„Seidenspinner ist hier der Anfang unserer Reise“
Europas größter GaLaBau-Dienstleister idverde hat mit dem Kauf der Firma Seidenspinner in Stuttgart einen Fuß auf den deutschen Markt gesetzt. Weitere Akquisitionen sollen folgen. DEGA GALABAU hat mit Deutschlandchef Jan Jörgenshaus über seine Pläne und Visionen für die Entwicklung der Branche in Deutschland gesprochen.
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Diesen exklusiven Artikel haben wir für Sie ausnahmsweise geöffnet.
DEGA: Im GaLaBau kennt man Investoren mehr vom Hören und Sagen. Jetzt kommt mit Ihnen ein Konzern und akquiriert einen namhaften Mittelständler. Was haben Sie vor?
Jörgenshaus: Seidenspinner ist für uns der Startpunkt für den Südwesten. Das Gleiche stelle ich mir fünf-, sechsmal in Deutschland vor, jeweils mit einem großen, renommierten und hinsichtlich Organisation, Prozessen und Systemen stabilen Unternehmen als Ausgangsbasis. Dazu können kleinere Unternehmen kommen, die man organisatorisch an die Größeren andocken kann.
Das Zweite, das ist noch eine Vision, die ich habe: Ich hätte gerne eine idverde-Akademie in Deutschland, wo wir auf allen Berufsleveln Entwicklung fördern und Entwicklung möglich machen können, besonders bei den Ingenieuren. So können wir die Fachkräfte ausbilden, die wir für die Struktur brauchen, die es in anderen Ländern schon gibt.
Es wäre jetzt natürlich einfach zu sagen, wir wollen die Nr. 1 in der Größe werden. Aber das ist ein bisschen kurzgesprungen. Denn wenn ich in die Nachbarländer gucke, ist der GaLaBau da aus meiner Sicht schon zwei, drei Schritte weiter. Ein Beispiel: Die Niederländer haben eine Niederlassung mit 80 Ingenieuren, die unter anderem Gemeinden in der Stadtplanung beraten, wie man Städte grüner, lebenswerter und mit weniger CO2-Ausstoß gestalten kann oder Feinstaub reduziert bekommt. Diese Entwicklung hin zu einem grüneren Leben möchten wir auch in Deutschland maßgeblich mitgestalten. Mit Seidenspinner haben wir den passenden ersten Partner dafür gefunden.
DEGA: Diese Ingenieurbüros gibt es in Deutschland ja auch – aber sie sind in der Planung angesiedelt und nicht im GaLaBau.
Jörgenshaus: Ich glaube, es gibt in Deutschland ganz, ganz viele starke Landschaftsarchitekten, die aber nicht das Potenzial für Innovationen nutzen können, das die Vernetzung mit der Operativen bietet – und, weil es den Markt dafür wahrscheinlich noch nicht gibt. Da hat beispielsweise BTL einen Vorteil (Anmerkung der Red.: großer niederländischer Landschaftsbau- und Planungsdienstleister, der im November 2018 von idverde aufgekauft wurde, btl.nl).
DEGA: Sie meinen, eine Arbeitsteilung zwischen Planung und Ausführung, wie wir sie in Deutschland haben, gibt es in den anderen Ländern nicht in dieser Form – und deshalb auch keinen Markt für Anbieter, die beides können. Mal abgesehen von der Frage, ob das wünschenswert wäre der nicht – wie könnte der Weg dahin aussehen?
Jörgenshaus: Auch in anderen Ländern kommt es darauf an, wie das Projekt ausgeschrieben wird – in den Niederlanden gibt es die Trennung zwischen Planung und Ausführung ebenfalls. Sie hat auch ihre Berechtigung! Wir haben gar nicht den Anspruch, beides in einem Projekt zu machen. Wir können aber unsere Expertise aus beiden Bereichen nutzen, um einfach bessere Leistungen – sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung – zu erbringen. Denn wir verstehen beide Seiten und können sie in unserer Arbeit mitdenken.
DEGA: Wie groß soll denn so eine Struktur sein – und in welchen Zeiträumen planen Sie?
