Auf keinen Fall nur Geschmackssache!
Über Geschmack lässt sich nicht streiten, heißt es so schön. Für den Kunden mag das zutreffen; er gilt erst mal als Laie. Wer aber „Experte“ in Sachen grüne Gestaltung sein möchte, kann sich mit dieser Floskel kaum herausreden. Denn auch gute Gestaltung folgt technischen Regeln. Und die werden leider oft vernachlässigt.
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Eines erst mal vorab: Über gute und schlechte Gestaltung zu reden, ist gar nicht so einfach. Denn wer glaubt, schöne Gärten zu entwerfen, wird es sehr persönlich nehmen, wenn jemand daherkommt und die ästhetische Qualität seiner Anlagen infrage stellt. Die Kritik an der gestalterischen Leistung ist ein Angriff auf die vermeintliche persönliche Kernkompetenz. Im besten Fall kontert der Angegangene die Kritik entweder mit der eingangs angeführten Floskel, dass sich über Geschmack nicht streiten lasse, oder verweist auf den Kunden, der es ja so gewollt und dem es ja so gefallen habe. Das Problem ist nur: Es ist erst mal gut, dass der Kunde zufrieden ist. Aber wäre er weniger zufrieden gewesen, hätte er etwas Besseres bekommen? Weiß er überhaupt, was alles möglich gewesen wäre? Und reicht die Leistung aus, um einen gestalterisch geschulten Kunden glücklich zu machen? In der Regel lassen sich alle drei Fragen mit einem klaren „Nein“ beantworten.
Die Wahrheit ist: Erstaunlich viele von Fachleuten – und als solcher gilt mindestens jeder ausgebildete Landschaftsgärtner und studierte Landschaftsarchitekt – gestaltete Anlagen würden einer Überprüfung mithilfe eines Prüfwerkzeugs – wenn es das denn gäbe – nicht standhalten. Das kann jeder bestätigen, der schon einmal in einer Jury gesessen hat und über Projekte zu urteilen hatte, die von Unternehmern und Planern (!) eingereicht wurden. Es ist ganz erstaunlich, wie viele Projekte bei einer solchen Gelegenheit zu sehen sind, auf die der Urheber vermutlich stolz ist (er muss ja mit fachlicher Bewertung gerechnet haben), die aber oft nicht mal gestaltungstechnischen Grundregeln gerecht werden.
Notwendig ist sachliche Auseinandersetzung
Nun ist es aber weder fair noch sonderlich zweckdienlich, gestalterische Fehlleistungen herauszustreichen und Projekte öffentlich zu zerreißen. Erst mal ist nicht immer klar, wie das Werk zustande gekommen ist; zum Beispiel, wie ernst der Kunde die Beratungskompetenz des Gärtners genommen hat. Und zweitens führt Zurschaustellung zu einer Abwehrreaktion, die das Zuhören und Nachdenken beeinträchtigt.
Vielmehr sollten wir uns damit beschäftigen, was gute Gestaltung ausmacht und weshalb diese so wichtig ist. Denn schließlich ist es ja das Versprechen auf die Lieferung von gutem Design in bautechnisch guter Qualität, das viele Gartenbesitzer dazu bewegt, einen „Experten für Garten und Landschaft“ mit der Gestaltung des eigenen Freiraums zu beauftragen. Dass viele Kunden dabei mit deutlich weniger gestal-terischer Qualität zufrieden sind, als möglich wäre, ist in erster Linie mit mangelnden gestalterischen Grundkenntnissen und ge-ringen ästhetischen Ansprüchen zu er-klären. Viele orientieren sich an Gewohntem und den Vorbildern aus der Umgebung. Da dort in der Regel wenig Aufregendes zu finden ist, fallen auch die Defizite im eigenen Garten nicht weiter auf. Aber die Tatsache, dass ein Qualitätsmangel weniger auffällt, weil er weit verbreitet ist, ist nur sehr be-dingt beruhigend. Denn die Aussage „die Kunden werden immer anspruchsvoller“, die zunehmend aus Unternehmerkreisen zu hören ist, deutet ganz klar daraufhin: Die guten Beispiele aus Büchern, Zeitschriften, Gartenausstellungen und dem Internet lassen die Gestaltungsdefizite sichtbar werden; nicht so, dass sie vom Kunden technisch erklärt werden könnten, sondern eher intuitiv. Die Leute fühlen, dass das, was sie haben, nicht wirklich gut ist.
Die steigenden Anforderungen sind Last und Chance zugleich. Einerseits zwingen sie, in Sachen Gestaltungskompetenz aufzurüsten, andererseits steigen damit auch der Bedarf, die Wertigkeit und die Chancen, sich mit guter Gestaltung abzugrenzen.
