Neuer Mann, neuer Stil
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Im Novembernebel wirkt das Ganze natürlich ganz anders, als wenn es in der Sonne glänzt oder des Nachts angestrahlt wird. Jetzt hat das von den Architekten Beckmann Wenzel geplante Verwaltungsgebäude mit dem See und der Skulptur „Purple sky“ von Thomas Schönauer darin etwas Mystisches. Die Küsters-Zentrale, ein rechteckiger Baukörper, Kopf des ehemaligen Gartencenters (Baukosten: 2,5 Mio. Euro), ist schon von Weitem zu erkennen. Hier, im ländlichen Stadtteil Rosellen sitzt die Firma seit 1981 – auf 33.000 m².
Küsters, das ist schon über 100 Jahre Gartenbautradition. Doch, weil in zwei Generationen die Söhne etwas Eigenes angefangen haben, stehen „erst“ 50 Jahre in den Annalen. Im August 1964 gründete Werner Küsters – den viele als ehemaligen Präsidenten (1997 bis 2005) des Bundesverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau kennen – zusammen mit seiner Frau eine Firma für Gartengestaltung und Floristik. Nach zwei wachstumsbedingten Umzügen und der baulichen Erweiterung 2011 hat der Firmensitz seine heutige Gestalt angenommen. Küsters war 24, als er seine Firma mit der Isetta als Fortbewegungsmittel gründete. Unter seiner Führung ist es zu einem der größten Landschaftsbaubetriebe der Region gewachsen, mit derzeit 130 Mitarbeitern.
Strategie- und Namenskorrektur
Da wollte auch der Firmenname nicht mehr so recht passen. Denn 80 % des Umsatzes erwirtschaftet Küsters schon lange auf Baustellen öffentlicher oder gewerblicher Auftraggeber.
Außerdem werden die Gartenkunden nur noch bedingt direkt angesprochen. Denn seit Miriam Muhr, älteste Tochter des Unternehmensgründers und ehemals Leiterin des Hausgartenbereichs, die Firma verlassen hat, haben Vater und Sohn einen Strategiewechsel vollzogen. Seitdem gibt es zwar noch eine Abteilung für Privatgärten, aber keine eigene Planung mehr. Küsters wirbt damit, Pläne von Landschaftsarchitekten professionell umzusetzen. „Das hat ja einen Sinn, diese Dreiteilung von Kunde, Planer und Ausführungsbetrieb“, erklärt der Junior die Entscheidung. „Das ist ja auch dem Kunden gegenüber eine saubere Nummer.“
Der dritte Grund, weshalb der Begriff „Gartenhof“ im Vordergrund nicht mehr zeitgemäß war, war der weitgehende Abschied vom Einzelhandel. Denn bis vor fünf Jahren betrieb die Familie am Standort noch ein Gartencenter. Doch weil kaum Synergien festzustellen waren und die Wertschöpfung niedrig blieb, war 2009 Schluss mit dem eigenständigen Verkauf. Verblieben ist lediglich eine Abteilung mit Floristik und ausgesuchter Baumschulware; auch um den Handelsstatus aufrechtzuerhalten, der seinerzeit das Bauen im Außenbereich möglich gemacht hatte. „Es gibt Regionen, wo die Leute sagen: Aha, der Landschaftsbau ist die Dienstleistung zu den Produkten“, meint Küsters über mögliche Synergien. „Aber hier in der Region war das immer so, dass die Leute entweder kaufen oder sie lassen bauen.“ Und wer bauen lasse, der komme nicht, um sich eine Pumpe auszusuchen, sondern, weil er einen fertigen Teich haben wolle. So wurden aus dem „Gartenhof Küsters“, der sich weiter in der offiziellen Firmierung versteckt, die „Küsters Grüne Lebenswelten“. Und als kleines Dankeschön erkannte die Stadt Neuss den Standort als Landmarke an und genehmigte einen neuen Straßennamen. Seit Kurzem lautet die Adresse werbewirksam „Am Gartenhof 1“.
