in der ganzen Schweiz nur acht bis zwölf junge Menschen das Pflästererhandwerk erlernen – und das auch erst, seit sich Coduri für die Ausbildung stark gemacht hat. In der Vergangenheit gab es Jahre, in denen kein einziger Pflasterer ausgebildet wurde. Es ist noch gar nicht lange her, dass die Regierung in Bern die Zunft – wie in Deutschland bereits vor langer Zeit geschehen – ganz dem Straßenbau zuschlagen wollte. Doch seit nicht zuletzt auf Coduris Initiative hin das Ausbildungszentrum in Alpnach/ZH gegründet wurde und sukzessive zum europäischen Pflastererkompetenzzentrum ausgebaut wird, gilt die Eigenständigkeit des kleines Gewerks erst mal wieder als gesichert.
In Zusammenarbeit mit dem Gärtnerverband „JardinSuisse“ können nun auch die Landschaftsgärtner von der Aus- und Weiterbildung in Alpnach profitieren; was in der Pflästererinnung nicht nur Fürsprecher fand. Der eine oder andere Unternehmer hatte Angst, dass der Gartenbau als Konkurrenz im Privatbereich weiter an Bedeutung gewinnt. Doch das sieht Coduri gelassen. Ihm gehe es darum, die Qualität allgemein zu steigern. „Wenn ein Gärtner gut ist im Umgang mit dem Stein, dann ist es mir egal, was er ist“, ist sein Plädoyer. Im Großen und Ganzen gehe es aber auch darum, dem Gärtner seine Grenzen aufzuzeigen – und dazu müsse der eben auch erst mal wissen, wie komplex das Gewerk ist. Schließlich sei das ja auch eine betriebswirtschaftliche Frage: „Wenn man das genau nach der schweizerischen Ausführungsnorm macht, dann sieht der ganz schnell: Scheiße, da mach ich ja nicht 30 bis 40 m²/Tag, sondern nur 5 oder 10 m². Da brauche ich ja auch einen anderen Preis, da hab ich mich ja verschätzt“, fasst der Pflasterer seine Erfahrungen mit Landschaftsgärtnern zusammen.
Wie komplex das Gewerk wirklich ist, kann man derweilen vor der Tür studieren. Dort pflastern Chris, Sebastian und Sohn Dario Coduri die privaten Terrassen des Unternehmers neu – als Polygonalverband kombiniert mit Quarzit-Kleinsteinen. Sebastian Abicht kommt aus Berlin und hat bei Coduri das Plästererhandwerk gelernt. Die beiden anderen gehören zur Familie. Dario Coduri ist 18 und gerade in der Ausbildung. Der 27-jährige Chris ist der Stiefsohn aus zweiter Ehe – er macht gerade die 5-jährige Lehre im Rahmen der Erwachsenenbildung. Die Nähe zum Handwerk steckt offensichtlich an – denn zusammen mit dem Sohn vom Bruder seiner zweiten Frau, der ebenfalls das Pflastern erlernt, sind die Coduris im Verhältnis zur Gesamtzahl der Auszubildenden in der Schweiz leicht überrepräsentiert, um es einmal bescheiden zu formulieren. Gleichzeitig belegt es Coduris These, dass besonders die Unbekanntheit der Zunft dafür verantwortlich ist, dass sich so wenige junge Leute für eine Lehre entscheiden – dort, wo man mit dem Handwerk in Kontakt kommt, scheinen sich auch Jugendliche dafür zu begeistern. Die drei Jungen haben jedenfalls sichtlich Spaß bei der Arbeit – wenn sie den Aufwand auch unterschätzt haben. Die Fläche dauert eine Woche länger als gedacht, weil jede Platte einzeln mit Hammer und Steinbeil zugerichtet wird. Verlegt wird wie bei Coduri üblich auf einem 4/8er Monokorn-Mörtel. Die Platten werden zusätzlich mit einer Haftschlämme bestrichen. Als Unterbau dient eine 16/32er Sickerbetonplatte – die bei Neubauten als Schutz vor Setzungen zusätzlich an der Wand aufgehängt wird.
Drei Verfahren lernt ein Pflästerer: die ungebundene und die gebundene Bauweise sowie die Mischbauweisen – alle drei für Platten und Pflastersteine. Das komplexe sei aber sicherlich auch, einem Stein anzusehen, wie er sich später verhält und welcher Vorbehandlung er unterzogen werden müsse, meint der Schweizer. Für ihn ist das heute noch so: Ein Stein, den er nicht kennt, kommt erst mal ins Labor. Er wird in Wannen auf unterschiedliche Art eingebaut und mit Wasser behandelt. Nach einem Monat zeigt der Stein, wie er sich verhält; ein Pflasterer braucht einen gewissen Auftragsvorlauf.
