Vom Gärtner zum Natursteinexperten
Claus Beißner hat in Ostwestfalen Landschaftsgärtner gelernt, bevor ihn die Liebe zum Natursteinpflaster zum Straßenbau brachte. Mit seiner kleinen, auf klassische Verbände spezialisierten Firma beweist er, dass man auch mit den ganz Großen mithalten kann. Eine Geschichte von einem Unternehmer aus Leidenschaft.
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Typisches Vorfrühlingswetter in Ostwestfalen. Es nieselt, die Temperatur liegt nur knapp über dem Gefrierpunkt – nicht der beste Tag, um mit bloßen Händen im Pflastersand zu buddeln. Doch Claus Beißner hat sich vorgenommen, noch ein paar Quadratmeter zu schaffen an diesem Märztag. Denn das Loch in der Pflasterfläche in der Bielefelder Innenstadt muss noch geschlossen werden. Der Betreiber der angrenzenden Gastronomie hofft auf besseres Wetter und darauf, dass er seine Tische und Stühle am Wochenende rausstellen kann.
Für Beißner und seinen Netzwerkpartner Thomas Stamm ist das eine typische Baustelle. Sein Auftraggeber verlegt Kabel in der Bielefelder Altstadt, die beiden Straßenbauermeister folgen der Baustelle und stellen aus dem aufgenommenen Material als Subunternehmer die ursprünglichen Verbände wieder her. Für die beiden ist das ein einträgliches Geschäft, denn sie sind auf Natursteinpflaster spezialisiert und deshalb schnell. Da sie nach Quadratmetern bezahlt werden, kommen sie auf gute Löhne.
Im GaLaBau begonnen
Dass Beißner einmal eine eigene Straßenbaufirma führen würde, war keineswegs vorgezeichnet. Der 35-Jährige hatte zwar während der Schulzeit auf dem Bau gejobbt, bei der Bundeswehr einen Lkw-Führerschein gemacht, war dann aber nach dem Abi – eher zufällig – beim Landschaftsbau gelandet. Nachdem er bei einem GaLaBau-Betrieb in Bünde ausgeholfen hatte, bot der Eigentümer ihm eine Lehrstelle an. Beißner machte in zwei Jahren die verkürzte Ausbildung, wechselte zweimal den Betrieb, bevor er bei der großen GaLaBau-Firma v. Chamier + Mauth in Bielefeld in eine Kolonne mit alten Pflasterern kam und da den Spaß am Natursteinpflastern entdeckte. Für den Landschaftsgärtner wurde daraus eine Leidenschaft. „Ich dachte mir, das ist eigentlich so das Handwerkliche an dem Beruf", meint er und erzählt, dass er sich von da an bemüht hat, alle Natursteinpflasterarbeiten in der Firma zu bekommen. Der junge Mann las, was er kriegen konnte, vertiefte sein Pflasterwissen und legte mit einer Sondergenehmigung der Handwerkskammer und einem Referenzschreiben seines Chefs die Meisterprüfung im Straßenbau ab – der Auftakt für eine neue Karriere: Seit 2015 ist Beißner selbstständig.
Gefragter Sub in Sachen Natursteinpflaster
Um ausreichend Arbeit musste sich der Ostwestfale nie sorgen. Schon im ersten Jahr machte er kräftigen Umsatz und musste untervergeben. Sehr schnell avancierte er zum gefragten Nachunternehmer, wenn es um Natursteinpflasterarbeiten geht. Weder in den GaLaBau-Firmen noch bei den Straßenbauunternehmen, für die er arbeitet, ist ausreichend Kompetenz da, um größere Natursteinpflasterflächen ökonomisch sinnvoll herzustellen – ganz besonders, wenn es darum geht, besondere Verbände herzustellen oder historisches Pflaster zu rekonstruieren. Mit seiner kleinen Firma und den Netzwerkpartnern (zwei alte selbstständige Steinsetzer und Thomas Stamm, den Beißner von der Meisterschule kennt) kann Beißner auch größere Flächen relativ schnell realisieren. Die gegenüber dem GaLaBau höheren Löhne und Abgaben kompensiert er mit Geschwindigkeit. Der Kunde nimmt die Stundensätze ohnehin nicht wahr, denn Beißner rechnet eben nach gepflasterten Quadratmetern ab und nicht nach Stunden. Billiger als die großen Baufirmen ist er wegen der schlanken Struktur ohnehin; die Hauptauftragnehmer verdienen durch kräftige Preisaufschläge meist sogar noch gut dabei. Nur gegen die portugiesischen Kolonnen kommt er nicht an – da ist der Quadratmeter dann einige Euro billiger.