Ein Wechsel auch an der Spitze
Den größten Wechsel hat das Unternehmen aber sicherlich mit der Nachfolge des ehemaligen alleinigen Gesellschafters Werner Küsters vollzogen; auch weil der Generationswechsel ein längerer Prozess war, in dessen Verlauf sich die drei Küsters-Kinder über ihre eigenen Schwerpunkte und Ziele klarwerden mussten, bevor am Ende der Jüngste das Ruder übernahm. Lange Zeit hatte es danach ausgesehen, dass die beiden Älteren – neben Miriam Muhr, Benjamins elf Jahre älterer Bruder Peter – die Nachfolge gemeinsam übernehmen. Doch Peter Küsters hatte andere Pläne und auch seine Schwester sah ihre Schwerpunkte anders als der Vater. „Was häufig bei der landläufigen Vorstellung von Nachfolge zu kurz kommt, ist, dass man sich nicht nur mit dem auseinandersetzt, was der Nachfolger will, sondern dies auch mit den Prioritäten übereinander bringt, die der Senior für sich hat“, meint Benjamin Küsters. Daran seien auch in ihrem Falle die Berater gescheitert, die es nicht geschafft hätten, auf beide Parteien einzugehen.
Der 36-Jährige, der als gelernter Landschaftsgärtner auch zwei Masterabschlüsse in Politik/Sozialpsychologie sowie in Betriebswirtschaft (MBA) in der Tasche hat und in Richtung Unternehmensberatung unterwegs war, kam selbst erst ins Spiel, als für den Vater die Sicherung einer betriebswirtschaftlichen Kompetenz für das Unternehmen prioritär wurde. „Wenn dann Ihr Vater zu Ihnen sagt: ‚entweder wir machen das jetzt, oder ich verkauf den Laden‘, dann merkt man, dass man doch daran hängt und sich im Familienunternehmen produktiv einbringen will“, erzählt Küsters von der entscheidenden Phase. Ende 2010 stieg er als kaufmännischer Geschäftsführer ein und übernahm gleich ein anspruchsvolles Projekt: Den Umbau des Gartencenters in die neue Firmenzentrale. „Das war sportlich, aber eine gute Lehrstunde so ein Projekt mal von der anderen Seite des Verhandlungstisches zu erleben“, sagt Küsters schmunzelnd. Seitdem teilt er sich die Geschäftsführung mit seinem Vater und Jürgen Telders, dem operativen Leiter.
Seit 2012 ist Benjamin Küsters Mehrheitsgesellschafter, sein Vater hält einen Minderheitsanteil.
Mit dem Wechsel an der Spitze geht auch ein Stilwechsel einher: Werner Küsters, der energiegeladene, emotionale Vollblut-Unternehmer konnte lautstark für das Wohl des Unternehmens streiten. Sein jüngster Sohn ist ein smarter Manager, mit verbindlich-sachlichem Ton und analytischer Unternehmensführung. Das „Du“ gilt für praktisch alle Mitarbeiter. Doch in den zentralen Punkten, der grundsätzlichen Ausrichtung, der Führung der Firma als Familienbetrieb sowie der Förderung von Eigenverantwortung und individueller Stärken der Mitarbeiter sind sich beide einig; sie benutzen nur andere Wege und Werkzeuge zur Zielerreichung.
Kreativpool Mitarbeiter
Deutliche Veränderungen musste das Unternehmen schon einmal vornehmen, als der Vater 1997 zum Verbandspräsidenten gewählt wurde. Denn, um seine Abwesenheit aufzufangen, musste der Senior Verantwortung übertragen und vieles rechtzeitig delegieren. „Ich habe das zu der Zeit ja nur von außen wahrgenommen. Aber ich glaube, was das Amt auf jeden Fall gebracht hat, war, dass das Unternehmen nicht mehr so sehr auf eine Person fixiert ist“, meint Küsters. „Die Firma musste lernen ihn zu entbehren und er musste es organisieren; sich auch überflüssig machen können.“ Eine Entwicklung, die unter anderem die Eigenverantwortung der Mitarbeiter gefördert hat. Diese Entwicklung will der Nachfolger fortsetzen, die Potenziale der Mitarbeiter für das Unternehmen nutzbar machen. „Die besten 128 Berater, die wir haben, laufen hier rum. Die haben alle noch eine Idee, wo noch was geht“, sagt der Rheinländer über seine Mannschaft. Wenn es in den nächsten 10 Jahren gelänge, das zu verbessern, was diese im Kopf haben, sei man 365 Tage im Jahr gut beschäftigt.
