Besonders das Zwischenmenschliche zählt
Unternehmensnachfolge ist mehr als das bloße Unterzeichnen eines Gesellschaftervertrags – und auch mehr als reine Betriebswirtschaft. Über das Gelingen des Nachfolgeprozesses entscheiden neben finanziellen und steuerlichen vor allem zwischenmenschliche Aspekte, wie der zweite Teil des Leitfadens zur Unternehmensübergabe zeigt.
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Jedes Unternehmen ist einzigartig – und somit auch jede Unternehmensübergabe. Einen allgemeingültigen Leitfaden, der jeder Unternehmerfamilie den sicheren Weg zur Nachfolge weist, kann es deshalb nicht geben. Anhand des Prozessmodells (s. Abbildung) wird jedoch sichtbar, von welchen Faktoren der Nachfolgeprozess beeinflusst wird.
Im Prozessmodell werden zwei Einflussgrößen unterschieden: zum einen der wirtschaftliche Kontext sowie der Kontext des Familienunternehmens selbst; zum anderen der gesellschaftliche Kontext, der das Wertesystem der Unternehmerfamilie prägt, sowie der familiäre Kontext, der die Eigenschaften der Unternehmerfamilie beschreibt. Die einzelnen Kontext-Inhalte können in unterschiedlicher Weise kontrolliert und beeinflusst werden. So sind wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Kontext eher als gegeben zu betrachten, während Faktoren, die im Zusammenhang mit dem Unternehmen und der Familie stehen, beeinflusst werden können.
Der Wirtschaftliche Zusammenhang
Der wirtschaftliche Kontext beinhaltet die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen sich das Unternehmen bewegt. Er beeinflusst Strategie, Organisation und Philosophie. Folgende Rahmenbedingungen sind für die strategische Ausrichtung des Unternehmens besonders wichtig:
- die Nachfrage,
- der technologische Fortschritt (und somit die Frage, ob dieser eventuell am Unternehmen vorbeigegangen sein könnte),
- der Finanzierungs- und Personalbedarf,
- die Wettbewerbsstruktur,
- die wirtschaftsrechtlichen Verordnungen,
- die wirtschaftliche Kraft von Kunden, Lieferanten und Wettbewerbern.
Der wirtschaftliche Kontext bestimmt daher maßgeblich mit darüber, welcher Typ Nachfolger gesucht wird; je nach den Gegebenheiten können sowohl Gründer- als auch Bewahrer-Typen gefragt sein.
Kontext des Familienunternehmens
Vorgänger und Nachfolger sind die Prozessteilnehmer und entscheidend für Erfolg oder Misserfolg der Unternehmensnachfolge. Faktoren wie Unternehmensstrategie, Unternehmenskultur, Eigentümerstruktur, Organisation und finanzielle Situation bestimmen, wer als Nachfolger geeignet sein kann – sowohl im Hinblick auf Fähigkeiten und Persönlichkeit als auch auf das verwandtschaftliche Verhältnis zum Eigentümer.
Die Unternehmenskultur spielt im Nachfolgeprozess eine entscheidende Rolle, weil sie maßgeblich vom Vorgänger geprägt und häufig Grundlage für den geschäftlichen Erfolg ist. Die Kultur des Unternehmens und die Persönlichkeit des Unternehmers haben oft über Jahrzehnte die Identität des Familienbetriebs geformt und die Mitarbeiter geprägt. Mit dem Einstieg in die Geschäftsführung lässt sich nicht automatisch die Unternehmenskultur ändern. Nachfolger sollten sich daher grundsätzlich mit der Unternehmenskultur identifizieren.
Mitarbeiter können bei einer Nachfolgeregelung die bestehende Unternehmenskultur in Gefahr sehen und skeptisch auf Veränderungen reagieren. Es können Unsicherheiten und Gerüchte entstehen, was letztlich zu einem Paradoxon führt: An die Stelle von Aufbruchstimmung und Motivation treten Resignation und Unmut. Mangelndes Vertrauen in den Nachfolger kann dazu führen, dass Mitarbeiter kündigen, was hohe Kosten und den Verlust von Know-how bedeuten würde.
