Ordnung spart Geld!
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Etwa 2.500 verschiedene Artikel, von Kleinteilen wie Schrauben bis hin zu Ersatzteilen für den Maschinenpark – diese Zahl hat Doris Paulus, Geschäftsführerin der Paulus Lager GmbH in Greven, für den durchschnittlichen GaLaBau-Betrieb ermittelt. Auch wenn nicht jeder alles vorrätig hat: Es sind hunderte Artikel, die bestellt und bezahlt, weggeräumt und wiedergefunden, verwendet, verarbeitet, gewartet und nachbestellt werden müssen. Oft ist gar nicht klar, welcher Aufwand schon bei billigem Verbrauchsmaterial betrieben werden muss. Paulus zeigt in ihrem Erklärvideo, das auf der Homepage ihrer Firma zu sehen ist (siehe QR-Code auf S. 31), wieviel Kosten eine billige Rolle Klebeband von der Bestellung bis zur Bezahlung verursachen kann – und wo Optimierungsmöglichkeiten sind.
Als Tochter eines Schreiners hat Paulus die „Lagerprobleme" im Bauhandwerk früh kennengelernt. Allerdings sind die Lohnkosten heute wesentlich höher als in den 1970er-Jahren – lange Suchzeiten und Erfassungsvorgänge von Materialein- und -ausgängen kann sich auch ein kleiner Betrieb nicht mehr leisten. „Ein erheblicher Teil des Aufwands kann wegorganisiert werden", ist Paulus überzeugt.
Die Materialien in einem Betrieb lassen sich laut Paulus grundsätzlich in zwei Gruppen einteilen: Standardmaterial und Material, das vom Auftrag abhängt – sie nennt es Kommissionsmaterial. Beide zeichnen sich durch bestimmte Merkmale und eine unterschiedliche Handhabung aus. Für Standardmaterialien wie Schrauben, Arbeitshandschuhe und Kompost gibt es in der Regel Artikellisten. Die Materialien sollten grundsätzlich in bestimmten Mengen vorhanden sein und ihren festen Platz haben. Hier muss sichergestellt sein, dass immer rechtzeitig neue Ware geordert und einsortiert wird. Kommissionsmaterial hingegen wird für jeden Auftrag gesondert bestellt. Ideal ist es, wenn das Material, das übrigbleibt, als Rückläufer erfasst, an einem dafür vorgesehenen Ort gelagert und nach einiger Zeit entweder verwendet oder entsorgt wird.
Jäger und Sammler oder Entsorger?
Dass die Realität im GaLaBau meist anders aussieht, weiß Professor Dr. Holger Beiersdorf. Er unterrichtet an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Betriebswirtschaft und kennt viele Betriebe und deren Abläufe. „Restmengen werden kaum wieder gesondert erfasst." Was damit passiert, hänge stark von der Persönlichkeit des Inhabers ab. „Da gibt es den Entsorger, der Reste möglichst schnell vom Hof haben will, und den Jäger und Sammler, der alles aufhebt, weil man es noch einmal gebrauchen könnte. Diese Lager wachsen dann irgendwann organisch zu."
In Großunternehmen, beispielsweise Handelshäusern, funktioniert die Warenlogistik automatisiert – Kassensysteme erfassen, was verkauft wurde. Ist eine bestimmte Menge erreicht, wird ein Bestellvorgang ausgelöst. Auch die Lagerorganisation erfolgt mit digitaler Unterstützung. Für Kleinbetriebe lohnt dieser Aufwand nicht, zumal wenn es sich bei den Aufträgen um Einzelfertigung handelt, wie das im GaLaBau der Fall ist.
Mit Karten zu mehr Überblick
Dennoch gibt es auch hier Möglichkeiten, Vorgänge zu automatisieren. Bei Paulus-Lager hat man die Kan-Ban-Methode auf das Handwerk übertragen, sodass schon Betriebe ab fünf Mitarbeitern damit arbeiten können. „Kan Ban" bezeichnet im Japanischen die Karte, den Beleg oder das Schild. Entsprechend wird bei der Organisation mit Karten gearbeitet. Ursprünglich entwickelt wurde das Prinzip bei Toyota. Jedes Produkt bekommt eine Karte, auf der Teilenummer, Bezeichnung und Lieferant stehen, auch Infos wie der Lagerort können dort vermerkt werden. Außerdem ist dort festgelegt, wie viel Mindestbestand im Regal oder Behälter sein muss. Ist er erreicht, muss der Bestellvorgang ausgelöst werden.
Das kann auf unterschiedliche Art und Weise funktionieren: durch Einscannen eines Codes auf der Karte, durch Entnehmen der Karte, das Sammeln der Karten an einem zentralen Ort, an dem sie einmal täglich oder wöchentlich bearbeitet werden – organisiert wird der Bestellvorgang so, wie es zur EDV-Ausstattung und den Abläufen des Betriebs passt.