Herausfinden lassen sich solche Anregungen zum Beispiel über gemeinsame Veranstaltungen. Seit der Junior im Unternehmen ist, gibt es jedes Jahr im Januar eine Woche Wintersport; tagsüber wird Ski gefahren, abends gegessen, getrunken und geredet. Im ersten Jahr waren die drei Geschäftsführer mit drei Bauleitern unter sich. Im Folgejahr waren sie schon zu zwölft. Dieses Jahr füllte die Firma mit 28 Leuten bereits eine ganze Pension. Alle Bauleiter, Baustellenleiter, Kaufleute, Kalkulatoren sind eingeladen. Und gerade der erste Abend hat sich als Kommunikationshöhepunkt erwiesen. Dort entstand 2012 auch die Idee für die Namenskorrektur.
Augenmerk auf den Aufbau eigener Kräfte
Damit es mit den guten Mitarbeitern weitergeht, fördert die Firma stark die eigene Ausbildung. Von der Akquise, über die innerbetriebliche Förderung bis zur Vorbereitung auf die Prüfung. „Ich bin in den letzten Jahren in jeweils 13 oder 14 Schulen gewesen und hab unseren Beruf vorgestellt“, erzählt Küsters. Dabei hat er in der Vergangenheit auch immer wieder direkt junge Menschen akquiriert. Nur das Gymnasium vor Ort wollte dieses Jahr nicht mitspielen: Man wolle die Schüler nur mit akademischen Berufen in Kontakt bringen, beschied die Schule. Dass Abiturienten derselben Einrichtung nach der Lehre bei Küsters ein Studium absolviert haben, schien die Verantwortlichen nicht beeindruckt zu haben. Trotzdem sind es immer noch ausreichend Bewerber. Aber viel Überschuss sei nicht mehr, meint der Unternehmer und berichtet auch von wechselhafter Qualität der Azubis. „Manchmal kann man schon an Einzelnen verzweifeln, aber dann sind wieder andere dabei, die sind solche Raketen, das ist unglaublich“, sagt Küsters lachend. „Da weiß man, man macht‘s nicht umsonst.“
Und wer in dem TAG-Ausbildungsbetrieb einen Lehrvertrag abschließt, kann auf volle Unterstützung hoffen. Jeder Azubi hat eine „Heimatkolonne“ und einen persönlichen Ausbilder, der nicht der Vorarbeiter sein muss, sondern einer der Bau-, Baustellen- oder Abteilungsleiter. Und dann wird tüchtig rotiert; nach jeweils drei Monaten in der Kolonne lernen die Azubis wieder eine neue Abteilung kennen. Zweimal im Jahr macht Küsters mit den 13 Azubis eine Exkursion und jährlich gibt es einen internen Azubi-Cup, bei dem die Auszubildenden sich in drei Fächern messen und am Ende auch eine Urkunde sowie eine Note bekommen. Einmal im Jahr kommt Heinz-Dieter Sperb von der Landwirtschaftskammer und wirft einen Blick in die Berichtshefte. Für die Lehrlinge eine wertvolle Standortbestimmung.
Neben den Azubis kümmert sich Küsters auch um die jungen Bauleiter und steht ihnen als Berater zur Seite. Überhaupt kommen er, sein Vater und Jürgen Telders den jungen Führungskräften immer zur Hilfe, wenn Verhandlungen schwierig sind, oder es zu Reklamationen kommt – je nach thematischem Schwerpunkt. Oft eher unterstützend als belehrend – damit jeder seinen eigenen Weg gehen kann.