Die Rolle des Vorgängers
Für einen erfolgreichen Unternehmensnachfolgeprozess sollte der Vorgänger seine Leistungsfähigkeit rational einschätzen können und bereit sein, sich schrittweise zurückzuziehen. Offenheit gegenüber einem Führungswechsel ist jedoch eher selten; besonders wenn sie seit Jahrzehnten von derselben Person geführt werden.Während des Nachfolgeprozesses muss der Vorgänger vor allem betreuen, ausbilden und planen. Er muss seinen Nachfolger Fehler machen und daraus lernen lassen und akzeptieren, dass dieser Dinge anders angeht und damit trotzdem erfolgreich sein kann. „Beobachten und Machenlassen“ ist für einen Unternehmer, der ein großes Maß an Handlungsfreiheit gewöhnt ist, daher häufig eine große Herausforderung.
Je besser ein Unternehmer seine finanziellen Verhältnisse geregelt hat und je mehr Interessen er außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit verfolgt, desto besser wird er sich von der Führung lösen können. Manche Vorgänger jedoch fürchten ein Leben ohne ihre Rolle im Unternehmen und ohne den damit verbundenen Status in Familie und Gesellschaft. Manche meiden eine Nachfolgeplanung, weil sie nichts mit ihrer Freizeit anzufangen wissen, einem Wandel im Führungsstil nicht zustimmen oder sich nicht für einen Nachfolger entscheiden können. Aus dem Berufsleben auszuscheiden empfinden viele als Ende ihrer Karriere. Ein Nachfolger sollte sich immer wieder bewusst werden, dass sein Vorgänger möglicherweise damit zu kämpfen hat.
Der Nachfolger
Der Nachfolger ist die zweite Schlüsselfigur im Nachfolgeprozess. Sein Wille, sich dauerhaft an das Unternehmen zu binden, und seine Fähigkeit, Wissen und Kompetenzen für die Führung des Unternehmens zu erlangen, bis der Vorgänger das Unternehmen verlässt, sind entscheidend für eine erfolgreiche Nachfolgelösung.Nur zur Familie zu gehören reicht als Motivation für eine Unternehmensnachfolge nicht aus – der Nachfolger muss auch das Gefühl haben, in seiner Position erwünscht zu sein. Eltern sollten keine Annahmen zur Motivation ihrer Kinder treffen – besser ist es, sie zu fragen. Je mehr sich die Karrierewünsche des Nachfolgers mit den Möglichkeiten decken, die ihm das Unternehmen bietet, desto erfolgversprechender gestalten sich die Übergabe und die weitere Führung der Firma. Nicht zu unterschätzen sind auch finanzielle Aspekte: je besser die Zukunftsaussichten eines Unternehmens, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachfolger sich langfristig bindet.
Die Nachfolger der meisten Familienunternehmen werden aus der Unternehmerfamilie rekrutiert – mitunter ohne Rücksicht auf deren Eignung. Die fachliche und soziale Kompetenz eines Nachfolgers, seine Leistungsfähigkeit und Führungserfahrung sind jedoch eindeutig mit einer erfolgreichen Unternehmensnachfolge verbunden. Sie verhelfen ihm zu Glaubwürdigkeit und Respekt. Zu den charakterlichen Eigenschaften, die ein Nachfolger mitbringen sollte, gehören die Fähigkeiten, bewusst zu handeln, mit Weitsicht zu entscheiden, sich selbst zu hinterfragen und – wenn nötig – eigene Wege zu gehen. So kann er sich selbst und das Unternehmen entwickeln und den neuen Umständen anpassen.
Viele Familienunternehmer entscheiden sich für einen Nachfolger aus der eigenen Familie, weil dieser das Know-how von Familie und Unternehmen von klein auf kennenlernt. Besonders für Betriebe, die Marktnischen bedienen, kann es sinnvoll sein, dass der Nachfolger aus der Familie kommt: Er kennt die Eigenheiten des Unternehmens und kann sie nutzen.