Um genau das herauszufinden, führt Paulus intensive Erstgespräche. Mit einem Fragebogen bereiten sich die Unternehmer darauf vor. Dort werden erste Punkte abgeklärt: Wer darf Material bestellen? Wo und wie wird der Wareneingang erfasst? Wer sortiert die Ware ein? Woher weiß die Warenannahme, dass die Ware richtig, pünktlich und vollständig ist? Entscheidet sich der Unternehmer für eine Optimierung, erfolgt eine detaillierte Analyse des betrieblichen Ist-Zustands. Das geht mittlerweile online. „Ich schicke dem Unternehmer eine Foto-Checkliste, in der genau steht, was ich sehen will", sagt Paulus. Beim Videotermin geht man dann virtuell gemeinsam durchs Lager, sichtet die Räumlichkeiten und die Regale und optimiert, wo nötig und möglich.
Optimieren wie in der Industrie
Eine wesentliche Rolle bei der Lagerorganisation spielen die Lagermöglichkeiten selbst. Die Richter Fördertechnik in Herborn vertreibt Flurförderzeuge von Linde und kümmert sich auch um Lagerautomatisierung. Die Kontakte zu den Kunden entstehen häufig über den Kauf der Fahrzeuge oder der Regalsysteme, die Richter ebenfalls anbietet. Denn was nützt beispielsweise ein teurer Stapler, wenn die Gänge im Regal zu klein sind, um ihn zu wenden? Andererseits müssen Regale groß und stabil genug sein, um die vorgesehenen Lasten zu tragen.
Zwar sind die Hauptklientel Kunden aus der Industrie, doch auch mancher Handwerksbetrieb wurde von Richter schon optimiert. Ein Kunde ist etwa Balzer Garten- und Landschaftsbau in Dautphetal. Dort wurde im Februar 2020 ein Anbau fertiggestellt, in dem sich das Lager befindet. Planer von Richter Fördertechnik waren von Anfang an mit dabei, sie berieten bei Regalgrößen, Gangbreiten und vielem mehr. „Ideal ist es, wenn wir so früh wie möglich in den Planungsprozess einbezogen werden", sagt Dan-Joseph Hof, Prokurist und Verkaufsleiter im Unternehmen.
Digitalisierte Prozesse
Bei Balzer hatte man sehr konkrete Vorstellungen, wie die Lagerverwaltung funktionieren sollte. Die Anregung dazu bekam Geschäftsführer Frank Balzer bei der Augel GmbH, einer Bauunternehmung in Weibern bei Koblenz. Dort hat man gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft die Bauhoflogistik 4.0 entwickelt. Balzer, der im GaLaBau etwa 50 Mitarbeiter beschäftigt, hat sie seinem Unternehmen und dessen Bedürfnissen angepasst.
Jakob Zech ist bei Balzer Prokurist und Bauleiter und zuständig für die Digitalisierung im Unternehmen. Er war intensiv am Aufbau des Lagers beteiligt. Ein Großteil davon wird von Werkzeugen und Geräten belegt, die die Mitarbeiter auf den Baustellen benötigen. Jedes Gerät, jedes Werkzeug, jeder Kanister ist mit einem Stecker im Lager gesichert. Der Lagerort kann wechseln – wo ein Gerät sich befindet, wird bei der Rückgabe und dem erneuten Einstecken automatisch erfasst.
Benötigt ein Mitarbeiter beispielsweise einen Hammer oder eine Rüttelplatte, öffnet er mit einem RFID-Chip, der sich auf dem Führerschein oder einer anderen Karte befinden kann, die Tür zum Lager und das entsprechende Fach, in dem sich das Gewünschte befindet. Wo das ist, ruft er vorher an einem Terminal ab, an dem er auch die Kostenstelle eingibt. Größere Geräte sind mit Steckern gesichert, kleinere Artikel liegen in Fächern, deren Türen sich nur von Berechtigten öffnen lassen.
Über die RFID-Technologie weiß man genau, wer wann welches Gerät für welche Baustelle geholt hat. Circa 470 Kleingeräte sind in der Datenbank erfasst, 280 Stück sind momentan im Lager verfügbar. An Verbrauchsmaterialien lagert bei Balzer nur das Nötigste – immerhin auch rund 250 verschiedene Artikel. „Das sind bei uns die sogenannten Schnelldreher", erklärt Zech. „Dazu gehört das, was der Baustoffhandel nicht auf Lager hat, was aber bei uns immer wieder benötigt wird." Material zur Dachbegrünung oder für den Zaunbau sind Beispiele. Diese „Schnelldreher" sind mit einem Barcode am Regal versehen. Wer einen Artikel benötigt, scannt ihn mit Scanner ein – und kann so viele Stück entnehmen, wie vorab gedrückt wurden. Bestellungen werden automatisch ausgelöst, wenn bestimmte, vorher festgelegte Mindestmengen erreicht sind.
Mehr Sicherheit und Disziplin
Dieses automatisierte System bietet den Vorteil, dass den einzelnen Geräten und Artikeln Berechtigungen zugeordnet werden können. So wird sichergestellt, dass nur der Mitarbeiter eine Rüttelplatte oder eine Motorsäge bekommt, der sie auch bedienen kann und darf. Außerdem sorgt es für mehr Disziplin, wenn nachvollzogen werden kann, wer wann etwas aus dem Lager entnommen und wieder zurückgebracht hat.