Nicht Wachstum als Ziel
Ein Ziel hat Küsters jedenfalls ganz gewiss nicht: Weiter zu wachsen. „Ein Unternehmen wie unseres hat gerade so eine kritische Größe“, meint der Rheinländer, der sich mit dem Thema in seiner BWL-Masterarbeit befasst hat. Ziel wird es sein, die Abläufe und Strukturen zu optimieren. „Es gibt immer noch zwei drei Baustellen, wo ich sage, da sind wir schon nicht schlecht, aber, da geht noch mehr“, und zitiert als Beleg einen seiner Bauleiter mit dem Satz „Wir haben noch viel Luft zur Decke“.
Gleich zu Beginn hat der Nachfolger Smartphones zur Standardausrüstung gemacht, über die jetzt mithilfe des Programms Echtzeit Baustellenstunden und Maschinen den Projekten zugeordnet werden können. Es gehe dabei nicht darum, bestimmte Techniken einzusetzen oder das Leben noch schneller zu machen. Vielmehr will der Unternehmer seinen Mitarbeitern die Arbeit erleichtern und ihnen die Konzentration auf das Wesentliche ermöglichen. Dabei kommen auch manchmal lustige Nebeneffekte heraus – etwa, dass manche Baustellenteams spannende Aspekte ihrer täglichen Arbeit dokumentieren und dem Chef die Baustellenbilder per Whatsapp senden. Davon lebt der Facebook-Account der Firma.
Auch an den strategischen Partnerschaften will Küsters noch feilen. Es bestehen enge Verbindungen mit Unternehmen, die angrenzende Geschäftsfelder beackern. So sitzt der Innenraumbegrüner „Green Office Rhein Ruhr“ direkt im Haus. Und die „Bleicher Mühle“: ein „Erlebniskaufhaus“ für Garten & Grillen betreibt im Sommer einen Verkauf in den ehemaligen Gartencenter-Räumen. Grillseminare und Veranstaltungen bringen Kunden auf das Gelände. Möbel- und Schirmanbieter, wie Reichberg-Weiss oder SunSquare stellen vor Ort aus und können wie die anderen Partner das großzügige Besprechungszimmer für die Beratung ihrer Kunden nutzen. Küsters will Synergien aufbauen, aber nicht „auf Teufel komm raus“, wie er betont. Understatement und nicht die Marketing-Keule sollen potenziell gemeinsamen Kunden aufzeigen, dass die gastgebende Firma auch als Auftragnehmer für grüne Aufträge infrage kommt. Die Partnerschaften so zu gestalten, dass alle davon profitieren, ist das Anliegen.
Mehr Augenmerk will Küsters auch auf die Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten richten. Da hatte sich mancher in der Vergangenheit zurückhaltend gezeigt, weil sich noch lange der Ruf hielt, das Unternehmen würde selber planen. Den Umgang will er weiter professionalisieren – dass eine Sprache gesprochen und Hand in Hand gearbeitet wird; ohne die Rolle des Planers als Treuhänder des Bauherrn infrage zu stellen. „Ich find’s unnötig, wie da manchmal gegeneinander gearbeitet wird“, meint er mit Hinblick auf mögliche Verbesserungen. Und vielleicht intensiviert sich dabei nicht nur die Zusammenarbeit mit den Objektplanern, sondern auch mit den Landschaftsplanern. Denn in letzter Zeit haben sich Renaturierungen und Ingenieurbauweisen sehr gut entwickelt; auch weil sie besondere Steckenpferde eines engagierten Bauleiters sind. Das will Küsters mit Ressourcen und Strukturen weiter fördern.
Immer wieder hört man den moderierenden Unternehmer heraus; der die Anregungen aufspürt und die Leute darin bestärkt oder ihnen dabei hilft, sie umzusetzen. Küsters will nicht, dass die nackten Zahlen die Diskussion dominieren, sondern dass die Verantwortlichen sie interpretieren und die Gründe erkennen, die sie herbeigeführt haben. Und so ist vielleicht auch das persönliche Ziel zu verstehen, sich am Ende ein bisschen überflüssig zu machen und an neuen Konzepten zu arbeiten. Da sieht der neue Mann seinen Schwerpunkt.
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