Beißners Vorteil: Er kommt mit einer kleinen Maschinenausstattung aus: „Wir bieten ja die handwerklichste Leistung an, da kommt man ohne großen Maschinenpark aus", sagt der Unternehmer. „Und uns kann keiner von den Großen unterbieten, nur weil er eine Maschine für eine bestimmte Leistung hat."
Keine Kompromisse bei der Qualität
Aber es ist nicht nur die Geschwindigkeit, die Beißners Arbeit ökonomisch macht. Der Unternehmer sucht sich seine Aufträge aus, lässt sich auch von großen Firmen nicht die Preise diktieren und prüft im Vorfeld gründlich, ob geforderte Bauweise und Material ein mängelfreies Gewerk garantieren. „Ich habe schon einige Projekte abgelehnt, wenn das Pflaster formatiert, gesägt, geflammt oder gestockt war", erklärt der Profi. „Das will ich nicht haben, das gibt sehr oft Probleme bei der Abnahme." Viele Ausschreibungen würden zeigen, dass die Urheber der LVs oft nicht über die nötige Fachkompetenz verfügen. Erst neulich sei er in Niedersachsen zu einer Baustelle gekommen, auf der er für eine Gemeinde Diagonalpflaster, Passe-Pflaster und Wilden Verband parallel anbieten sollte – aus einer Mischung formatierter Steine in vier Größen. „Wie soll ich das anbieten?", fragt Beißner, schließlich sei der Aufwand völlig unterschiedlich. Bei Passe müsse man überhaupt nicht sortieren, da greife man einfach in den Haufen. Bei Diagonalpflaster müssten aber alle Steine der Breite nach vorsortiert werden. Ganz nebenbei: Für Diagonalpflaster habe ein Format gefehlt, für Passe seien es zu wenige Formate gewesen. „Deshalb lehnen wir meistens ab, wenn formatiertes Pflaster ausgeschrieben ist", erklärt der Unternehmer.
Stolz ist er auf ein Referenzprojekt im ostwestfälischen Lemgo. Dort hat er als Subunternehmer für Kögel Bau eine Einfahrt in die historische Altstadt gepflastert mit handgespaltenem Wesersandstein-Pflaster aus Bad Karlshafen als Diagonalverband auf einer gekrümmten Fahrbahn. „Ich wüsste nicht, wer das so macht, so einen Verband in der Kurve zu verlegen", meint Beißner. „Da muss man sich natürlich einen Kopp machen, vorher eine Lehre bauen und das mal zeichnen."
Probleme im Ausschreibungsgeschäft
Dass der Ostwestfale auch mit großen Bauunternehmen klarkommt, liegt an seinem guten Ruf und einem gesunden Selbstbewusstsein. Auch bei dem Auftrag im Lemgo gab es im Vorfeld eine intensive Diskussion um die Preisgestaltung, die Beißner letztlich für sich entschied – auch weil Planer und Kunde schon erwarteten, dass sein Unternehmen die Pflasterung ausführt. Beißner ist schnell, flexibel, kompetent und vor Ort präsent. Konkurrenz gibt es kaum. Das sind auch für Auftraggeber wie Kögel oder die Strabag gute Argumente. Trotzdem würde sich der Jungunternehmer wünschen, dass Planer und kommunale Auftraggeber Leistungen wie die Pflasterdecken als Einzellose ausschreiben. Das sei auch für den Auftraggeber wesentlich günstiger und die Chance, auch kleinere regionale Firmen zu beteiligen, sei größer. Denn die großen Baufirmen vergeben unter und versehen die Leistungen mit kräftigen Gemeinkostenaufschlägen, ohne dass dadurch die Qualität steigt. Ganz im Gegenteil: Denn wenn statt Beißners Firma eine Kolonne Pflasterer aus dem Ausland anrückt, geht der kleinste Teil des Erlöses für die Fläche an den Pflasterer selbst. Mit allen Folgen für das Ergebnis. Nicht, dass die Pflasterer aus Südeuropa immer schlecht wären. Sie interpretieren die historischen Verbände aber anders. Und wenn dann bei der Baubetreuung ebenfalls die notwendige Kompetenz fehlt, fallen die Unterschiede auch nicht weiter auf.