Die Rückgabe erfolgt an einem zentralen Ort. Dort wird ein Gerät, das zurückkommt, zunächst einmal wieder eingesteckt und somit als zurückgegeben registriert. Defekte Geräte werden ebenfalls in der Rückgabestelle, allerdings an einem dafür vorgesehenen Platz angesteckt. Das löst automatisch einen Auftrag an die Werkstatt aus. Alles, was zurückkommt, wird von einem Mitarbeiter bei der Rückgabe auf Funktionsfähigkeit und Sauberkeit geprüft, bevor es wieder ins Lager wandert.
Da sich die Baustellen von Balzer im Umkreis von 100 km und mehr befinden, gibt es Mitarbeiter, die nur einmal wöchentlich oder seltener auf den Betriebshof kommen. „Wir müssen also dafür sorgen, dass jeder, der etwas braucht, auch weiß, ob es tatsächlich vorhanden ist", erklärt Zech. Das funktioniert über das Intrexx-System der Firma, in dem verschiedene Anwendungen zentral zusammenlaufen und gesteuert werden können – auch die Bauhoflogistik. „Mit einer App loggt man sich in das Lagersystem ein und kann sofort sehen, ob das, was man benötigt, auch zu diesem Termin vorhanden ist." Geräte lassen sich online reservieren und müssen dann bis 9 Uhr am Reservierungstag abgeholt werden.
Wo aber sind die Tausende von Artikeln, die im GaLaBau benötigt werden? Für Standardmaterialien, die im Baustoffhandel erhältlich sind, nutzt man bei Balzer dessen Lagerkapazitäten. „Wir haben zwei, drei Baustoffhändler, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten. Mit ihnen haben wir vereinbart, dass von bestimmten Materialien immer ein Bestand vorhanden ist", sagt Zech. Bleibt davon etwas übrig, wird es vom Händler meist wieder zurückgenommen.
Fünfstelligen Betrag gespart
Dennoch gibt es immer wieder Reste, die zu schade zum Wegwerfen sind. „Momentan haben wir dafür ein Außenlager. Das ist wie ein Schachbrett aufgeteilt, also zum Beispiel A1 oder D6. Dort funktioniert vieles noch manuell, unser Ziel ist es aber, es auch digital zu erfassen."
Gegenüber Systemen, die nur funktionieren, wenn jeder Disziplin an den Tag legt, hat das System von Balzer den Vorteil, dass man ohne entsprechende Berechtigung und Registrierung einen Artikel gar nicht erst erhält. Zech schätzt, dass im ersten Jahr etwa 20.000 € eingespart wurden, Tendenz steigend. Mit verantwortlich dafür ist allerdings auch, dass eine halbe Stelle im Lager weggefallen ist.
Mehr Kompetenz bei Prozessen
Für Paulus ist Spaß an der Ordnung der Schlüssel zum Erfolg. Viele Firmen hat sie schon geschult und weiß, dass die Mitarbeiter mitziehen, wenn die Abläufe standardisiert, einfach und verständlich sind. „Wir bringen den Unternehmen Prozesskompetenz bei. Wenn sie einmal gelernt haben, wie man in Standards arbeitet, können sie die Firma und die Abläufe auch selbst weiter optimieren." Neben erheblichen Einsparungen durch ein strukturiertes Lager und funktionierende Prozesse gibt es einen weiteren Vorteil: „Sie haben einen hohen Zusatznutzen durch die persönliche Entlastung. Inhaber in Betrieben mit drei bis zehn Leuten arbeiten oft 60, 70 Stunden die Woche", weiß Paulus. „Nach der Umorganisation ist ein Großteil der Arbeitsleistung des Inhabers automatisiert."
Das Lager der Zukunft
Je größer ein GaLaBau-Betrieb ist, desto höher ist der Grad der Digitalisierung und Automatisierung, auch bei der Lagerverwaltung. Diese Erfahrung hat Prof. Dr. Beiersdorf im Laufe der Jahre gemacht. Was er jedoch auch festgestellt hat: „Trotz aller Automatisierung führt an der 450-€-Kraft, die sich ums Lager kümmert, kein Weg vorbei." Seiner Ansicht nach werden sich die Anforderungen an Lager drastisch verändern. Geht es nach der Bundesregierung, soll Bauen und Sanieren in Richtung eines Kreislaufwirtschaftssystems weiterentwickelt werden, bei dem ein stetig zunehmender Anteil der Baustoffe wiederverwendet wird. „Das wird auch Auswirkungen auf den GaLaBau haben", ist Beiersdorf überzeugt. Materialbörse statt Lager – so könnte die Zukunft aussehen.
www.dega-galabau.de
Ergänzende Informationen zum Beitrag finden Sie mit dem Webcode dega5452 (in die Suchmaske eintippen und das Lupensymbol anklicken).
INFORMATIONEN
Augel Bauhoflogistik www.augel.de
Balzer www.balzer-gartengestaltung.de
Paulus-Lager paulus-lager.de
Richter Fördertechnik richter-foerdertechnik.de
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