Jörgenshaus: Ich glaube, wenn wir dieses Jahr noch ein, zwei Akquisitionen schaffen, wäre es super gut. Wenn wir dann in den Folgejahren auch zwei, drei schaffen, ist es auch super gut. Die Größenordnung einer Einzelakquisition kann dabei zwischen 2 und 40 Mio. € liegen. Die Range ist riesig. Am Ende des Tages gehört auch immer ein bisschen Glück dazu, der Zeitpunkt muss passen, und man muss auch zueinander passen. Wir wollen lieber ein bisschen langsamer, lieber ein bisschen bedachter bei den Zukäufen vorgehen, dass man sich nachher auch sicher ist, dass man zusammen weiterarbeiten möchte.
Wenn wir nach Frankreich oder Großbritannien gucken, dann hat idverde da jeweils einen Umsatz von 200 bis 300 Mio.€. Selbst unter der Berücksichtigung, dass der deutsche Markt viel größer ist – jetzt sind wir mit Seidenspinner bei 20 Mio.€. Bis zu 200 Mio.€. ist es schon echt noch weit. Wenn wir das in drei bis fünf Jahren hinbekommen, würden wir uns freuen.
DEGA: Welche Art von Betrieben suchen Sie denn?
Jörgenshaus: Wir gucken vor allem nach Unternehmen, die ihr Geschäft beherrschen. Wir gucken nach gesunden Unternehmen. Es sollen Unternehmen sein – und das ist dann auch Teil einer Due-Diligence (Anm. d. Red.: Prüfung der finanziellen Lage) –, die Lust haben, so einen gemeinsamen Weg zu gehen.
DEGA: Seidenspinner ist so ein gesundes, effizientes und namhaftes Unternehmen. Was hat die Familie daran gereizt, Teil von idverde zu werden?
Jörgenshaus: Ich würde sagen, es gibt mehrere Dimensionen. Die Motivation von Hans-Jörg Seidenspinner war sicherlich, darüber die Möglichkeit zu bekommen, im GaLaBau – ich würde es so formulieren – nochmal in einer anderen Liga zu spielen. Die Möglichkeit zu haben, von Anfang an eine Marktkonsolidierung mitzugestalten. Er teilt mit mir ganz stark die Vision, dass für den Mittelständler an vielen Stellen Schluss ist. Und er hat – das ist meine Übersetzung – Lust darauf, mit mir das Thema Akademie anzugehen, diesen Ingenieurspool aufzubauen, GaLaBau in diesem Sinne mit idverde auf eine neue Stufe zu heben. Sein Sohn Moritz sieht zudem, dass in so einer mittelständischen Struktur für jemanden mit seinem Ausbildungsgrad nicht mehr viel zu holen ist. Ich glaube, das werden wir in der Branche ganz oft sehen – da kommt eine neue Generation ans Ruder, die das Geschäft ihrer Väter und Großväter machen soll, die sich aber gar nicht unbedingt nur mit dem Operativen beschäftigen will, sondern gerne auch mal ein paar strategische Dinge mitdenken und mal auf Prozesse, auf Systeme gucken möchte.
DEGA: Sie sagen, Sie haben mit der Hälfte der Eigentümer von Deutschlands 300 größten Betrieben gesprochen. Bei denen, die sich für Ihr Angebot interessieren – sind da ähnliche Motive Triebfeder?
Jörgenshaus: Es gibt immer unterschiedliche Typen. Seidenspinner ist auch deshalb so ein guter Schritt nach Deutschland, weil sie sehr effizient, sehr professionell, sehr stark im System sind und unsere Vision teilen. Es gibt aber auch Unternehmen, die suchen einfach eine Nachfolgelösung. Da ist der Senior 55plus, der keinen Nachfolger hat, aber selbst wenn es einen gäbe, dieser keine x Millionen auf den Tisch legen kann, um den Betrieb zu übernehmen. Das Problem werden wir mehrfach in Deutschland haben. Ein weiterer Grund ist der Wunsch, noch etwas Größeres zu verwirklichen. Auch bei Leuten so 45plus, die einfach sagen: „Ich bleibe mit meinem Unternehmen hinter den Möglichkeiten zurück und ich würde gerne noch mal mehr machen.“
DEGA: Verkaufen heißt aber dann auch, die Hoheit abzugeben. Was macht Sie überzeugender als andere Investoren, und wieviel Freiheit bleibt?
