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Kommentar | Tjards Wendebourg

Perspektive: Abmahn-Advokat

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Die DSGVO, also die Datenschutzgrundverordnung, ist in dieser an Absurditäten nicht gerade armen Zeit ein besonderer Höhepunkt; nicht nur, weil sie offensichtlich von Technokraten ersonnen wurde, die von wirtschaftlichen Abläufen etwa so weit entfernt sind, wie die Erde vom Mond. Nein, sie wirkt auch deshalb so entrückt, weil die Diskrepanz zwischen unserer Alltagswirklichkeit als zunehmend gläsern werdende Bürger und dem (nicht ganz unberechtigten) Anspruch, unsere Daten zu schützen, ebenfalls schwindelerregend wächst.

Während uns Apple, Facebook und Google auf Schritt und Tritt folgen, ausländische Geheimdienste bei jedem Smartphonegespräch mit von der Partie sind und die Handelsriesen in unseren Einkaufskörben zu sitzen scheinen, möchte der Gesetzgeber von einem Fotografen, der ein Bild auf der Domplatte macht, die schriftliche Einwilligung in dreifacher Ausfertigung. Wer ein Kind auf dem Foto hat, steht eh mit einem Bein im Gefängnis. Ein Foto ist nicht länger das Abbild einer Situation, sondern ein hochsensibler Datenträger. Und wer fremde Menschen ansprechen will – so ist das bei der Kaltakquise – muss erstmal um Erlaubnis fragen. Eine Quadratur des Kreises.

Aber wie das so ist mit schlecht gemachten neuen Gesetzen und Verordnungen: Zuerst gibt es eine mehr oder weniger große Aufregung in den Medien. Die hat sich bereits gelegt. Die Phase 2 ist davon geprägt, dass die Teilnehmer des Alltages die Regeln ignorieren und so fortfahren wie immer; und zwar umso intensiver, je absurder die Regel ist. Phase 3 ist das böse Erwachen. Das kommt dann, wenn der Postmann dreimal klingelt und die erste Abmahnung ins Haus flattert. Denn wo Leichen liegen, sind die Geier selten weit entfernt.

Wir haben den Ball bisher sehr flach gehalten (der Beitrag ab Seite 58 ist der erste umfängliche dieser Art), die Vorgaben im Haus erfüllt und warten nun darauf, dass der Gesetzgeber handelt. Denn man darf die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Beteiligten in Brüssel und Berlin zu der Erkenntnis gelangen, dass man mit einer derart gestrickten DSGVO jeden Wirtschaftskreislauf lahmlegen kann; ganz besonders, wenn man davon ausgeht, dass die Leute sie befolgen.

Sollten Sie jedenfalls für Ihre Kinder noch eine Zukunftsperspektive suchen: Raten Sie ihnen zu einem Jurastudium. Wenn danach gar nichts geht, können die sich immer noch darauf verlegen, den letzten produzierenden oder dienstleistenden Menschen die Fehler bei ihrer Arbeit nachzuweisen und dafür abzumahnen. Das ist zwar gesellschaftlich betrachtet nicht sonderlich produktiv und zukunftsweisend, sichert aber dem Nachwuchs zumindest das Auskommen. Ausreichend Arbeit liefert die Politik frei Haus.

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