Das Verhältnis von Vorgänger und Nachfolger
Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, also zwischen Unternehmensleitung und möglichen Nachfolgern, ist nicht immer einfach. Je besser man sich versteht, desto besser gelingt die Nachfolge. Eltern sollten ihren Nachwuchs schon früh bei der Bewältigung von Problemen unterstützen, das Selbstbewusstsein der Kinder stärken und ihnen die Disziplin und Realitätsnähe beibringen, die sie benötigen, um die Herausforderungen der Unternehmensnachfolge zu meistern. Dazu sollte der Vorgänger dem Nachfolger auf Augenhöhe begegnen; so ist es wahrscheinlich, dass der Nachfolger sich nicht um jeden Preis abnabeln will, wodurch das Verhältnis nicht unnötig von Rivalitäten beeinträchtigt wird. Aufgabe des Nachfolgers ist es, den konstruktiven Dialog zum Vorgänger zu suchen. Dabei sollte er klarmachen, dass er zwar unabhängig sein möchte, aber auch die Bedeutung anerkennt, die das Unternehmen für den Vorgänger haben kann. Für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe ist es hinderlich, wenn die Beteiligten nicht in der Lage sind, sich in ihr Gegenüber hineinversetzen zu können und sich zu eigenen Gefühlen und Vorstellungen zu äußern.
Schwierig wird es auch, wenn sich Vorgänger und Nachfolger nicht einig sind, wie das Unternehmen fortgeführt werden soll. Solange es ihnen nicht gelingt, sich mit dem Standpunkt des anderen auseinanderzusetzen, wird ihnen eine Nachfolgeplanung schwerfallen und sie gefährden die Zukunft ihres Unternehmens. Nur mit gegenseitigem Respekt und Verständnis können sich die einzelnen Personen gestützt und anerkannt fühlen; nur so können ein hohes Maß an wechselseitigem Vertrauen und die Bereitschaft zu ehrlichem Feedback entstehen.
Der gesellschaftliche Kontext
Wissenschaft, Religion, Ethik und andere Einflüsse wie Gesetze oder Konventionen bilden den gesellschaftlichen Kontext des Unternehmens. Sie prägen die Unternehmerfamilie und somit auch den Nachfolgeprozess. In manchen Kulturen beruht die Unternehmensnachfolge auf Traditionen statt auf Fähigkeiten. Weil es die Tradition verlangt, tritt möglicherweise ein ungeeigneter Nachfahre die Nachfolge an. Im Ergebnis sind sowohl Vorgänger als auch Nachfolger zwischen den Anforderungen des Betriebs und den Familienwerten hin und her gerissen und müssen sich entscheiden, ob das Leben des Nachfolgers belastet, die Existenz des Unternehmens aufs Spiel gesetzt oder Familienwerte verletzt werden sollen.
Der familiäre Kontext
Der familiäre Kontext wird stark durch den gesellschaftlichen Kontext geprägt. Gute, von Vertrauen und Wohlwollen geprägte innerfamiliäre Beziehungen sind für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge besonders wichtig. Vertrauen entsteht vor allem durch Offenheit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Integrität im Umgang miteinander, was wiederum zu Einigkeit, Fairness, Verantwortungsbewusstsein, Hilfsbereitschaft und Beständigkeit führt. Wohlwollen basiert einerseits auf gegenseitigem Respekt zwischen Vorgänger und Nachfolger, andererseits auf der Vermeidung von Rivalität, Streitigkeiten, Feindseligkeit und Spannungen.
Steuerliche und finanzielle Aspekte sind zweifellos von großer Bedeutung für den Erfolg der Unternehmensnachfolge – dafür aber gibt es Spezialisten. Deren Arbeit jedoch kann nur von Nutzen sein, wenn sich die Protagonisten des Nachfolgeprozesses im wahrsten Sinne verstehen.
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