Dass man als Gärtner kaum nebenbei lernen kann, was andere in drei Jahren lernen, dürfte jedem einleuchten. Coduri kann das sogar belegen – auch wenn er es nicht sonderlich gern tut. In den Bereich „Sonderaufgaben“, den er beim Verband betreut, fallen auch die Gutachten, wenn sich jemand über Bauschäden beklagt. Und wer ein bisschen nachhakt, erfährt, für welche Branche er die meisten Gutachten schreibt. Landschaftsgärtner sind eben keine gelernten Pflasterer ...
Einsatz für das Monokorn
Als er zum ersten Mal in Monokorn verlegen sollte, habe er auch erst mal gesagt, was für‘n Quatsch, gibt Coduri zu. „Aber wenn du das erst mal gemacht hast, siehst du, dass es viel einfacher und dazu sicherer ist.“ Seitdem setzt sich der Schweizer für die Bauweise ein. „Wir haben die Theoretiker überzeugen können, dass man einen nicht qualifizierten Beton in einen Normausschreibungstext hineinnimmt“, erzählt er über seine Arbeit im entsprechenden Fachausschuss. Denn in der Schweiz wird über den Normausschreibungstext genau festgelegt, in welches Material verlegt wird. „Das ist in Deutschland anders, da kann man schreiben, was man will, das ist verrückt“, meint Coduri. Mittlerweile baut der Unternehmer seine Pflasterungen nach dem gleichen Bauprinzip. Als Tragschicht wird mit dem Fertiger – oder im Hausgarten händisch – eine Sickerbetonplatte in Monokorn 16/32 eingebaut. Gepflastert wird in eine Bettungsschicht 2/5 oder 4/8. Beide Schichten enthalten maximal 250 kg/m³ Zement, um nicht die Hohlräume mit Bindemittel zu schließen. Als Fugenmaterial wird bei 5-mm-Fugen ein 0/2er oder bei Pflasterungen mit 10-mm-Fuge auch 0/4er Mörtel eingesetzt, der dank Stützkorn selbst größere Dehnbewegungen des Steins abpuffert. Bei der Bauweise müsse man nicht berechnen, wie viel Wasser da durchfließe. „Bei einer zementären Fuge sind das ja nicht derartig viele Liter, dass das auffallen würde – selbst wenn ich da den einen oder anderen Haarriss habe.“ Denn Haarrisse in den Fugen – zumindest solche, die von der Ausdehnung und Schrumpfung des Materials kommen – sind anders als in Deutschland in der Schweiz noch kein Mangel. „Der gut beratene Kunde weiß ja, das wenn ich eine Zementfuge mache, dass das eine ,gerissene Sache‘ ist, wie wir es nennen. Wir sehen ja auch nicht 50 Jahre gleich aus“, meint der Unternehmer.
Insgesamt sichere nur die Monokorn-Bauweise die Dauerhaftigkeit des Bauwerks: „Wenn ich Estrich 0/4 verwende und schlage da den Stein rein – in den seltensten Fällen habe ich den Fall, dass der Mörtel richtig verdichtet ist. Zwischen den Steinen habe ich dann ganz unverdichtetes Material, das kann ich ja nicht schlagen“, erklärt der Schweizer die Problematik herkömmlicher Bauweisen. „Bei Estrich sammelt sich das Kondenswasser an der Unterkante des Steins, das Bindemittel baut sich ab und irgendwann ist da nur noch Sand,“ sagt Coduri. Der umgewandelte Zement und transpirierendes Kondenswasser führen dann zu „Ausblühungen an der Steinoberfläche.“ 90 % der Flächen würden bei ihm gebunden oder in Mischbauweise – also mit gebundenen Fugen – ausgeführt, meint Coduri. „Unsere Kundschaft will kärchern, will wischen, will keinen Sand im Haus auf dem Mamorboden.“ Wenn doch ungebunden gebaut wird, sind die Fugen als Sandfugen mit TKB 100 (Brechsand/Trass/Kalkgemisch). Die 3 bis 4 N/mm2 Druckfestigkeit reichen gerade aus, um feucht drüberzuwischen oder abzufegen.
