Alles für einen Hitzaccino
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Holzständerbauwerk, Strohkernplatten, unbehandeltes Holz, ungebrannte Lehmziegel und Lehmputz – der ökologische Standard der Siedlung Hitzacker Dorf im östlichen Niedersachsen ist hoch. Das interkulturelle, generationsübergreifende und ökologische Wohn- und Lebensprojekt entstand ab 2018 auf einer ehemaligen Pferdekoppel. Gegründet wurde die Baugenossenschaft 2016.
Die bisher 13 Häuser wurden mithilfe regionaler Handwerker und ganz viel Eigenleistung erbaut, wobei sich alle entsprechend ihrer Stärken und Möglichkeiten einbringen können. Es gibt zum Schutz der Insekten fast keine Straßenbeleuchtung, die Dorfstraße ist autofrei, ein Mobilitätskonzept über ein Dorf-Car-Sharing soll den zukünftig 300 Bewohnerinnen und Bewohnern die Beweglichkeit sichern.
Für die BaseG (Bundesarbeitsgemeinschaft selbstverwalteter Gartenbaubetriebe), die ihre Projekte für das jeweils einwöchige Sommercamp danach auswählt, ob die Menschen dahinter zur Weltanschauung passen und ehrenamtlicher Unterstützung bedürfen, passte Hitzacker Dorf perfekt.
Viele Kleinbaustellen bilden ein Ganzes
Die Vorbereitungsgruppe hatte bereits im Vorfeld versucht, gemeinsam mit den Projektträgern die Realisierung der Wünsche auszuloten und die Gestaltung auf das Wichtigste und Machbare zu reduzieren. Pünktlich Sonntag um 10.30 Uhr war dann Projektstart mit einem Baustellenrundgang der besonderen Art. Wie bei den BaseG-Projekten üblich, setzt sich das Projekt aus zahlreichen Einzelbaustellen zusammen, die in einer Woche parallel bearbeitet werden und für die einzelne Verantwortliche die Mitarbeitenden des Projektträgers miteinbeziehen.
So wurde im Rahmen dieses Projektes ein Amphitheater als Treffpunkt gebaut, außerdem ein 42 m² großes Holzdeck am Gemeinschaftshaus und der Eingangsbereich zum Haus selbst gepflastert, ein Knidos-Labyrinth entstand in der Dorfmitte und ein Pavillon als Überdachung für einen zukünftigen Pizzaofen wurde errichtet. Große Flächen galt es zu pflastern oder mit wassergebundener Fläche zu befestigen.
Auch während der Ausführung wurde immer wieder diskutiert, neu geplant und kreativ modifiziert – typisch für BaseG-Projekte.
Von Rund nach eckig
Bei der Holzterrasse war es etwa so, dass sich die Dorfbewohner eine runde Terrasse gewünscht hatten. Der Aufwand erwies sich aber als unvertretbar hoch. So näherte man sich mit acht Ecken und harmonischer Form nach Goldenem Schnitt dem Ideal an. Ansonsten war Vorgabe, das Deck so nachhaltig wie möglich und ohne neuen Beton zu bauen. So kam RC-Material für die Tragschicht zum Einsatz. Die Konstruktion ruht auf regional gewonnenen, 60 cm in den Boden eingelassenen Robinienstempeln und einer doppelten Unterkonstruktion aus Eiche (10 × 10, 5 × 10). Nur die Herkunft des konventionell bezogenen Douglasien-Deckings, das auf Distanzleisten liegt, ließ sich nicht sicher nachverfolgen.
Wie auch hier, blieben überall noch kleine Baustellen übrig. So konnte das Deck noch nicht per Rampe an die Umgebung angeschlossen werden, weil die Höhen noch nicht feststanden. Für die Projektträger bleibt immer noch Eigenleistung für die Zukunft, denn der Projektzeitraum ist grundsätzlich streng auf eine Woche begrenzt.
Sommerhitze als Rahmenbedingung
Dass es im Sommer auch in Ostniedersachsen heiß werden kann, wussten Projektträger und BaseG. Dass es eine sol che Hitzewelle geben würde, konnte keiner vorhersagen. Auch an der Elbe wurde es in der Woche bis zu 35 Grad heiß. Es wurde deshalb mit allen Tricks versucht, etwas Schatten für die einzelnen Baustellen zu schaffen, auch der kleinste und ausgefallenste Sonnenschirm kam zum Einsatz. Die Pflasterbaustelle am Hauseingang wurde mit großen Planen beschattet, ebenso der Pavillon und auch der Rundling als zukünftiger Dorfplatz. Aber natürlich reicht es nicht immer für den gesamten Bereich. Viel Trinken war die Antwort. Nur das Team Dachbegrünung hatte Glück: Die Baustelle blieb zumindest teilweise im Schatten.