Klassischer Aufbau
Beißner setzt aber nicht nur bei den Verbänden auf klassische Bauweisen. Er baut praktisch alles ungebunden, versetzt in gewaschenem Sand, sodass schon 2/3 des Steins satt in der Bettung sitzen und dadurch eine gute Grundstabilität gewährleistet ist. „Es gibt ja jetzt noch große GaLaBau-Firmen, die in 2/5 Splitt versetzen", hat Beißner beobachtet und fragt: „Wie wollen Sie denn da die Filterstabilität zwischen Fuge und Bettung gewährleisten?" Der Unternehmer selbst versetzt das Pflaster so eng wie möglich, sodass durch Presspflasterung die Kraftübertragung von Stein zu Stein organisiert wird; schließlich sei das Belagsmaterial ja dauerhafter als die Fugenfüllung. Dafür braucht er auch den Feinanteil in der Fuge (Steinmehl 0/2 bis 0/5 je nach Steingröße). „Ein Stein stützt den anderen", ist ein beliebter Spruch der Steinsetzer. Presspflasterung stelle keinen Mangel dar, sondern sei ein Qualitätsmerkmal.
Neben mangelnder Filterstabilität sei zu geringes Gefälle eine weitere Ursache für Schäden, wie sie im Landschaftsbau oft auftreten. „Im Straßenbau fragt kein Mensch, welches Gefälle benötigt wird. Die wissen das alle", sagt Beißner grinsend. „Die Regel ist 2,5 % Quergefälle – in Ausnahmefällen maximal 0,4 % darunter." Natursteinflächen mit spaltrauer Oberfläche als Fahrbahn brauchen 3,5 %, sonstige Flächen zwischen 2,5 und 3,0 %. Das gilt auch bei Betonsteinflächen.
Bei den Steinen ist Beißner ebenfalls konservativ, setzt auf Spaltware aus Europa, etwa auf den besagten Wesersandstein, auf Bergische Grauwacke, auf Granit aus dem Bayerwald oder aus Portugal und auf türkischen Basalt. Am liebsten ist ihm gebrauchtes Material. Zwei Händler von historischen Baustoffen in der Region liefern das Material zu. Formatiertes Pflaster aus Asien ist eher die Ausnahme und wird auch nur verarbeitet, wenn die ausgeschriebene Bauweise eine mängelfreie Oberfläche erwarten lässt.
Die meisten sind Landschaftsgärtner
Die kleine Straßenbaufirma von Claus Beißner hat übrigens noch mehr grüne DNA. Zwei Landschaftsgärtner haben ihre Ausbildung bei v. Chamier + Mauth gemacht, dem Unternehmen, bei dem Beißner zuletzt gearbeitet hat und in dem Tief- und Straßenbau zum Programm gehören. Ein weiterer Landschaftsgärtner arbeitet als Helfer. „Ich sage meinen Leuten immer: Wenn ihr das könnt, was ihr hier lernt, dann seid ihr nie arbeitslos", erzählt Beißner. Gerade hat der Unternehmer noch einem jungen Polen eine Chance gegeben. Der 19-Jährige war als Lehrling bei einer großen Firma in Bielefeld rausgeflogen und macht die Ausbildung zum Tiefbaufacharbeiter jetzt bei ihm zu Ende. „Ich dachte, dem Jungen geben wir mal eine Chance, ich hab da nicht viel zu verlieren", sagt der Straßenbaumeister, der eigentlich erst im nächsten Jahr in die Ausbildung einsteigen wollte. Denn gerade hat er sich außerhalb, etwa 15 Fahrminuten von der Innenstadt, einen Bauernkotten mit 2 500 m² Grund gekauft, in den auch Sozialräume integriert werden sollen. „Ich will auf lange Sicht immer einen für mich selbst ausbilden", sagt Beißner. Schließlich werde es immer schwieriger, das Natursteinpflasterwissen zu erhalten. „Wenn die beiden Steinsetzer hier aus der Region mal in Rente gehen, bin ich der Letzte, der das hier kann."
Der Landschaftsbau als Auftraggeber
Dabei sei gerade im Privatbereich das Potenzial riesig. Und auch wenn sich die Aufträge aus dem Privatbereich noch in sehr überschaubarem Rahmen halten, so könnte das in Zukunft mehr werden. Schließlich beschäftigen jetzt schon etliche GaLaBau-Firmen den Bielefelder als Sub. Für einen kleinen Betrieb aus Schleswig-Holstein hat Beißner zum Beispiel in Brunsbüttel 250 m² historisches Großpflaster einer sanierten Schiffstankstelle neu versetzt als Reihenpflaster aus Granitwürfeln im Format 14/20. Gerade startet wieder ein spannendes Großprojekt: Seit März pflastert Beißner für Kahleis Garten- & Landschaftsbau und Tiefbau aus Friedrichsdorf die Plätze vor der sanierten ehemaligen Schnapsfabrik „An der Manufaktur" in Gütersloh (an-der-manufaktur.de).