Jörgenshaus: Ein Grund, warum viele lieber mit mir, als mit anderen Kapitalgebern reden, ist, dass sie in idverde noch einen GaLaBau-Betrieb sehen und nicht die klassische Heuschrecke. Natürlich muss jedes Unternehmen weiter sein operatives Geschäft machen. Da stehen ja meistens Leute vorne, die wissen, was sie tun, und die muss man in weiten Teilen machen lassen. Sonst haben die erstens schnell keine Lust mehr, und zweitens weiß es eh keiner besser als sie. Aber zu der Reise mit idverde gehört auch, dass wir an ein paar Stellen eine Professionalisierung herbeiführen müssen. Wir würden die Synergien, die wir bei den Unternehmen suchen, nicht finden, wenn wir nicht auch sagen würden: Ok, wir müssen ab dem Jahr zwei, drei oder vier im Zweifel im selben System arbeiten und schauen, wie die Prozesse sind und was die Kalkulationsgrundlage bildet. Das heißt, wir müssen schon das richtige Maß zwischen lokaler Selbstverwaltung sowie Professionalisierung und Vereinheitlichung der Prozesse finden. Das wird, glaube ich, eine riesige Aufgabe, weil solche Integrationen auch immer mit persönlichen Befindlichkeiten einhergehen. Das wird bestimmt spannend.
DEGA: Eines Ihrer Ziele haben Sie ja schon eingangs skizziert – die Schaffung einer Struktur, die ihre Konkurrenzkraft aus der Fähigkeit bezieht, Planung und Ausführung anzubieten. Welche Synergien sehen Sie noch?
Jörgenshaus: Da sind erstmal die übergeordneten, die man auf einer Deutschlandebene abgreifen könnte, also EDV-Systeme, Buchhaltung, Lohnbuchhaltung, Einkauf, Weiterbildung. Dann sehe ich auch regionale Synergien – etwa bei der Kalkulation, Auslastung und Geräten. So kann man an der einen oder anderen Stelle überlegen, Spezialgeräte anzuschaffen, die man vorher nie ausgelastet bekommen hat. Darüber lassen sich wieder andere Leistungen anbieten. Im Zweifel kann man sich mit Ressourcen gegenseitig helfen, wenn die Fahrwege nicht zu weit werden. Auch bei den Managementkapazitäten lassen sich Synergien schöpfen.
DEGA: Im Flächenpflegebereich gibt es ja in Deutschland schon Konzernstrukturen. Sehen Sie sich da auch?
Jörgenshaus: Ich glaube, die großen Facility-Dienstleister sind da noch mal anders in Prozessen und Kostenstrukturen. Wenn wir jetzt nach Großbritannien schauen, da ist idverde näher an dem Geschäft, das Firmen wie WISAG heute bei uns machen – auch, weil die Pflegekultur eine andere ist. Aber das ist auch eine Möglichkeit, wie wir uns entwickeln können, nämlich indem wir die klassischen Landschaftsbauer mehr in Richtung Pflege weiterentwickeln. Das kann strategisch auch sehr interessant sein.
DEGA: Mit jeder Idee, die die für Deutschland typische Dualität bei der Projektumsetzung schwächt, machen Sie sich bei den Planerverbänden wahrscheinlich nicht sehr viele Freunde. Aber was sagen die Verbände im GaLaBau zu Ihrem Start in Deutschland?
Jörgenshaus: Eine Frage, die immer von den Verbänden kommt ist: „Ihr wollt doch jetzt sicher austreten?“ Nein, wollen wir nicht. Das macht überhaupt keinen Sinn. Alleine wegen der Soka-Bau, aber auch für die Vernetzung in der Branche wäre das unsinnig. Nein, wir wollen Verbandsmitglieder bleiben.
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