Zwischendurch wird getauft
Das Sommercamp haben die BaseGler auch genutzt, um den Nachwuchs zu würdigen. Eine Taufe mit Sand aus der Region und einem Glas Ramazzotti für alle, die im letzten Jahr ihren Meister- oder Technikerkurs erfolgreich abgeschlossen haben, Gärtnerin oder Gärtner geworden sind. Die Tradition betraf diesmal einen Meister und eine Gärtnerin, die war Landesbeste. Damit es in Zukunft noch mehr werden, hat sich das Team eine „Jugendbaustelle“ ausgedacht. Dort können unter fachkundiger Anleitung die arbeiten, die noch nicht so viel Erfahrung im GaLaBau haben und die Arbeit einmal kennenlernen wollen.
Materialbeschaffung als Hauptthema
Eines der größten Themen für jedes BaseG-Camp ist die Materialbeschaffung. Meist sind die Auftraggeber auf (Material-)Spenden angewiesen. In diesem Fall gelang es zum Beispiel, für das Holzdeck 10.000 € über eine Crowdfunding-Aktion und den Verkauf von Anteilen einzuwerben. Außerdem hatte die Baugenossenschaft Glück, dass sie für 50 €/t eine größere Menge Naturstein bei einer Geschäftsaufgabe in Hannover erwerben konnte. Kleinpflaster gemischt, Großpflaster, Mosaikpflaster, Kantensteine und Schwellen standen so für das Projekt zur Verfügung. Die Findlinge haben die Dorfbewohner selbst besorgt, das Wendland ist an vielen Stellen voll davon. Außerdem organisierten sie zahlreiche ausrangierte Grabsteine, die ebenfalls in die Gestaltung integriert wurden.
Eines der wichtigsten Baumaterialien bei BaseG-Projekten ist Robinienholz. Etwa 40 Stämme je 3 m lang, konnten günstig in der Südheide in der Nähe von Walsrode erworben werden. Da sie schon länger lagen, wurden sie vor Ort teilweise sehr intensiv bearbeitet. Die dunkle Verwitterungsschicht musste mit einem Zieheisen bis auf das Kernholz entfernt werden.
Beste Versorgung durch das Dorf
Ebenfalls Voraussetzung für ein BaseG-Projekt ist, dass der Projektträger Platz für eine Zeltstadt bietet, Sanitärräume zur Verfügung stellt, die Kinderbetreuung organisiert und für das leibliche Wohl sorgt. In puncto Essen gelang es dem Dorf, die Messlatte hoch zu legen. Die Gerichte waren Bio und vegetarisch, nur zum Abschiedsfest wurden für die rund 200 Menschen 400 Würstchen – natürlich von glücklichen Tieren – zubereitet.
Neben der Naturkostsafterei Voelkel, die ihren Firmensitz und die Produktionsstätte im Wendland hat, konnte die Gemeinschaft auch den schweizerischen Online-Weinhändler als Getränke-Sponsoren gewinnen.
Zur guten Betreuung gab es neben einem Kabarettabend, einer Kanutour auf dem Flüsschen Jeetzel und vielen weiteren Angeboten auch noch das Fußballspiel BaseG vs. Dorf, das die Gärtner mit 7:2 für sich entscheiden konnten; ein eingespieltes Team eben.
Abschluss mit rauschendem Fest
Um 18 Uhr am Freitag ist traditionell Projektschluss. Jede Arbeitsgruppe präsentiert ihr Gewerk auf kreative Art und Weise. Der letzte Arbeitstag des Projekts endete mit einem großen Fest im neugestalteten Musiktheater. Wer noch Kraft und Muße hatte, konnte nahtlos das Sonnenaufgangskonzert um 05.05 Uhr im Rahmen der Sommerlichen Musiktage Hitzacker 2022 auf der Wiese am Hafen direkt an der Elbe genießen, bevor das Dorf am Samstag wieder zur Ruhe kommen konnte.
Für alle Beteiligten dürfte auch das BaseG-Sommercamp 2022 wieder ein bleibendes Erlebnis gewesen sein – nicht nur wegen des Hitzaccino, des Cappuccino à la Hitzacker, auf der neu geschaffenen Holzterrasse des Gemeinschaftshauses.
www.dega-galabau.de
Hier finden Sie eine Zusammenstellung von bereits in DEGA veröffentlichten Beiträgen der Sommercamps der „Bundesarbeitsgemeinschaft selbstverwalteter Gartenbaubetriebe (BaseG)“
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