Platten verwendet Coduri nur ab einer Stärke von 4 cm in gebundener und 6 cm in ungebundener Bauweise. „Man muss sich ja vorstellen: Ein Mensch, der auf einem Bein steht, übt einen Druck von 2,5 t auf die Stelle der Platte aus“, erklärt Coduri, weshalb dünnere Platten bei ihm keine Chance haben. Auch gesägte Platten gibt es bei ihm nicht. „Wir haben in die Erläuterung zur Norm SN 640 480 Pflasterungen und SN 640 482 Plattenbeläge hineingeschrieben, dass Steine mit gesägten Kanten zu vermehrter Rissbildung führen können.“ Das könnten selbst Fugenmörtel mit zusätzlicher Haft-emulsion nicht völlig ausschließen.
Außerdem gehört zu Coduris Prinzipen, generell die Hände von „China-Granit“ zu lassen und sich auch von Dachterrassen fernzuhalten. „Da weißt du nie, was dich erwartet – oft liegen da die Entwässerungen an der höchsten Stelle“, begründet der Unternehmer grinsend seine Abneigung gegen Arbeiten auf dem Dach.
Nebenjob im Mörtelwerk
Als Coduri vor knapp 20 Jahren seinen Kompagnon Lukas Ammann kennenlernte, leitete der einen Straßenbau- und Pflästererbetrieb mit eigenem Labor im Kanton Graubünden. Für seine Flächen verwendete er ausschließlich einen Sand, der im Gebirge am Ufer eines Gletscherbaches abgebaut wird. Für den 54-Jährigen war das so etwas wie die Geheimformel für den dauerhaften Erfolg seiner Flächen. Nachdem sich Ammann und Coduri 1992 entschlossen hatten, gemeinsam eine Firma zu gründen, reifte auch der Plan, den Rohstoff zur Grundlage eines Geschäftszweiges zu machen. Die Idee von Acosim war geboren. Nachdem die Firma anfangs im pfälzischen Eisenberg produziert hatte, entstand 1997 für 1 Mio. CHF (0,69 Mio. €) das erste Mörtelwerk. „Das war sehr dilettantisch, aber es hat funktioniert“, sagt Coduri rückblickend. 2000 bis 2500 t/Jahr in anderthalb Schichten hat das Unternehmen produziert. „2004 mussten wir das Werk weitestgehend abreißen und Geld für einen Neubau zusammenbekommen“, erzählt der Schweizer. Die Acosim AG sammelte 2,3 Mio. CHF (1,6 Mio €) ein und ließ sich am Standort Schmerikon/CH von der deutschen Firma Hafer & Boecker in nur sechs Monaten Europas kleinstes Mörtelwerk – wie Coduri es scherzhaft nennt – bauen. Jetzt können die Schweizer vollautomatisch mit einem Mitarbeiter die zwei Produktlinien Contur/Rapid für den Baustoffhandel und Samco (für Schwerbelastete Flächen) produzieren. Alle Mörtel bestehen nur aus dem besonderen Sand der einen Grube – der, so viel will Coduri verraten, durch ein besonderes spezifisches Gewicht und eine Kornabstufung ohne Nullanteil auffällt – sowie einem mineralischen Bindemittel; er enthält also – und das ist dem Hersteller wichtig – keine kunststoffmodifizierten Bestandteile. Samco vertreibt Acosim ausschließlich über ein Netzwerk von Lizenznehmern. „Wer auf der qualitativen Linie ist, kann eine Lizenz kaufen, wird geschult – und ein bisschen kontrolliert“, sagt Coduri mit feinem Lächeln. „Wir lassen niemanden im Regen stehen, jeder Lizenznehmer hat sämtliches Know-how in der Verlegung und in der Verfugung. Er hat damit Zugang zu einem europaweit patentierten Verfugungssystem und bekommt jede Unterstützung für den einmaligen Betrag der Lizenzgebühr kostenlos auf Lebenszeit“, erklärt der Schweizer seine Philosophie.
30 Lizenznehmer hat Acosim in der Schweiz, 56 in Gesamteuropa – und Coduri ist offen für weitere Partner.
Wie lange sich Coduri noch der Doppelbelastung aussetzen will, weiß er nicht. Noch ist die Leidenschaft für das Handwerk zu groß, um endgültig den Hammer aus der Hand zu legen. Aber sowohl der Sohn als auch der Stiefsohn können sich eine Zukunft in der Firma vorstellen und der Unternehmer hat beiden geraten, rechtzeitig Geld zurückzulegen, um seine Aktienanteile oder die seines Kompagnons aufzukaufen. Denn Lukas Ammanns Tochter Rebecca hat andere Pläne und so bietet die Firma ausreichend Perspektiven für den Coduri-Nachwuchs.
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