Was der Landschaftsgärtner alles sein soll
Sachlichkeit in der Bewertung gestalterischer Leistung ist auch deshalb angebracht, weil nicht jeder zum Gestalter geboren ist. Nur würde es weniger schlechte Designer geben, wenn sie genauso schnell auffallen würden wie schlechte Musiker. Aber schräges Design springt nun mal weniger ins Auge, als schräge Musik im Ohr schmerzt. Auch sind die Bewertungsmaßstäbe für einen Musiker populärer. Im Garten, in der Vergangenheit für die meisten Menschen eher ein funktionaler Raum, in dem die Produktion wichtiger war als der Genuss, gelten in den Augen Vieler weniger harte Maßgaben. Hinzu kommt: Ein Musiker konzentriert sich in der Regel auf seine Musik, während der Gärtner neben seinen Rollen als Pflanzen- und Materialfachmann, Bautechniker, Betriebswirtschaftler, Logistiker, Sachbearbeiter, Verkäufer, Personaler auch noch Gestaltungsexperte sein soll; ein bisschen viel verlangt für ein Job, der mit anderen Ausbildungsberufen konkurriert und zu dessen Ausbildung die Prinzipien der Gestaltung nicht gehören. Dass viele Gärtner deshalb keine Gestaltungsexperten sind, oft das auch gar nicht sein wollen, ist nachvollziehbar und verzeihlich. Weniger verständlich ist es, aus diesem Grund auf gestalterische Qualität zu verzichten. Das schadet dauerhaft der Branche und auch dem eigenen Betrieb. Denn wer etwas verkauft, was sich auch attraktiver herstellen lässt, fällt spätestens dann hintenüber, wenn jemand anderes die Leistung attraktiver anbietet. Dann geht entweder der Preis für das eigene Angebot in den Keller oder die Auftragslage wird schlechter – zumindest, wenn der Markt einigermaßen transparent ist.
So wie jeder betriebswirtschaftliche, logistische und bautechnische Ablauf auf den Prüfstand des Benchmarkings gehört, so gilt es auch, die eigene Gestaltungsleistung in den Wettbewerb mit den Besten zu stellen, denn sie ist das Alleinstellungsmerkmal der von uns angebotenen Leistung.
Woran erkennt man gute Gestaltung?
Natürlich ist Gestaltung Geschmackssache. Und natürlich hat sich das ästhetische Empfinden im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte verändert. Zeitgeist und Moden finden sich darin ebenso wieder, wie die gesellschaftlichen und räumlichen Rahmenbedingungen. Nicht umsonst sucht die Landschaftsarchitektur – als Wissenschaft von der Kunst der Freiraumgestaltung – den „Genius loci“, den Geist des Ortes. Denn wenn sich eine Gestaltung bewerten lässt, dann vielleicht am besten daran, ob es gelungen ist, die entstandene Anlage in den Raum, der sie umgibt, einzubetten, ob Garten, Haus und die weitere Umgebung eine harmonische Einheit bilden. Überhaupt hat gute Gestaltung ganz viel mit den Empfindungen des Betrachters zu tun – aber eben auch mit technischen Regeln oder gestalterischen Prinzipien, wie klare räumliche Gliederung, nachvollziehbare Ordnungsprinzipien deutliche Hierarchien, durchdachte Funktionen, harmonische Proportionen, abgestimmte Farben, wohlgesetzte Akzente, geplante Kontraste und abgestimmte Materialien – all das sind auf der Basis technischer Regeln entwickelte Parameter einer guten Gestaltung. Auch mithilfe dieser Parameter lässt sich sachlich ziemlich gut bestimmen, ob jemand gut gestaltet hat oder nicht.
Bei der Gartengestaltung kommt außerdem eine dynamische Komponente hinzu, die anderen Gestaltungsfächern fehlt: die Entwicklung der Pflanze. Der Urheber einer Idee muss von Beginn an das Wachstum und den jahreszeitlichen Zyklus von Stauden und Gehölzen und die sich daraus ergebenden Veränderungen des Gesamtbilds einplanen. Das steigert den Schwierigkeitsgrad.
Gerade bei der Pflanzenverwendung, aber auch bei Materialkomposition, den Proportionen und der Schlüssigkeit im Bezug der einzelnen Elemente zueinander zeigen viele Anlagen Schwächen. Vieles wirkt wahllos zusammengewürfelt, überdimensioniert oder wenig funktionell. Ganz oft ist es von allem zu viel. Selten ist es harmonisch. Ein Garten kann aus ganz wenigen Elementen bestehen oder opulent gefüllt sein; wichtig ist, dass er in sich schlüssig ist und auf den Betrachter harmonisch wirkt.
Und was ist nun zu tun?
Ein Schwerpunkt in einer Fachzeitschrift oder gar ein Fachartikel können unmöglich eine Zusammenfassung der Gestaltungslehre bieten. Gartengestaltung ist eine Kunst, wie andere Künste auch. Manche Menschen werden mit der Fähigkeit geboren, sie intuitiv zu beherrschen oder besitzen das Gespür, sie sich anzueignen. Manche haben den Ehrgeiz, ihre Grundsätze zu verinnerlichen. Dafür gibt es ausreichend Bücher und Seminare, die hierbei helfen. Es ist auch keine Schande, kein Künstler zu sein. Jeder Mensch ist anders begabt. Wichtig ist lediglich, die Bedeutung guter Gestaltung anzuerkennen und die eigene Gestaltungsleistung ehrlich zu hinterfragen. Denn so, wie man im Fall des Falles einen guten Bauleiter einkauft, um die Leistung ökonomisch und technisch perfekt anbieten zu können, wird es für viele Betriebe auch notwendig sein, einen Gestalter für den anderen entscheidenden Parameter des Dienstleistungsangebots einzukaufen: die Gestaltungsqualität. Ob das ein Festangestellter, ein freier Mitarbeiter, ein partnerschaftlich verbundenes Büro oder ein Subunternehmer ist, ist nur eine organisatorische Frage und für die Leistung erst mal nicht entscheidend.
Nur zu erwarten, dass man beide Bestandteile der Leistung – den Entwurf und die Abwicklung – befriedigend mit einer Person abdecken kann, dürfte in den meisten Betrieben eine Illusion sein – dazu ist die Mentalität von Organisatoren und Kreativen einfach viel zu unterschiedlich.
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