In einer Gesellschaft, die sich zunehmend spezialisiert, dürfte es auch attraktiv sein, die Natursteinpflasterarbeiten im Hausgarten unterzuvergeben.
Für Beißner jedenfalls, den gelernten Landschaftsgärtner, ist der GaLaBau ein spannender Partner, mit dem es viele Schnittstellen gibt. Einerseits ist die Branche Verwalter des riesigen Privatkundenmarktes, andererseits haben viele der Großbetriebe auch Lizenzen für Straßen- und Tiefbau und kommen so ebenfalls als Auftraggeber infrage. Und er ist Überzeugungstäter. Er möchte das alte Handwerk des Natursteinpflasterns erhalten wissen und in Straßen- sowie Landschaftsbau etablieren. Dafür bietet er auch Landschaftsarchitekten seine Beratungsleistung an – denn wie eingangs gesehen, beginnt das Problem mit schlechten Ausschreibungen und setzt sich mit schlechter Baubetreuung und Abnahme fort. „Ist ja nicht schlimm, wenn man die Verbände nicht kennt. Aber das wäre doch schön, wenn man einen Fachmann hinzuziehen würde, der sagt, was möglich ist und worauf man achten muss", meint der Unternehmer dazu. In diesem Sinne ist Beißner auch das Engagement in der „IG Deutscher Pflasterer und Steinsetzer e.V." (siehe Kasten) so wichtig, die auch Pflasterkurse für Landschaftsgärtner gibt.
Dass sein Geschäft erst ins dritte Jahr geht, merkt man dem 35-Jährige Ostwestfalen nicht an. Die Jahre als Angestellter haben ihn schon zu einem „alten Hasen" gemacht und man darf davon ausgehen, dass er für das Natursteinpflaster zumindest in seiner Region noch viel erreichen wird. Ideen hat er genug.
kontakt
Siegfriedstraße 34, 33615 Bielefeld
Telefon +49 521/543 72 02, Fax 96 30 21 20
Partner
Thomas Stamm , Straßenbauermeister Herzebrock-Clarholz
Richard Nitschke , Steinsetzer aus Lage, Lippe
Andreas Dornfeld , Steinsetzer aus Bielefeld
v. Chamier + Mauth www.gartenbau-mauth.de
Garten u. Landschaftsbau Dielenhein www.gartenbau-dielenhein.de
Kahleis GaLaBau und Tiefbau www.kahleis.de
Kögel Bau www.koegel-bau.de
HISTORISCHE BAUSTOFFE www.wilken-melle.dewww.historische-baustoffe-selent.de
www.dega-galabau.de | Weitere in der Vergangenheit in DEGA veröffentlichte Beiträge zum Pflasterbau können Sie lesen, wenn Sie den Code dega2139 in die Suchmaske oben auf der Webseite eintippen und die Lupe anklicken.
Auf Tour durch Deutschland
Mit der ab Mai durch die Bundesrepublik tingelnden Wanderausstellung „Pflasterhandwerk – Zunft mit Zukunft" will die Interessengemeinschaft Deutscher Pflasterer und Steinsetzer e.V. Interesse am Pflasterhandwerk wecken und auf eine lange Tradition zurückblicken. Werkzeuge und historische Bilder lassen das Gewerk plastischer werden. Start ist in anlässlich des 115-jährigen Bestehens der Straßenbauerinnung Braunschweig in der dortigen Volksbank. Alle weiteren Ausstellungsorte können über die Facebook-Seite der Ausstellung (siehe dega3359 ) eingesehen werden.
Für das Handwerk aktiv
Die Interessengemeinschaft Deutscher Pflasterer und Steinsetzer e.V. wurde 2011 gegründet, um das Steinsetzergewerk zu erhalten. Robert Sikorski, Frank Schnitzler, Rüdiger Singbeil und ihre Mitstreiter bemühen sich, durch Lehrgänge, Fachvorträge, spezifische Beratungen und Öffentlichkeitsarbeit Gleichgesinnte zu gewinnen und dem Natursteinpflasterhandwerk eine breitere Basis und einen handwerklich-qualitativen Status zurückzugeben. So arbeitet der Verein seit diesem Februar auch in Kooperation mit der TU Dresden (Professur für Straßenbau) im Bereich ungebundene Pflasterdecken mit und ist am EIPOS für die Weiterbildungsmaßnahme Fachingenieur/Fachbauleiter für Pflasterbau (siehe dega3359 ) beratend tätig.
IG Deutscher Pflasterer u. Steinsetzer e.V
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